Der Gentechniksprecher von Bündnis90/Die Grünen, Harald Ebner, kritisiert, das Betreiben der Hersteller für die erneute Zulassung von Glyphosat in der gesamten EU für weitere 15 Jahre. Nach seiner Meinung wollen die zuständigen EU-Behörden offenbar keine andere toxikologische Einstufung von Glyphosat vornehmen als bisher. Es soll weiterhin als gesundheitlich harmlos gelten.
„Diese Entwicklung straft auch Agrarministerin Julia Klöckner Lügen, die bei ihrem vorgeblichen „Glyphosat-Ausstieg“ in Deutschland allein darauf abzielte, dass der Stoff in der EU seine Zulassung endgültig verliert. Den Menschen derartig Sand in die Augen zu streuen, war von Anfang an unredlich,“ meint Ebner. Vor kurzem hat sich das EU-Parlament gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat nach 2022 ausgesprochen.
Neue Risikobewertung erst Ende 2022
Dabei hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch gar keine endgültige Risikobewertung vorgelegt. Sie ist erst Ende 2022 zu erwarten. Auf der Grundlage dieser Risikobewertung wird die Europäische Kommission über die Zulassungsverlängerung von Glyphosat entscheiden.
Nach aktuellem Wissensstand kommen keine neuen Risiken zu dem bislang bekannten Gefährdungspotential hinzu. Dies geht aus einer umfangreichen Stellungnahme hervor, die die vier berichterstattenden EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Ungarn, die Niederlande und Schweden gestern der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma vorgelegt haben. Die aktuelle EU-weite Marktzulassung für Glyphosat läuft am 15. Dezember 2022 aus.
Kein Krebsrisiko in Stellungnahme
Glyphosat führt nach bisherigen Erkenntnissen laut Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) bei direktem Kontakt zu schweren Augenschädigungen. Ebenso ist es langfristig als giftig für Wasserorganismen eingestuft. Eine höhere Gefahr für Keimzellmutagenität, Karzinogenität oder Reproduktionstoxizität sehen der 11.000 Seite dicke Bericht auch diesmal nicht. Der Vorschlag der vier Mitgliedstaaten beabsichtigt daher keine Änderung der bestehenden Einstufung.
Die EFSA und die ECHA werden nun parallele Konsultationen zum Berichtsentwurf organisieren. Diese Konsultationen sind öffentlich und sollen in der ersten Septemberwoche dieses Jahres eingeleitet werden.
Der Ausschuss für Risikobeurteilung der ECHA wird die Einstufung von Glyphosat gemäß EU-Verordnung überprüfen. Die Einstufung von Chemikalien basiert nach EFSA-Angaben ausschließlich auf den gefährlichen Eigenschaften eines Stoffs und berücksichtigt nicht die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Glyphosat. Die Exposition wird als Teil des Risikobewertungsprozesses angesehen, der von der EFSA geleitet wird.
Erstaunen bei den Grünen
Ebner ist über die Bewertung der EU erstaunt, insbesondere vor dem Hintergrund der tausenden Klageverfahren in den USA gegen Bayer aufgrund von vermehrten Krebserkrankungen bei Anwendern. Besonders stutzig macht ihn, dass offenbar auch keine neuen Zulassungsstudien zu Krebs in Tierexperimenten durchgeführt wurden. Aktuelle Langzeitstudien fehlen laut Ebner ebenfalls. „Dass die aktuelle Bewertung nun im Wesentlichen weiter auf alten Studien auf Basis teilweiser überholter Leitlinien oder mit zweifelhaften Kontrolldaten beruhen soll, ist unfassbar“, so der grüne Gentechniksprecher.
Er verlangt von den EU-Risikobewertungsbehörden und der Wissenschaft, die Schlussfolgerungen der Berichte gründlich zu prüfen und herstellerunabhängige Studien angemessen zu berücksichtigen.