Anlässlich des Lebensmittelgipfels zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Spitzenvertretern der Lebensmitteleinzelhandelskonzerne am Montag zieht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied folgendes Fazit: „Diese Runde war ein erster wichtiger Schritt, aber weitere müssen folgen. Dabei müssen unbedingt die Landwirte mit an den Tisch. Wir dürfen nicht bei der Umsetzung der europäischen UTP-Richtlinie stehen bleiben. Diese Regelung hat Lücken, die viele Probleme ungelöst lassen. Qualität, Regionalität und hohe Standards müssen angemessen honoriert werden. Dazu braucht die Erzeugerseite eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe, die auch kartellrechtlich abgesichert ist.“
BDM sieht kaum konkrete Ergebnisse
Der Bund deutscher Milchbauern (BDM) sieht das heutige Spitzengespräch - abgesehen von der Ankündigung, dass bis Ende 2020 die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelkette in Deutschland umgesetzt werden solle - erwartungsgemäß praktisch ohne konkretes Ergebnis. „Mit Appellen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen unlautere Handelspraktiken wird man die eklatanten Missstände im Lebensmittelbereich nicht beseitigen können“, kritisiert BDM-Vorstand Elmar Hannen.
„Eine ganz wesentliche Ursache, die dieses Verhalten von Handel und Verarbeitung aber erst ermöglicht, ist eine Marktsituation, die geprägt ist von Dauersättigung bis hin zu einem Überangebot, also einem Käufermarkt“, betont BDM-Vorsitzender Stefan Mann. „Diese Situation und die Tatsache, dass die Landwirte im nachgelagerten Bereich einer hoch konzentrierten Handels- und Verarbeitungsindustrie gegenüberstehen, führen zur schlechten Marktstellung der Landwirte und dazu, dass die Landwirte einem Preisdiktat unterliegen, das es nicht ermöglicht, steigende Kosten weiter zu berechnen.“
Preisgipfel darf nur der Anfang sein
Umweltverbände, die Ökobranche und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sehen über den „Preisgipfel“ hinaus deutlichen Handlungsbedarf der Politik zu Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise. Ein einzelner „Preisgipfel“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Lebensmitteleinzelhandel reiche nicht aus, wolle man faire Preise und Naturschutz in der Lebensmittelkette in Einklang bringen, erklärte der World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland.Die Verantwortung gelte für Verbraucher genauso ein wie die Landwirte selbst, betonte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Der „Preisgipfel“ dürfe daher nur der Anfang sein für einen breiten gesellschaftlichen Dialog über den Wert von Lebensmitteln und Natur und über die Wertschätzung für nachhaltige landwirtschaftliche Praxis in Deutschland.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) rief die Bundesregierung zu einem Verbot für Ramschangebote auf. „Wer den Liter Milch für nur 60 Cent anbietet und somit der Bäuerin oder dem Bauern nur etwa 30 Cent bezahlt, der ist mitverantwortlich für das Höfesterben“, erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
Der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, warf Politik und Agrarwirtschaft vor, die Konkurrenzfähigkeit auf den globalen Agrarmärkten jahrzehntelang zum Leitbild erhoben und damit Niedrigstpreise sowie Strukturwandel in Kauf genommen zu haben. Jetzt brauche es eine Qualitätsstrategie bei Lebensmitteln.
Derweil forderte der Greenpeace-Landwirtschaftsreferent Dirk Zimmermann bei einer gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) vor dem Kanzleramt durchgeführten Protestkundgebung, dass die Supermarktketten ihre Marktmacht nicht länger missbrauchen dürften, „um rücksichtsloses Preisdumping auf Kosten von Landwirten, Tieren, Umwelt und Klima durchzusetzen“. Die Produktion von Billigfleisch und Milch zu Weltmarktpreisen dränge die Bauern wirtschaftlich und gesellschaftlich ins Aus, stellte AbL-Bundesgeschäftsführer Georg Janßen ergänzend fest. Erforderlich seien faire Erzeugerpreise und Planungssicherheit für eine artgerechte Tierhaltung.