Trotz Nachbesserungen bei der Tierhaltungskennzeichnung hält die Kritik der Opposition und Tierschützer an. Mitte Juni (16.6.) hatte der Bundestag das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz
sowie eine Änderung des Baurechts beschlossen, um Stallumbauten für mehr Tierwohl zu erleichtern. Als Stückwerk, praxisfremd und Bürokratiemonster bezeichnete Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber das beschlossene Kennzeichnungsgesetz. Artur Auernhammer, CSU-Agrarsprecher im Bundestag, wirft der Ampelkoalition Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung. So könnten auch betäubungslos kastrierte Ferkel aus Nachbarländern in eine entsprechend hohe Haltungsstufe kommen. Die Regierungskoalition kündigt jedoch an, spätestens bis Ende 2024 die Kennzeichnungspflicht auch auf Ferkel, Sauen und weitere Tierarten und Verkaufswege auszudehnen.
Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hat Lücken beim Bau- und Emissionsrecht
Scharfe Kritik kommt vom Deutschen Bauernverband (DBV) und dem Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG). Die Geflügelhalte bewerten das geänderte Baurecht als „Mogelpackung“. Geflügelhalter profitieren laut ZDG nicht davon, weil die staatliche Tierhaltungskennzeichnung zunächst nicht für Geflügel und Eier gilt. Der DBV bemängelt, dass die beschlossenen baurechtlichen Änderungen nicht automatisch auch Erleichterungen beim Immissionsschutzrecht (TA Luft) vorsehen und nicht für die Sauenhalter greifen. Diese müssen bereits seit 2021 die höheren Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfüllen. Ebenso profitieren keine Tierhalter, die nach 2013 gewerblich wurden, weil sie beispielsweise Flächen verloren haben, von den Lockerungen im Baurecht. Beide Verbände fordern daher tierwohlfördernde Stallum- oder -neubauten allen Tierhaltern möglichst sofort zu ermöglichen. Dafür sollen sich nun die Bundesländer stark machen. Der Deutsche Tierschutzbund und ProVieh sehen in dem neuen Gesetz keine Impulse für den Tierschutz in den Ställen.
Ganz anders sieht dies natürlich Bundesagrarminister Cem Özdemir. Für ihn ist der Umbau der Tierhaltung „zwei große Schritte“ vorangekommen.
Das Baugesetz sieht eine baurechtliche Privilegierung für Unternehmen vor, die ihre Stallanlagen umbauen wollen, um ihre vorhandene Tierhaltung auf die Haltungsformen „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ oder „Bio“ umzustellen. Einbezogen sind aber lediglich Ställe, die mit der Baurechtsänderung von 2013 ihre baurechtliche Privilegierung verloren haben und die sie nun wieder zurückerhalten. Bei Um- oder Neubauten müssen Landwirte ihre Tierbestände nicht verringen. Zudem können sie den Ersatzneubau auch an anderer Stelle durchführen als das Altgebäude. Allerdings ist das Altgebäude dann zurückzubauen.
Tierhaltungsgesetz hat fünf Stufen bei Kennzeichnung
Die Haltungskennzeichnung umfasst fünf Haltungsformen. Die Regelungen gelten zunächst nur für Mastschweine. Diese müssen in der Haltungsform „Stall“ nach den gesetzlichen Mindestanforderungen gehalten werden. In „Stall plus Platz“ stehen den Tieren 12,5 % statt wie ursprünglich geplant 20% mehr Platz zur Verfügung als vorgeschrieben. Im „Frischluftstall“ muss den Schweinen ein dauerhafter Kontakt zum Außenklima ermöglicht werden. In der Haltungsform „Auslauf/Weide“ ist den Schweinen ganztägig ein Auslauf zur Verfügung zu stellen. „Bio“ erfordert das Einhalten der Vorgaben in der EU-Ökoverordnung. Mit der Baurechtsnovelle will der Bund den Um- und Neubau von Tierwohlställen erleichtern. Beide Gesetze werden aller Voraussicht nach am 7. Juli den Bundesrat passieren. Denn sie sind nicht zustimmungspflichtig, allerdings könnte der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen.