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Gemeinsame Agrarpolitik

Ist die GAP noch zeitgemäß?

Alexandra Königer
Alexandra Königer
am Donnerstag, 14.11.2019 - 14:30

Die Meinungen zwischen Bauernverband, BDM, Ökobauern und Wissenschaftlern gehen teilweise stark auseinander.

Agrarpolitik

München - Braucht es einen Systemwechsel in der Gemeinsamen EU-Agrar­politik (GAP) oder soll es beim bisherigen Modus der Förderungen für Landwirte bleiben? Um diese Frage zu klären, hat der Agrar­ausschuss vergangene Woche Experten in den Landtag eingeladen. Vier Stunden wurde diskutiert. Das Ergebnis: Die Meinungen zwischen Bauernverband, Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, Ökobauern und Wissenschaftlern gehen teilweise stark auseinander.

Im Fokus der öffentlichen Diskussion steht das Modell der zwei Säulen, aus denen die Bauern Gelder erhalten. An Direktzahlungen (Erste Säule) fließen aktuell pro Jahr knapp eine Milliarde Euro an Bayerns Bauern – das sind reine Mittel der EU. Pro Hektar bewirtschaftete Fläche gibt es im Durchschnitt 300 €, pro Betrieb im Schnitt somit gut 9.000 €. Viele Bauern sind auf diese Zahlungen angewiesen.

Laut Josef Weiß von der Landesanstalt für Landwirtschaft hatten die Direktzahlungen in bayerischen Haupterwerbsbetrieben zuletzt einen Anteil von rund 37 % an ihrem ordentlichen Ergebnis. Noch viel stärker ist die Abhängigkeit der Nebenerwerbsbetriebe (61 % aller Betriebe in Bayern): Hier stammen etwa 90 % des Ergebnisses aus Direktzahlungen. „Es wäre fraglich, ob die Betriebe ohne Direktzahlungen weitergeführt werden.“

Wirksamkeit von Kulap-Maßnahmen unbekannt

Daneben gibt es die Zweite Säule zur Unterstützung des Ökolandbaus, für Agrarumweltprogramme wie das Kulap und die Ländliche Entwicklung. 200 Mio. € im Jahr kommen dafür von der EU, Bund und Länder schießen Mittel zu, sodass ein Durchschnittsbetrieb in Bayern – nach Expertenmeinung ein Vorreiter bei Agrarumweltprogrammen – auf 4.400 € pro Jahr zusätzlich kommt. Was allerdings aufhorchen lässt: Über die ökologische Wirksamkeit von Kulap-Maßnahmen gibt es keine Daten. „Da fehlt es an der entsprechenden Evaluierung“, kritisierte Weiß.

Die Direktzahlungen stehen in der öffentlichen Debatte oft in der Kritik: Sie würden pauschal nach Fläche ohne Auflagen bezahlt, im Gegensatz zu Geldern der Zweiten Säule, die an gesellschaftliche Leistungen geknüpft seien. Gerade wird in Berlin über eine stärkere Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule diskutiert. Matthias Borst vom Bauernverband hat dafür kein Verständnis: Für ihn ist „Umschichtung gleich Kürzung“. Die Direktzahlungen seien ein Teilausgleich unter anderem für höhere Kosten durch hohe Anforderungen bei Tierhaltung, Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit oder den Erhalt der Kulturlandschaft. Mehr Ambitionen beim Umweltschutz seien durch weitere Anreize zu unterstützen.

Systemwechsel ohne Strukturbruch gefordert

Auch wenn allen geladenen Experten nach eigenem Bekunden die Abhängigkeit der bayerischen Bauern von diesem Geld bewusst ist, wollen viele einen Systemwechsel. Dabei pochen sie auf eine sanfte Änderung, um einen Strukturbruch zu vermeiden. Zum Beispiel Hans Foldenauer vom BDM. „Wir müssen die Grundausrichtung der Agrarpolitik hinterfragen“, sagte er. Es sei immer darum gegangen, die Kosten zu senken. Die Folge sei ein „immenser Intensivierungsdruck auf den Betrieben“. „Wir importieren riesige Mengen von Futtermitteln und Palmöl, nun haben wir wegen der Nährstoffproblematik eine Auflagenflut“, so Foldenauer. Es gelte, die „Auswirkungen der Agrarpolitik wieder ein Stück weit zurückzuholen“. Man müsse nicht nur das Geld anders verteilen, sondern überlegen, „wie man die Gelder für den Agrarsektor sichern kann, indem wir sie an gesellschaftliche Leistungen binden“.

Auch für Hubert Heigl von der Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern befinden sich die Bauern in einem „Hamsterrad, immer mehr zu produzieren“. Neue Her­ausforderungen wie der Verlust an Biodiversität, Klima- und Umweltschutz sowie Trinkwasserschutz seien nicht monetär bewertet. Zwar habe sich die Zwei-Säulen-Struktur bewährt, aber jetzt gelte es, das System umzubauen – hin zu einer Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft. „Es muss ein Markt entstehen für Gemeinwohlleistungen“, forderte er und plädierte für eine höhere Umschichtung. „Ich sehe die nicht als einkommensmindernd an, weil sie an anderer Stelle wieder gezielt ankommt.“

Dass es gute Argumente braucht, um den Fortbestand der Direktzahlungen in ihrer bisherigen Form zu verteidigen, zeigte ein Vorstoß aus der Wissenschaft bei der Anhörung: Sebastian Lakner vom Thünen-Institut warf die Frage auf, ob es überhaupt eine Datengrundlage gebe, dass landwirtschaftliche Haushalte ärmer seien als andere Haushalte. Somit gebe es keine Grundlage für einen politisch gewährten Einkommensausgleich, anders als bei Hartz IV. Er empfahl, die Direktzahlungen langfristig auslaufen zu lassen und die Agrarförderung an Ziele wie Maßnahmen für mehr Tierwohl oder gegen den Klimawandel auszurichten. CSU und Freie Wähler reagierten empört. Die Agrarzahlungen seien keine Sozialhilfe sondern ein Ausgleich für höhere Produktionskosten gegenüber dem Weltmarkt.

EU-Kommission will Spielraum bieten

Der Vertreter der EU-Kommission Michael Niejahr verwies darauf, dass nach dem Vorschlag der Kommission künftig die Mitgliedstaaten entscheiden können, wieviel Geld jeweils aus der Ersten und der Zweiten Säule bezahlt werden soll. Ziel seien aber größere Ambitionen beim Umweltschutz und eine geringere Abhängigkeit der Landwirte von den Direktzahlungen. Wie das zu erreichen ist, da gingen die Meinungen der Mitgliedstaaten auseinander.