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EU-Agrarpolitik

GAP: Nationale Gesetzesentwürfe noch nicht verabschiedungsreif

Josef Koch
Josef Koch
am Montag, 07.06.2021 - 14:59

Der Deutsche Bauernverband hält die derzeitigen Gesetzesentwürfe zur Agrarreform noch nicht für entscheidungsreif. Zu viele Punkte sind noch offen. Sachverständige sehen Korrekturbedarf.

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Der aktuelle Stand der Gesetzesentwürfe zur nationalen Umsetzung der Agrarreform ist aus Sicht des Deutschen Bauernverbands (DBV) noch nicht reif für eine Entscheidung im Bundestag, denn es fehlen noch die Ergebnisse der Brüsseler Trilogverhandlungen. Diese sind frühestens Ende Juni zu erwarten. Viel Nachbesserungsbedarf bei den Gesetzesentwürfen sahen zudem Sachverständige am Montag (7.6.) bei der Anhörung im Agrarausschuss.

Außerdem erhofft sich der DBV vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, zunächst konkrete Kalkulationen für die sieben vorgeschlagenen Eco-Scheme-Maßnahmen vorzulegen, um diese beurteilen zu können. DBV-Präsident Joachim Rukwied forderte das Berliner Ministerium auf, schnellstens bis nächste Woche die finanzielle Ausgestaltung der Maßnahmen vorzulegen, ansonsten müsse der Gesetzgeber die Entscheidung über die nationale Umsetzung auf nach der Sommerpause verschieben. "Qualität geht vor Schnelligkeit", betonte Rukwied. Bereits am kommenden Donnerstag (10.6.) soll der Bundestag über die GAP-Gesetzesentwürfe entscheiden.

Bei der Anhörung im Agrarausschuss des Deutschen Bundestags zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) forderte Joachim Rukwied, die Parlamentarier auf, bei den neuen Eco Schemes (Öko-Regelungen) und bei Agrarumweltmaßnahmen mehr Anreize für die Landwirte zu schaffen.

Einfache Anträge für Öko-Regelungen nötig

„Die Bauern haben gezeigt, dass sie ein großes Interesse am Umwelt- und Artenschutz in der Agrarlandschaft haben und diesen auch aktiv unterstützen. Wenn es keine ausreichende Möglichkeit für sie gibt, mit freiwilligen Umweltmaßnahmen Geld zu verdienen, werden diese Programme aber keinen Erfolg haben. Das ginge zu Lasten der Umwelt," so der DBV-Präsident.

Das Budget für Agrarumweltmaßnahmen in beiden Säulen der GAP soll von heute etwa 0,9 Milliarden Euro auf etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Konkret kritisiert der DBV die Überschneidungen der Eco Schemes mit bewährten Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule im Umfang von etwa 300 Millionen Euro und fordert vor allem für Grünland ein erweitertes Förderangebot mit einem Grünland-Klimabonus von rund 90 €/ha. Den Bonus sollten Betriebe mit mindestens 75 % Grünlandanteil erhalten. Auch für den Futterpflanzenanbau wie Leguminosen von mindestens zehn Prozent in der Fruchtfolge ist der Bonus laut DBV gerechtfertigt.

Darüber hinaus erwartet Rukwied, die Antragsverfahren möglichst einfach zu halten. Er schlägt unter anderem vor, die digitale Technik stärker zu nutzen, um die Vor-Ort-Kontrollen zu verringern. Nach Auffassung des Bauernpräsidenten ist beispielsweise eine Flächenvermessung vor Ort "absolut nicht mehr zeitgemäß".

Zudem befürchtet er eine erhebliche zusätzliche Bürokratie durch die Wiedereinführung des "Aktiven Landwirts" und die neue "Soziale Konditionalität". "Bei den zusätzlichen Umweltmaßnahmen brauchen wir mehr Flexibilität“, so Rukwied.

Grethe: Mehr Geld für Öko-Regelungen nötig

Grethe Harald-Professor

Grundsätzliche Kritik kam vom Agrarwissenschaftler Harald Grethe.  Er betonte, die vorgelegten Entwürfe ermöglichten keinen echten Systemwechsel in der Landwirtschaft, sondern seien nur "Stückwerk" - auch wenn einzelne Maßnahmen in die richtige Richtung gingen. Konkret monierte der Professor von der Humboldt-Universität in Berlin die Umschichtung von maximal 15 Prozent der finanziellen Mittel von der ersten in zweite Säule der GAP als viel zu gering. Auch das Budget für Öko-Regelungen sei mit 25 Prozent der Direktzahlungen zu klein dimensioniert. "35 Prozent sollten am Ende Planungshorizontes schon erreicht werden", sagte der Sachverständige.

Für ein größeres schrittweise ansteigendes Budget für die Öko-Regelungen sprach sich auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) aus. Nur so gelinge allen Betrieben der Übergang beim Umgang der GAP weg von einer pauschalen Flächenförderung, so Phillip Brändle. Die Öko-Regelungen sollten mit Anreizen und anhand eines Punktesystems ausgestaltet werden. Dafür plädierte auch Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL). Er appellierte an den Bundestag, eine Gemeinwohlprämie, wie sie der  DVL vorgelegt habe, gesetzlich zu verankern.

Schmid: Notfalls später nachbessern

DLG

Ähnlich wie DBV-Präsident Rukwied argumentierten die Einzelsachverständigen Jürgen Maurer und Hubertus Paetow: Die GAP werde komplexer, undurchschaubarer und für Praktiker immer schwieriger umzusetzen, klagte Maurer. Die Vorgabe, mindestens drei Prozent der Ackerfläche nicht zu bewirtschafteten, geißelte das Vorstandsmitglied des Bauernverbandes Schwäbisch-Hall als "Stilllegungspflicht". Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, verlangte insgesamt mehr Planungssicherheit "bei den Zahlungen und bei geplanten Einschränkungen". Beim Insektenschutz etwa seien zuletzt Einschränkungen "schnell, willkürlich und planlos" beschlossen worden, so seine Kritik.

Trotz vieler offener Fragen und "Ungereimtheiten" etwa hinsichtlich der Schnittstellen zwischen der ersten und zweiten Säule, plädierte Konrad Schmid, Abteilungsleiter im Bayerischen Landwirtschaftsministerium, dazu, die vorliegenden Gesetzentwürfe "schnell zu verabschieden" und Änderungen nachträglich vorzunehmen. So könne verhindert werden, dass Betriebe komplett ausstiegen und sich den Steuerungsmaßnahmen entzögen. Er betonte die große Herausforderung, die Öko-Regelungen so zu gestalten, dass sie breit wirksam seien und Betrieben ein Einkommen ermöglichten.

Landfrauen fordern speziell zugeschnittene Förderung

Nach Auffassung von Juliane Vees als Vertreterin des Deutschen LandFrauenverbands, braucht es eine speziell zugeschnittene Förderung etwa bei der Existenzgründung und Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nur damit ließe sich der Anteil von Betriebsleiterinnen und weiblichen Hofnachfolgen in der Landwirtschaft erhöhen. Der Umbau der GAP böte hierfür neue Chancen.

Komplett abgelehnt hat Reinhard Jung für die Freien Bauern Deutschland die GAP-Gesetzentwürfe. Seiner Meinung nach nutze die Bundesregierung ihre Spielräume nicht, über eine agrarstrukturelle Ausrichtung der Direktzahlungen dem zunehmenden "Ausverkauf" der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland an Investoren einen Riegel vorzuschieben. Zudem führten die vielen Anreize zur Flächenstilllegung zu "zwei bis drei Prozent weniger landwirtschaftlicher Erzeugung in Deutschland, warnte Jung. Das habe nichts mit Umweltschutz und Biodiversität zu tun.