Die deutsche Fleischwirtschaft hält das Argument von Bundesagrarminister Cem Özdemir „weniger Fleisch zu essen wäre ein Beitrag gegen Putin“ für sehr fragwürdig. Der grüne Agrarminister spielt dabei darauf an, dass 60 % des Getreides verfüttert werden, und nicht für die menschliche Ernährung verfügbar sind. Erst vor kurzem hatte auch die Biobranche ein EU-Sofortprogramm zum Abbau der Tierbestände gefordert. Damit soll einem drohenden Engpass an den Getreidemärkten begegnet werden.
Eine weitere Reduktion der Tierbestände in Deutschland ist kontraproduktiv“, erwidert der Verband der Fleischwirtschaft (VDF). Ein Einschränken der Tierhaltung in Deutschland hätte weniger natürlichen Wirtschaftsdünger und einen noch höheren Einsatz von Mineraldünger zur Folge, so die Fleischwirtschaft. Für die Herstellung von Mineraldünger seien große Mengen Öl und Gas nötig, die aus Russland importiert werden. Mit dem Verkauf dieser fossilen Energieträger finanziert Russland jedoch derzeit seinen Feldzug in der Ukraine. Ein Verzicht auf Fleisch in der Ernährung wäre folglich sogar kontraproduktiv, argumentiert der VDF.
Ein Kilo veganes Lebensmittel bringt vier Kilo nicht-esssbare Biomasse
So stellt er klar: Bei allen hergestellten pflanzlichen Lebensmitteln wird neben der eigentlichen Frucht auch ein deutlich größerer Teil an nicht essbarer Biomasse wie Stängel oder Blätter geerntet. Die Ernteprodukte selbst werden weiterverarbeitet, etwa zu Mehl, Zucker, Öl.
Unter Strich entstehen laut VDF in der Landwirtschaft mit jedem Kilogramm veganem Lebensmittel etwa vier Kilogramm nicht-essbare Biomasse. Nur Nutztiere sind in der Lage, diese nicht essbare Biomasse zu verdauen und so hochwertiges Fleisch und Milch zu erzeugen.
Özdemir soll besser Haltungskennzeichnung anpacken
Aus Sicht des Verbandes ist stattdessen ein schnelles Handeln in anderen Feldern notwendig. So gab es bei der Tierwohl-Transformation und der Haltungskennzeichnung bisher wenig Bewegung. Die Wirtschaft hat dagegen längst gehandelt. Seit 2019 sind Fleischverpackungen in großen Supermärkten und Discountern durch eine vierstufige Haltungsform gekennzeichnet. Sie informiert, wie die Tiere bis zur Schlachtung gelebt haben. So könnten Konsumenten schon jetzt durch eine aktive Kaufentscheidung das Tierwohl in der deutschen Tierhaltung unterstützen.
Wie viele gesellschaftliches Gruppen drängt auch der VDF auf die Umsetzung der Lösungen für mehr Tierwohl. Die Vorschläge des Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung liegen auf dem Tisch des Ministers. Sie werden von einem breiten Konsens der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, Verbrauchervertretern sowie Tier- und Umweltschutzorganisationen getragen. Sie müssen jetzt umgesetzt werden.