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Kulturgut in Gefahr

Fischotter: Stirbt die Teichwirtschaft?

Todesstoß für die Teichwirtschaft: Ein Fischotter frisst die Reste eines Karpfens. Viele Teichwirte in der Oberpfalz haben aufgegeben.
Philipp Seitz und Gerd Kreibich
am Donnerstag, 12.01.2023 - 10:48

Der Fischotter ist streng geschützt. Das lässt die Teichwirte verzweifeln. Immer mehr von ihnen geben genervt auf. Doch es gibt noch einen Funken Hoffnung.

München - Der Fischotter macht den Teichwirten das Leben so schwer, dass sie kürzlich zum allerletzten Mittel griffen: Zum kulinarischen Protest. Zu spüren bekam das ausgerechnet Markus Söder. Auf seinen digitalen Kanälen hat sich der bayerische Ministerpräsident immer wieder als Fan von gebackenem Karpfen geoutet. Im oberfränkischen Thierstein brachen die Teichwirte deshalb bewusst mit einer ehrwürdigen Tradition: Zur Saisoneröffnung gab es fränkisches Schäufele statt Fisch.

Markus Söder kann inzwischen darüber lachen. Ganz verdaut hat er den Affront noch nicht. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Söder sei „maximal verärgert“ gewesen. „Das hat ihn hart getroffen“, bestätigt Alfred Stier. Der 61-Jährige ist als Vizepräsident des Landesfischereiverbandes für die Berufsfischerei zuständig und selbst Teichwirt. Die Idee hätte zwar von ihm sein können, sagt Stier und lacht. Doch er hätte davon nichts gewusst und es sich nicht getraut. In die Situation von Söder kann sich Stier gut hineinversetzen: Er ist selbst CSU-Politiker und Bürgermeister der Stadt Bärnau in der Oberpfalz.

Teichwirte: Probleme mit Fischotter sind unerträglich

Wenn Stier über die Situation der Teichwirte spricht, wählt er dramatische Worte. „Wir sind nervlich am Ende“, sagt er. Die Probleme seien groß, die Situation unerträglich. Ähnlich äußert sich Ely Eibisch, der stellvertretende BBV-Präsident und Bezirkspräsident in der Oberpfalz. „Bei den Teichwirten in der Oberpfalz ist die Stimmung auf dem Nullpunkt. Es werden immer mehr, die ihre Teiche nicht mehr besetzen.“

Übel zugerichteter Karpfen: Immer wieder finden die Teichwirte angebissene Fische.

Seit dem Jahr 2020 sollen rund ein Drittel der Teichwirte in der Oberpfalz aufgegeben haben. Diese Zahl bestätigt Thomas Funke, der Sprecher des Bayerischen Landesfischereiverbandes. Die Tendenz sei steigend. Eibisch ist selbst Teichwirt. Auch er überlegt, wie lange sich sein Betrieb diesen Wirtschaftszweig noch leisten will. Rund 1050 Fische weniger, als er gesetzt hatte, sind in seinem Teich geblieben. Dieses Minus dürfte zum allergrößten Teil auf den Otter zurückzuführen sein. Viele seiner Berufskollegen hätten ähnliche Rückgänge. „Das ist einfach nicht mehr wirtschaftlich. Da ist es kein Wunder, wenn die Teichwirte kapitulieren.“

4700 Teiche gibt es nach Angaben des Bauernverbandes in der Oberpfalz. „Jeder zweite Landwirt bei uns ist auch ein Teichwirt. Das ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor. Da geht es auch um den Umwelt- und Klimaschutz“, sagt Eibisch.

Fischotter bringt Genetik in Gefahr

Thomas Beer, Sprecher der Arge Fisch und Betreiber eines Fischhofs in Mitterteich, spricht von großer Frustration unter den Teichwirten. Der Fischotter bringe die komplette Genetik der Fische in Gefahr, wenn immer mehr Laichfischbestände durch den Fischotter zerstört werden.

BBV-Vizepräsident Ely Eibisch

Der Fischotter, so der Teichwirt, sei ein Raubtier, dass einen ausgewachsenen Fisch nicht in einem Stück herunterschlinge. „Wir finden immer wieder angefressene, zerbissene Tiere in den Teichen, die böse zugerichtet wurden. Vielleicht liegt es daran, dass Fische nicht schreien können – sonst würden Politik und auch Naturschützer vielleicht besser auf unsere Argumente eingehen.“

Dabei bringen sich die Teichwirte, wie Ely Eibisch sagt, seit Jahren mit Vorschlägen ein. Die bayerischen Politiker kennen die Probleme.

Am Mittwoch ist die Landtagsfraktion der Freien Wähler in die Klausurtagung gestartet. Die Sorgen der Teichwirte sind auch hier Thema. Leopold Herz, FW-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Landtag, ist frustriert: „Wir rennen wegen des strengen Schutzstatus nach wie vor gegen eine Wand.“

Diskussionen um den Schutzstatus des Fischotters

Seine Parteikollegin Gabi Schmidt ist Vorsitzende des Fischerzeugerrings Mittelfranken und kommt aus der Teichwirtschaft. „Beim Abfischen sehen wir das angerichtete Elend“, sagt sie. Die Entschädigungszahlen nennt sie „ein Fass ohne Boden“. Nach Angaben der LfL wurde allein im Jahr 2021 mehr als eine Million Euro an Entschädigung gezahlt. Die Zahl der Schäden steigt seit Jahren. Umso wichtiger sei, wie es in einem Landtagsbeschluss heißt, ein „rationaler Umgang mit dem Fischotter“.

Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt beim Abfischen

Für Schmidt ist klar, dass der Schutzstatus gesenkt werden muss. Sie sieht auch den Bund in der Pflicht. Die Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat ihr schon abgesagt. In einer Mitteilung aus ihrem Büro an Schmidt heißt es, dass „keine freien Zeitfenster“ für einen Besuch der bayerischen Teichwirtschaft vorhanden seien. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) habe sie angefragt, bislang erfolglos. „Es wird Nachhaltigkeit und Regionalität gefordert, aber dann gibt es vor Ort keine Unterstützung“, schimpft sie.

Auch Martin Schöffel, agrarpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, sieht den Bund und die EU in der Pflicht „hier endlich tätig zu werden“. In Zäunen, die von Tierschützern als Hilfe vorgebracht werden, sieht Schöffel keine dauerhafte Lösung. „Sie verlagern das Problem eher, als dass sie es nachhaltig lösen.“

Population des Fischotters wächst weiter

Eine von der LfL in Auftrag gegebene Bestandsschätzung kam zu dem Ergebnis, dass allein in der Oberpfalz und in Niederbayern zusammen rund 650 Fischotter leben sollen. Schöffel und Schmidt warnen, dass sich der Fischotter weiter ausbreitet. „Eine echte Lösung ist nur die Bejagung des Fischotters“, sagt Schöffel.

BBV-Vizepräsident Eibisch verweist darauf, dass es schon politische Fortschritte gegeben habe. Bereits im Jahr 2018 beschloss die Staatsregierung ein Pilotprojekt, um die Oberpfälzer Teichwirtschaft zu schützen. Einzelne Fischotter sollten, wie es in der Fachsprache heißt, entnommen, also im Regelfall getötet werden.

Teichwirte hoffen auf die Justiz

Einen Funken Hoffnung gibt es also noch. Doch aktuell beschäftigt sich die Justiz mit der Fischotter-Problematik. Gegen die artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen der Bezirksregierung, welche die Entnahme von zwei männlichen Fischottern pro Teichanlage vorsehen, klagten der Bund Naturschutz und der Verein „Aktion Fischotter“. Die Klagen wurden abgewiesen, die Kläger gingen in Revision. Ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes steht aus. Es bleibt offen, wie es für die Teichwirte weitergeht.

Klar ist für Alfred Stier nur eines: Der Ministerpräsident soll in diesem Jahr nicht auf seinen Karpfen verzichten müssen. Er werde Söder einladen, zur Karpfensaison in die nördliche Oberpfalz zu kommen. „Und dann gibt es auch Fisch!“ Und die FW-Abgeordnete Gabi Schmidt bietet ihre Hilfe an: „Den Karpfen gibt es für den Ministerpräsidenten. Notfalls fange ich den Karpfen persönlich!“