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Politische Vorgaben

Ferkelkastration: Entscheiden nach Faktenlage

Sepp Kellerer
Sepp Kellerer
am Donnerstag, 03.09.2020 - 10:21

Manchmal kann man nur noch den Kopf schütteln, wenn man die Entwicklungen in der Landwirtschaft betrachtet, die durch politische Entscheidungen ausgelöst werden.

Sepp Kellerer Chefredakteur

Jüngstes Beispiel ist die Lage auf dem Ferkelmarkt. Bekanntlich ist in Deutschland ab 2021 nur noch die Kastration mit Vollnarkose erlaubt. QS, das von der Landwirtschaft mitgetragene Qualitätssicherungssystem, will aber auch Importe von Ferkeln zulassen, die nicht unter Vollnarkose kastriert worden sind.

Auch wenn Sie die Geschichte wahrscheinlich zur Genüge kennen, ein paar Schlaglichter müssen hier noch einmal sein. Die Vorgabe im Gesetz lautet, es muss bei der Kastration eine wirksame Schmerzausschaltung geben. Darauf aufbauend wurden Verfahren mit örtlicher Betäubung entwickelt. Die fanden übrigens auch die Unterstützung von Humanmedizinern, die das Risiko einer Vollnarkose gut einschätzen können und deshalb, wo immer es bei Operationen möglich und sinnvoll ist, auf die örtliche Betäubung umschwenken.

Nachbarstaaten verfahren pragmatischer

Einigen Nachbarstaaten in der Europäischen Union haben diese Ideen aus Deutschland gut gefallen und sie haben die örtliche Betäubung bei der Ferkelkastration zugelassen. In Deutschland geht das allerdings nicht. Die Politik stützt sich auf ein Gutachten, das die wirksame Schmerzausschaltung anzweifelt. Andererseits sind auch die Aussagen zur wirksamen Schmerzausschaltung bei der Vollnarkose nicht eindeutig.

Deutsche Ferkelerzeuger geraten ins Hintertreffen

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn sich an der derzeit bestehenden Lage nichts mehr ändert, geraten die heimischen Ferkelerzeuger noch weiter ins Hintertreffen. Ob es in absehbarer Zeit noch bayerische Ferkel gibt, ist fraglich. Das allseits gelobte und bei den Verbrauchern sehr bekannte Qualitätssiegel „Geprüfte Qualität aus Bayern“ würde mit beispielsweise dänischen Ferkeln auch ad absurdum geführt. Übrigens predigen die gleichen Politiker, die uns hier den Schlamassel eingebrockt haben, all überall die regionale Vermarktung.

Wo liegt der Ausweg? Zunächst einmal klar definieren, was wirksam bei der Schmerzausschaltung bedeutet. Mir scheint, dass das schon nicht klar ist. Dann noch einmal prüfen, welche Verfahren die Anforderungen erfüllen und welche nicht. Dafür muss es doch klar definierbare und überprüfbare Faktoren geben. Diese Verfahren müssen bei uns zugelassen werden und es dürfen hierzulande nur Ferkel vermarktet werden, die mit zugelassenen Verfahren behandelt wurden.

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