Als eine „neue Art der Enteignung und modernes land grabbing“ wertet Joachim Rukwied, Deutscher Bauernverbandspräsident (DBV), die Vorschläge der EU-Kommission für die Naturwiederherstellung (Nature Restoration Law) sowie zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes (Sustainable Use Regulation-SUR).
„Sie sind nicht akzeptabel und bedeuten eine Existenzvernichtung von zigtausenden Betrieben“, warnt Rukwied vor der Umsetzung der EU-Vorschläge. Zudem sieht er einen fundamentalen Widerspruch zu den aktuellen globalen Herausforderungen der Ernährungssicherung.
„In den Brüsseler Glaspalästen hat man offenbar den Schuss zur Versorgungs- und Ernährungssicherung nicht gehört“, wurde der Bauernpräsident vor Journalisten deutlich. Sollten die Vorschläge in der vorliegenden Form in Brüssel beschlossen werden, schließt Rukwied massive der deutschen Bauern, ähnlich wie derzeit in den Niederlanden, nicht aus. "Die Zündschnur der deutschen Bauern ist kurz", so der DBV-Präsident. Die dortigen Gewaltausschreitungen verurteilte er aber. Unter anderem hatten zuletzt LSV Bayern etliche Mahnwachen durchgeführt, um ihre Solidarität mit niederländischen Berufskollegen zu zeigen.
Gut ein Viertel der Ackerfläche fällt aus Produktion
Nach den Vorschlägen, die die EU-Kommission Ende Juni vorstellte, würde nach Schätzungen des Deutschen Bauernverbands über 4 Mio. ha Ackerland aus der Produktion genommen oder in der Produktivität deutlich eingeschränkt. Das wäre rund ein Viertel der deutschen Ackerfläche.
Die Kommission plant die EU im Nature Restoration Law“, bis 2030 auf wenigstens 20 Prozent der EU-Land- und Meeresgebiete und bis 2050 auf allen beschädigten Ökosystemen Wiederherstellungsmaßnahmen durchzuführen. Der Verband hat bei seiner Flächenschätzung auch den täglichen Landfraß von 56 ha sowie den politisch gewünschten Ausbau der Solarenergie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen berücksichtigt.
Nach den EU-Vorgaben würde zum Beispiel in Landschaftsschutzgebieten keine Einsatz von Pflanzenschutzmittel mehr möglich sein. In Deutschland liegen auf sehr fruchtbare Böden mit 80er Punkten in solchen Gebieten. Ein Anbau von Zuckerrüben oder Gemüse auf diesen sehr fruchtbaren Flächen wäre dann nicht mehr möglich, befürchtet der Bauernpräsident.
Bis zu 10 Mio. t Getreide weniger würden künftig die deutschen Bauern ernten, wenn Brüssel sein Ziel umsetzt, den Einsatz und das Risikos von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, auch bei „besonders gefährlichen“ Wirkstoffen, bis 2030 zu halbieren. Im Schnitt liegt die deutsche Getreideernte bei rund 42 Mio. t.
Nach derartiger Lesart des EU-Verordnungsentwurf wäre die Basisjahr für die Verringerung 2022, bestenfalls 2020, als Brüssel die Green Deal-Ziele in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch (Farm to Fork)“ beziehungsweise zur Biodiversität veröffentlicht hatte. Die bisherigen Einsparungen beim Pflanzenschutz aus den Vorjahren würden damit nicht berücksichtigt.
Rukwied: 15 bis 20 % weniger Pflanzenschutzmitel sind realistisch
Laut DBV würden die EU-Vorschläge dazu führen, dass die Eigenversorgung in Europa erheblich zurückgeht und der Importbedarf deutlich ansteigt. Rukwied sieht durch die EU-Pläne, die politische Stabilität der EU „ins Wanken“ geraten und die Ernährungssituation in Ländern des globalen Südens sich weiter verschärfen. „Diese Politik muss dringend korrigiert werden“, fordert der DBV-Präsident.
Bauernpräsident Rukwied betont, dass der Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität nach wie vor weit oben auf der Agenda der deutschen Bauern stehe. Dazu benötigten die Bauern aber unter anderem neue Anwendungstechniken, Digitalisierung, ein leistungsfähiges Monitoring-System sowie Neue Züchtungstechniken.
Rukwied hält so eine Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes von 15 bis 20 % für realistisch. Er plädiert für einen kooperativen Ansatz beim Naturschutz. Als positives Beispiel nannte er das Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg. Dort könnten Landwirte auch in bestimmten Schutzgebieten weiterhin Pflanzenschutzmittel ausbringen, um die landwirtschaftliche Produktion aufrecht zu erhalten.