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Gesetz zur Wiederherstellung der Natur

EU-Naturschutzpläne: Agrar- und Umweltpolitiker im Gefecht

Noch kann der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments die Bedenken des Landwirtschafts- und Fischereiausschusses aufgreifen und den Entwurf des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur ebenfalls ablehnen. Kommt es aber zur Abstimmung im EU-Parlament, könnte das Ergebnis denkbar knapp ausfallen.
Johanna Michel, Ulrich Graf
am Donnerstag, 25.05.2023 - 15:09

Am 23.05. hat der europäische Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) den Vorschlag zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur abgelehnt. Schafft es der Vorschlag bis ins EU-Parlament, wird es vermutlich ein knappes Abstimmungsergebnis geben. Der BBV fordert, freiwilliger Kooperation den Vorrang zu geben.

Trotz Druck aus der EU-Kommission hat der AGRI-Ausschuss den Vorschlag zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law – NRL) in einer Stellungnahme mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die Mitglieder des Ausschusses forderten die EU-Kommission auf, einen neuen Vorschlag vorzulegen.

Die unverbindliche Stellungnahme zur Ablehnung des Vorschlags ist von der EVP-Fraktion eingebracht worden. Gestern (24.05.) hatte auch der europäische Fischereiausschuss (PECH) den Vorschlag abgelehnt. Wie das Nachrichtenportal Euractiv informiert, wird das Gesetz im federführenden Umweltausschuss (ENVI) am 15. Juni behandelt. Wenn der Umweltausschuss den Entwurf an das Plenum weiterleitet, soll die Abstimmung dort im Juli stattfinden.

Hintertürendeal der EU-Kommission?

Die EVP-Abgeordnete Anne Sander hofft darauf, dass das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur im Juli mehrheitlich von den EU-Abgeordneten abgelehnt wird. Laut Euractiv werfe Sander der EU-Kommission vor, sich gegenüber den Bedenken taub zu stellen.

Copa-Cogeca, die Dachorganisationen der europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbände, sprachen von einer Erpressung, die die Kommission im Voraus auf den Ausschuss ausgeübt habe. Den Beschluss des Ausschusses begrüßt Copa-Cogeca. Aus Sicht der Dachorganisationen sei der Vorschlag nicht rational und weit von der Realität entfernt. Um das geplante Gesetz akzeptieren zu können, müsse es stark überarbeitet werden.

Dabei solle der Standpunkt der Landwirte einfließen und vom Umweltausschuss berücksichtigt werden. Mit ihrer Kritik wenden sich beide Organisationen auch an die EU-Kommission mit ihrem Versuch, ihr Ziel durch Drohungen und Hintertürendeals zu erreichen.

Sozialdemokraten wollen Naturwiederherstellungsgesetz durchwinken

Kommissionvizepräsident Frans Timmermans machte sich in dieser Woche erneut für das NRL stark. Er erklärte, dass der Zustand der Natur auf Agrarflächen verbessert werden müsse, ohne die Flächen stillzulegen. Timmermans Fraktionskollegin Maria Noichl sagte, dass der Klimawandel, der Artenverlust sowie eine geringere Bodenfruchtbarkeit bei zunehmendem Wassermangel die Landwirtschaft bedrohten.

Sergiy Moroz vom Europäischen Umweltbüro EEB monierte, dass der Landwirtschaftsausschuss sich bewusst dafür entschieden habe, den europäischen Green Deal und die Verpflichtungen der EU zu untergraben. Nun müssten die Mitglieder des Umweltausschusses dafür sorgen, die Bedrohungen zu bekämpfen und die Ökosysteme wiederherzustellen.

Naturschutz auf Agrarflächen ohne Stilllegung

Laut dem Euractiv-Portal gehören rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung von degradiertem Land und die Stärkung der biologischen Vielfalt zum Kern des Nature Restoration Law. Bis 2030 sollen auf 10 Prozent der Agrarflächen Landschaftselemente für den Naturschutz etabliert werden, wobei die Flächen nicht zwangsweise stillgelegt werden sollen. Für die Wiederherstellung der Natur in Landwirtschaft, Wäldern, Ozeanen und auch städtischen Gebieten sollen die EU-Mitgliedstaaten 100 Mrd. Euro erhalten.

Für die Land- und Meeresflächen insgesamt gilt das Ziel, bis 2030 auf 20 Prozent Wiederherstellungsmaßnahmen durchzuführen. Bis 2050 sollen die Maßnahmen auf alle Ökosysteme ausgeweitet werden, bei denen eine Wiederherstellung nötig ist. Das Natur Restoration Law ist Teil der EU-Biodiversitätsstrategie.

BBV: Kooperation muss Vorrang vor Ordnungsrecht haben

Stefan Köhler

Der BBV warnt davor, dass der Kommissionsvorschlag viele Belastungen für land- und forstwirtschaftliche Flächen mit sich bringen würde. Durch die Ablehnung im Agrar- (Agri) und im Fischereiausschuss (Pech) liege nun der Ball beim federführenden Umweltausschuss (Envi), der am 15. Juni über den Kommissionsvorschlag abstimmt.

Der BBV hat bei der Bewertung des Vorschlages auf die hohen Belastungen für den Berufsstand hingewiesen so u.a. 10 % Landschaftselemente, strikte Vorgaben zu Totholz im Wald und zur Wiedervernässung von Mooren, die Fördermöglichkeiten gefährden. Nun müsse auch der Umweltausschuss dieses klare Signal in seiner Position berücksichtigen.

BBV-Umweltpräsident Stefan Köhler „Wir stehen zu unserer Verantwortung für die Natur, da wir mit und in ihr arbeiten. Wir sollten dabei aber immer in Kooperationen arbeiteten anstatt mit Ordnungsrecht. Nur so werden wir gemeinsam Verbesserungen erreichen.“

Kaniber begrüßt Ablehnung durch Agrarausschuss

„Dieses Votum des Agrarausschusses gegen einen unausgewogenen Vorschlag der Kommission begrüße ich ausdrücklich. Ein solches Votum ist selten und daher umso deutlicher", sagte die bayerische Landwirtschaftsministerin zu der Entscheidung. Der Vorschlag ist ihrer Ansicht nach auch mit einzelnen Änderungen im Text nicht zustimmungsfähig.

Es sei unstrittig, dass Natur und Umwelt in der EU besser geschützt werden sollen. Aber die Maßnahmen und Vorgehensweise der Kommission passe einfach nicht in die Zeit. Seit der Corona-Pandemie und mit dem Krieg Putins gegen die Ukraine müssten die Ziele der EU-eigenen Versorgung mit Nahrungsmitteln, mit nachwachsenden Rohstoffen und mit erneuerbarer Energie überdacht und neu bewertet werden. Auch mit Blick auf die unsicherer werdenden Ernteerträge in weiten Teilen Europas machen flächenhafte Extensivierung oder gar Stilllegung produktiver Nutzflächen in der EU keinen Sinn.

Mit Material von AgE

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Der Beitrag „EU-Naturschutzpläne: Agrar- und Umweltpolitiker im Gefecht“ ist zuerst erschienen bei agrarheute.
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