Bei einer Expertenanhörung im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags haben acht der neun geladenen Sachverständigen in teils eindringlichen Worten vor den Auswirkungen des Klimawandels gewarnt und den Freistaat aufgefordert, deutlich mehr in den Klimaschutz und die Abmilderung von dessen Folgen zu investieren. „Der Klimawandel ist evident“, erklärte Prof. Michael Bittner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Einzig der von der AfD aufgebotene Geologe Sebastian Lüning bezweifelte die Aussagekraft der gängigen wissenschaftlichen Klimamodelle und sprach von „Alarmismus“.
Die anderen Experten waren sich einig, dass der auch in Bayern seit Jahren messbare, nahezu kontinuierliche Anstieg der Durchschnittstemperatur sowie die immer häufigeren Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürren Folgen eines menschengemachten Klimawandels sind. „Wir haben seit 2010 ein Wärmerekordjahr nach dem anderen“, sagte Würzbürger Klimatologe Prof. Heiko Paeth. Hotspot des Klimawandels in Bayern sei Unterfranken.
Tiefstwerte von 30 Grad drohen
Als Beispiel nannte Paeth die Zahl der „Tropennächte“ im Sommer, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 Grad sinke. 2018 seien in Würzburg 17 solcher Nächte gemessen worden, vor dem Jahr 2000 habe es durchschnittlich alle fünf Jahre eine gegeben. In Zukunft drohten nächtliche Tiefstwerte von nahe 30 Grad.
Lüning erklärte, auch er sei davon überzeugt, dass CO2 in der Atmosphäre erwärmend wirke, doch werde dessen Beitrag zur globalen Erwärmung überschätzt. Er verwies auf erdgeschichtliche Wärmeperioden lange vor der Zeit der Industrialisierung. Die aktuelle Wärmephase sei deshalb „nicht beispiellos“.
Den Einschätzungen Lünings widersprach unter anderem Paeth vehement. Lüning berufe sich auf einen längst überholten Stand der Forschung. Die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs sei nicht mit natürlichen Ursachen zu erklären. „So große Veränderungen gab es auch schon früher, nur waren damals Meteoriteneinschläge oder Hyper-Vulkanismus dafür verantwortlich“, erklärte Paeth. Deren Auswirkungen dürfe man nicht verschweigen. „Das waren immer die großen Phasen des Massensterbens.“ Auch die Sonnenaktivität könne als Erklärung nicht dienen, weil diese seit etwa 1970 wieder abnehme. Dies müsste eigentlich zu einer globalen Abkühlung führen.
Zahl der Hitzetoten könnte steigen
Bis auf Lüning ermunterten alle Experten die Politik, die Anstrengungen beim Klimaschutz zu erhöhen. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie an der Uni München, Julia Pongratz, mahnte zur Eile: „Die Zeit wird knapp, wir haben nicht mehr den Luxus, uns aussuchen zu können, wo wir CO2 einsparen können“, erklärte sie. Dies müsse auf allen Feldern geschehen.
Prof. Michael Sterner von der OTH Regensburg sprach sich für die konsequente Umsetzung der Energiewende aus. Vor allem die Potenziale für Windkraft und Photovoltaik in Bayern müssten deutlich besser ausgeschöpft werden. Konkrete Maßnahmen zur Abmilderung von Klimafolgeschäden regte der Hydrologe Prof. Markus Disse von der TU München an. Dazu müsste die vielerorts „ausgeräumte Landschaft“ wieder bereichert und für mehr Wasserrückhalt gesorgt werden. Dies verbessere den Hochwasserschutz und unterstütze die Neubildung von Grundwasser.
Städte umfangreicher begrünen
Paeth richtete seinen Fokus auf die im Sommer immer heißer werdenden Städte. Diese müssten viel umfangreicher begrünt werden. Außerdem müssten, wo möglich, mehr Wasserflächen entstehen. Andernfalls werde die Zahl der Hitzetoten im Sommer sprunghaft nach oben gehen. Sterner ergänzte, ohne umfassende Gegenmaßnahmen werde der Hitzesommer 2015 „nur ein Hauch im Vergleich zu dem gewesen sein, was kommen wird“.
BBV-Umweltpräsident Stefan Köhler betonte, weder die tierische noch die pflanzliche Lebensmittelproduktion könne klimaneutral erfolgen. Die Landwirtschaft trage durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe, den Humusaufbau und den CO2-Speicher Wald aber auch zur Reduzierung von Treibhausgasen bei. Die Bauern seien zum Klimaschutz bereit, allerdings müsse dies durch Anreize und die Honorierung von Leistungen unterstützt werden. Zwangsmaßnahmen lehnt er ab.