München - Die Coronakrise hinterlässt ihre Spuren, auch im Politbetrieb. Ausgedünnte Terminpläne sorgen für schnelle Entscheidungen - selbst in Fällen, in denen eigentlich noch eine intensive Beratung nötig wäre.
So entfällt die reguläre Sitzung des Bundesrates am 3. April. Die an diesem Tag ursprünglich anstehenden Vorlagen zieht der Bundesrat auf eine Sondersitzung am 27. März vor, die an sich für die Gesetze des Corona-Pakets gedacht ist, die vom Bundestag beschlossen wurden.
Die Düngeverordnung 98/20 Verordnung zur Änderung der Düngeverordnung und anderer Vorschriften steht als Tagesordnungspunkt 35 auf der Liste. Zusätzlich gibt es einen Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes.
Länder wollten noch Verbesserungen
Inwieweit die von mehrere Bundesländer angemahnten Verbesserungen zur aktuellen Fassung der Düngeverordnung noch einfließen können, ist damit fraglich.
Zwar laufen Gespräche, um den Themenpunkt "Düngeverordnung" wieder von der Tagesordnung der Bundesratssitzung am 27. März zu streichen, die Bundesregierung scheint aber mit aller Macht auf eine schnelle Entscheidung zu drängen. Sie argumentiert mit den im Raum stehenden Strafzahlungen an Brüssel, um einen hohen Handlungsdruck aufzubauen. Den Schwarzen Peter reicht sie dadurch an die Länder weiter. Das jahrelange eigene Taktieren tritt in den Hintergrund.
DBV wendet sich wegen Verschiebung an Bundesratspräsidenten
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat den Bundesratspräsidenten, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke aufgefordert, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen und die Entscheidung zu verschieben: „Die aktuelle Pandemie-Krise erfordert alle Kräfte. Dies gilt auch für die Landwirtschaft. Was uns nicht hilft, ist eine Verschärfung der Düngeverordnung im Eiltempo. Der aktuelle Vorschlag ist unausgegoren und hat erhebliche fachliche Mängel.“
Zudem sei die Einhaltung des Zeitplans für die Umsetzung der Verordnung kaum möglich. Es sei unrealistisch, dass Bund und Länder innerhalb der nächsten sechs Monate die dazu erforderlichen Schritte, geschweige denn die geplante Verwaltungsvorschrift umsetzen könnten. Die Behörden der Länder seien schlichtweg nicht in der Lage, eine Gebietsabgrenzung und Binnendifferenzierung in roten Grundwasserkörpern fristgerecht festzulegen.
Fast alle Grundwasserkörper auf Rot gestellt
Die Folge wäre nach Einschätzung von Rukwied, dass nach der gegenwärtigen Verordnungsfassung fast alle Grundwasserkörper in Deutschland auf Rot gestellt würden und somit im überwiegenden Teil des Landes eine bedarfsgerechte Düngung nicht mehr möglich wäre. „Wir alle wollen sauberes Grundwasser, aber angesichts der großen Frage der Versorgungssicherheit muss diese Entscheidung verschoben werden“, sagt Bauernpräsident Rukwied.
Versorgung sichern und Betriebe gefährden - geht das zusammen?
Der Bayerische Bauernverband und Land schafft Verbindung (LsV) haben zu dem politischen Vorgehen vehement ihren Widerspruch eingelegt.
LsV spricht von einem Todesstoß für die regionale bäuerliche Landwirtschaft. Die Bewegung führt eine Studie der DZ-Bank an, nach der bis 2040 rund 60 % der Betriebe schließen müssen. Die zusätzlichen Lasten durch die aktuelle Fassung der Düngeverordnung dürften den Prozess noch einmal deutlich beschleunigen. Branchenintern würde deshalb sogar von 40 % innerhalb der nächsten 5 bis 6 Jahre gesprochen. LsV plädiert dafür, die Verschärfung auszusetzen und fachlich neu zu diskutieren, wenn belastbare Zahlen im Raum stehen würden. Nicht zuletzt, um die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.
Der BBV empfindet es als vollkommen unangemessen, über die Düngeverordnung als Unterpunkt in einer Sondersitzung zu entscheiden, die sich der Corona-Krise widmet. "Das wäre in der momentanen Lage völlig inakzeptabel", so der BBV. Und zwar nicht nur, weil jetzt der Kampf gegen Corona oberste Priorität haben müsse, sondern weil auch noch viele Fragen rund um den Gesetzesentwurf offen seien und die Öffentlichkeitsbeteiligung noch bis zum 2. April laufe. "Ein ordnungsgemäßes und dem Thema angemessenes Verfahren ist in der aktuellen Situation schlicht unmöglich", bemängelt der Verband.