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Kommentar

DGE-Fleischempfehlung: Darf's ein bisserl mehr sein?

Leberkäsesemmel-DGE-Fleischempfehlung
Gerd Kreibich Portrait
Gerd Kreibich
am Donnerstag, 01.06.2023 - 16:52

70g Fleischkonsum pro Woche: Diese Zahl soll in der neuen Ernährungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung stehen. Wochenblatt-Redakteur Gerd Kreibich vermutet politische, statt wissenschaftliche Gründe hinter der Zahl. Ein Kommentar.

Zwischen zwei Terminen habe ich mir heute eine Leberkässemmel gekauft, wie immer bei meinem Metzger um die Ecke, den es bei mir Zuhause tatsächlich noch gibt. Keine Alufolie drumherum, keine Papiertüte. Nein, ich habe Leberkäse und Semmel gleich gegessen. Und dann bin ich noch einmal umgekehrt, nicht, weil ich noch eine Leberkässemmel gebraucht hätte – mir reicht immer eine Portion, wenn sie gut belegt ist. Aber ich wollte es wissen: wie schwer ist die saftige warme Scheibe zwischen den beiden Semmelhälften? Die nette Verkäuferin hat es mir gesagt: 100 Gramm sind es, sie macht das seit vielen Jahren so, eine Waage brauche sie schon lange nicht mehr, es reiche das Augenmaß.

Laut DGE-Empfehlung überschreitet eine Leberkässemmel den Wochenbedarf an Fleisch

Geht es nach den Vorstellungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dann habe ich mit der heutigen Leberkässemmel meinen Fleischbedarf für die ganze Woche nicht nur gedeckt, sondern das empfohlene Limit sogar überschritten: mehr als 70 Gramm Fleisch pro Woche sollen es nämlich nicht mehr sein, wenn ich mich an diese Empfehlung halte – was ich sicher nicht tun werde, dazu schmeckt mir der Leberkäse einfach zu gut.

Nun könnte ich sagen: ist doch mir egal, was die empfehlen, ich weiß schon selbst, was mir schmeckt und was mir gut tut. Aber darum geht es ja gar nicht, natürlich kann ich Fleisch essen, soviel ich möchte, ich muss (noch) niemanden um Erlaubnis fragen. Ich werde aber einen Verdacht nicht los: dieser geradezu lächerlich niedrige Richtwert von 70 Gramm Fleisch pro Woche, scheint nicht auf wissenschaftlicher Expertise, sondern aus politischem Willen heraus errechnet worden zu sein. Und diese 70 Gramm werden sich wiederfinden, in Empfehlungen für die Speiseplangestaltung in Kindertagesstätten, Schulen, in der Gemeinschaftsverpflegung in Kliniken und Altenheimen und auch sonst überall, wo viele Portionen zubereitet werden.

Weniger Fleischkonsum gleich weniger Tierhaltung?

Den Fleischverzehr nach unten drücken und die Zahl der Tiere in heimischen Ställen tatsächlich zu halbieren und das Ganze noch als „gesund“ zu verkaufen – man kann den zuständigen Stellen im Bundeslandwirtschaftsministerium zumindest bestätigen, dass sie alle Mittel anwenden, um ihre Ziele zu erreichen.

Aber mal im Ernst: was soll das alles? Haben wir derzeit wirklich keine anderen Sorgen im Land? Gibt es nicht genug Probleme, die dringender gelöst werden müssten? Hat man an den entscheidenden Stellen wirklich Zeit dafür, eine Wochenration von 70 Gramm Fleisch als „geeignet“ zu errechnen? Und vor allem: glaubt wirklich irgendjemand, der nicht Vegetarier oder Veganer ist, dass diese Empfehlung irgendeinen Sinn macht?

Ich jedenfalls werde mich nicht daran halten. Jahrelang war die Leberkässemmel, die mir der Schulhausmeister verkauft hat, meine feste Begleitung im Schulalltag und sie hat mich durch ein paar Semester Studium getragen und mir dabei nie Probleme gemacht – ich werde sie mir nicht nehmen lassen, im Gegenteil: ich geh jetzt noch einmal in die Metzgerei und hol mir noch eine. Und diesmal darf es dann gerne ein bisserl mehr sein.

Was halten Sie von den Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung?

Hier hat wieder die Politik ihre Finger im Spiel: Diese Empfehlungen gründen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf dem Wunsch einzelner Parteien, die Bürgerinnen und Bürger umzuerziehen.
80% (1264 Stimmen)
Die Deutschen sollten tatsächlich weniger Fleisch essen. 10 Gramm täglich - das ist allerdings ziemlich wenig.
10% (151 Stimmen)
Die Deutschen essen schon jetzt deutlich mehr Fleisch als empfohlen: Männer mit über einem Kilo pro Woche sogar doppelt soviel. Sie werden sich ihre Bratwurst und den Leberkäse nicht vermiesen lassen. Und das ist gut so!
10% (158 Stimmen)
Stimmen gesamt: 1573
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