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Welternährung

Bracheflächen: Die Selbstisolation Deutschlands

Josef Koch
Josef Koch
am Donnerstag, 28.04.2022 - 08:31

Özdemirs Sonderweg bei der Freigabe der Vorrangflächen rückt Deutschland an den Rand der EU.

Özdemir-Anuga

Kopfschütteln auf EU- und nationaler Ebene verursacht noch immer der Alleingang von Bundesagrarminister Cem Özdemir bei der Freigabe der ökologischen Vorrangflächen. Und sie treibt auch einen Keil zwischen die Regierungsfraktionen.

Bis zum 21. April hatten Mitgliedstaaten die Chance, die von der Kommission vorgeschlagenen Ausnahmen, zur Verwendung der brachliegenden und ökologischen Vorrangflächen als Anbauflächen, anzunehmen. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten nutzen die Sonderregel für das laufende Jahr.

Selbst Länder mit sozialdemokratischen, liberalen und grünen Regierungen ergreifen Maßnahmen für die Versorgungssicherheit. Deutschland entschied sich bewusst gegen notwendige Maßnahmen. Während die europäischen Berufskollegen auf den Vorrangflächen alle Kulturen anbauen dürfen, können deutsche Bauern nur den Aufwuchs auf Brach- und Zwischenfruchtflächen zur Verfütterung nutzen.

Lins: Deutschlands Passivität spitzt Lage zu

Die CDU/CSU Abgeordneten des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sind über Deutschlands Nichtstun empört. „Deutschland hat die Möglichkeit verpasst, frühzeitig, die globale Ernährungssicherhit und den steigenden Preisen entgegen zu wirken. Wir stehen vor einer enormen humanitären Herausforderung, welche durch Deutschlands Passivität weiter zugespitzt wird,“ so die bayerische EU-Abgeordnete Marlene Mortler (CSU).

Nach Auffassung des Vorsitzenden des EU-Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), steht Deutschland agrarpolitisch völlig isoliert da, ist „ideologisch getrieben und verkennt den Ernst der Lage“.

Österreich, mit einer grünen Umweltministerin und grüner Regierungsbeteiligung, geht den Weg der Kommission und hat alle Brachflächen, rund 9.000 ha, freigegeben. Frankreich unter dem liberalen Macron macht den Weg für die heimische Landwirtschaft frei. Die sozialdemokratische spanische Regierung unterstützt laut Lins die Produktion. Italien mit Beteiligung der Cinque Estelle reagiere.

FDP sieht Özdemir in moralischer Sackgasse

Auch die FDP-Bundestagsfraktion plädierte immer wieder für die komplette Freigabe der Vorrangflächen für die Nahrungsmittelproduktion. Deren Agrarsprecher Gero Hocker warf Özdemir in der Bundestagsdebatte Anfang April vor, in einer „moralischen Sackgasse“ zu sein und das „Hungerrisiko in der Welt zu vergrößern“. Nur SPD und die Grünen stützen den Kurs des Agrarministers.

Deutlicher kann ein Riss in der Koalition nicht sein. Die Diskussionen um die Lieferung von schweren Waffen für die Ukraine sorgt für weiteren Dissens in der Ampel.

Opposition fordert Verzicht auf 4% Stilllegung

Für die Opposition sind diese Differenzen eine Steilvorlage. Am Mittwoch (27.4.) erntete der grüne Agrarminister Özdemir im Agrarausschuss heftige Kritik der Unionsfraktion.

„Gegen hohe Lebensmittelpreise helfen keine warmen Worte. Die Ampel-Koalition ist aufgefordert, die Agrarproduktion in Deutschland und Europa nachhaltig zu erhöhen“, forderte deren Agrarsprecher Albert Stegemann.

Dazu zählt er in erster Linie die Aussetzung der Pläne zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen ab 2023. Aber FDP, SPD und Grüne scheinen hier – wie auch bei anderen wichtigen sicherheitspolitischen Fragen – zu keiner Einigung zu gelangen, so der Unionspolitiker. So führe der Krieg in der Ukraine zur Verknappung und Verteuerung von Lebensmitteln. Wichtige landwirtschaftliche Betriebsmittel wie Diesel oder Düngemittel werden rar.

Stegemann: Özdemir spielt Feuerwehrmann ohne Wasser

Zwar erkennen dies Özdemir und die Ampel-Parteien im Bundestag erkennen, aber handeln nicht danach, kritisiert Stegemann.

„Minister Özdemir agiert wie ein Feuerwehrmann, der vor einem brennenden Haus steht, das Wasser aber zum Löschen nicht freigibt. Das ist unverantwortlich und gegen jede wissenschaftliche und marktwirtschaftliche Logik.“

Handelt Özdemir mit der Nichtfreigabe der Brachflächen für die Ackernutzung richtig?

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