Es scheint, die Europäische Volkspartei (EVP) hat dazu gelernt oder es liegt an der bevorstehenden Europawahl 2024. Die EVP macht ihre Drohung wahr und steigt nun auch offiziell aus den internen Verhandlungen im Europaparlament zum Vorschlag der EU-Kommission für ein Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) aus. Wie die Fraktion am Mittwoch (31.5.) bekanntgab, hat man sich nach der letzten Verhandlungsrunde jetzt zu diesem Schritt entschlossen. Offenbar fürchtete die EVP erneut einen Shitstorm, wenn sie einem Kompromiss zugestimmt hätte.
Schlechte Erfahrungen beim Brennholz-Entscheid
Einen Proteststurm erlebte die EVP im vergangenen Herbst, als sie im Parlament einem Kompromiss zur Erneuerbaren Energien-Richtlinie (RED III) zustimmte, wonach Brennholz in weiten Teilen nicht mehr als erneuerbarer Energieträger gelten sollte. EVP-Chef Manfred Weber begründete damals die Zustimmung, Schlimmeres verhindert worden sei. So forderten unter anderem die Grünen ein Totalverbot von Brennholz. Mit dem Abschluss der Trilogverhandlungen im Frühjahr diesen Jahres zählt Brennholz wieder als erneuerbarer Energieträger.
Bekanntlich gibt der Kommissionsvorschlag zum Wiederherstellen der Natur unter anderem das Ziel vor, bis 2030 mehr als 20 % der Land- und Meeresgebiete der EU und bis 2050 alle Ökosysteme in einen „guten“ Zustand zu überführen. Mindestens 10 % der Agrarflächen müssten demnach mit landschaftlichen Strukturelementen versehen werden. Den Vorwurf, dass damit pauschale Stilllegungen verbunden seien, hat die Kommission mehrfach zurückgewiesen.
EVP fürchtet um Ernährungssicherheit
Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber begründete den Schritt mit der Gefahr einer deutlich niedrigeren Agrar- beziehungsweise Nahrungsmittelproduktion, sollte das NRL in seiner jetzigen Form verabschiedet werden. Damit würde auch die Ernährungssicherheit in Afrika noch mehr untergraben, warnte Weber. „Das ist für uns einfach nicht akzeptabel“, so der CSU-Politiker.
Die Verhandlungsführerin der EVP, Christine Schneider, kritisierte, dass der Gesetzesvorschlag von der Kommission schlecht formuliert worden sei. Sie bezeichnete diesen als „einen Angriff“ auf die europäische Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. „Die Europäische Kommission kann nicht erwarten, dass die EVP den Vorschlag ohne eine umfassende Folgenabschätzung für die Ernährungssicherheit, die Verringerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und den Ausbau der erneuerbaren Energien einfach akzeptiert“, konstatierte die CDU-Politikerin.
Weiterer Verlauf der Verhandlungen ist offen
Wie es nun mit dem NRL im Europaparlament weitergeht, ist offen. Erst Anfang Mai hatte der EVP-Parteikongress in München die Ablehnung des NRL-Vorschlages gefordert. Kurz darauf hatten auf Betreiben der Volksparteifraktion der Landwirtschaftsausschuss und der Fischereiausschuss für das Zurückweisen des Entwurfs gestimmt. Die Federführung für dieses Dossier hat allerdings der Umweltausschuss inne. Hier steht eine Entscheidung noch aus.
Im Plenum stellt die EVP mit 175 Abgeordneten die größte Fraktion. Ob alle EVP-Abgeordneten dem Beschluss des Parteikongresses folgen werden, ist unklar. Eindeutig gegen die NRL haben sich in der Vergangenheit die EU-skeptische Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie die Rechtspopulisten Identität und Demokratie (ID) ausgesprochen. Deutliche Kritik am Vorschlag übten aber auch Vertreter der zweitgrößten Fraktion, der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), sowie der liberalen Gruppe Renew Europe (RE).