
Die Experten sind sich einig: Alle Vorschläge der Borchert-Kommission, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren, sind EU-rechtlich und verfassungsrechtlich machbar. Unterschiede gebe es nur im bürokratischen Aufwand und der Verteilung. Zu diesem Schluss kommt die Machbarkeitsstudie, die Bundesagrarministerin Julia Klöckner präsentierte und die die Agrarbranche mit Spannung erwartete. Klar wurde auch, dass eine rechtliche Umsetzung der Vorschläge bis Jahresmitte kaum realistisch sein wird. Schließlich sind Steuer- und Abgabeerhöhungen in Wahlkampfzeiten schädlich.
Aus dem Statement von Dr. Ulrich Karpenstein, Anwaltskanzlei Redeker, Sellner, Dahs ging jedoch hervor, dass er einer Ergänzungsabgabe im Einkommensteuerrecht am praktikabelsten hält. Dieser „Tierwohl-Soli“ enthalte im Gegensatz zu anderen Vorschlägen die wenigsten „Pferdefüße“. So sind seiner Meinung nach zwar eine spezielle Tierwohlabgabe, Anhebung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent, oder eine generelle höhere Mehrwertsteuer auf Lebensmittel um rund 2,5 Prozent verfassungsrechtlich machbar.
Da damit auch ausländischen Fleisch belastet würde, müsse der Bund dafür sorgen, dass die Herkünfte nach dem EU-Recht nicht benachteiligt würden. Konkret müsste er dann wohl ein Teil der Einnahmen ausländischen Landwirten zukommen lassen. Zudem sieht das EU-Recht eine derartige Sonderförderung nur bis maximal sieben Jahr vor. Ebenso ist eine Förderung nur erlaubt, wenn Landwirte höhere Tierwohlstandards als die gesetzlichen erfüllen. Sollten die gesetzlichen Standards wie zuletzt aber steigen, entfällt ein Teil der Förderprämien.
Langfristige Verträge nötig
Der Vorsitzende des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, Jochen Borchert, verdeutlichte zudem, dass vorgesehen sei, dass Landwirte sich über 20-jährige Verträge mit dem Staat sicher sein müssen, auch die notwendige Förderung zu erhalten. Daher wird er die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in der nächsten Woche im Netzwerk erst einmal diskutieren.
Das gleiche hat auch Agrarministerin Julia Klöckner vor. Sie kündigte vor Journalisten in den nächsten Wochen mit allen politischen Akteuren intensive Gespräche zur Umsetzbarkeit zu führen. Einen Zeitplan für einen Gesetzesentwurf ließ sie offen. Sie deutete an, nun "keine dünnen Bretter" bohren zu müssen. Laut Gutachten entstehen durch den Umbau 2,9 Mrd. € in 2025 zusätzliche Kosten für die Tierhalter, 4,3 Mrd. € in 2030 und in 20 Jahren noch immer 4 Mrd. €.
Bauernverband drängt auf schnelle Umsetzung
Der Deutsche Bauernverband drängt indes die Handlungsempfehlungen der Studie nun rasch und vor allem in Gänze umzusetzen. „Entscheidend ist zuerst, einen Umbau überhaupt baurechtlich möglich zu machen sowie ein tragfähiges langfristiges Finanzierungskonzept“, so Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV. Er nennt zwei wichtige Bedingungen: Zum einen muss langfristige Verlässlichkeit der vorgeschlagenen Tierwohlprämien sichergestellt sein. Fünf oder sieben Jahre seien keine verlässliche Grundlage. Zum anderen ist für die vereinnahmten Mittel eine langfristige Zweckbindung erforderlich. “Das Geld muss dauerhaft dort ankommen, wo mehr Tierwohl entsteht, nämlich beim Landwirt“, fordert Krüsken.
Nach Einschätzung des DBV muss der im Gutachten erwähnte Verlust von Fördermöglichkeiten bei Anhebung nationaler gesetzlicher Standards vermieden werden.
Nach Ansicht des Deutschen Raiffeisenverbands favorisiert die Studie die Erhöhung der Umsatzsteuer für tierische Produkte von 7 auf 19 Prozent. Präsident Franz-Josef Holzenkamp hat allerdings Bedenken, ob eine alleinige Erhöhung der Umsatzsteuer beim aktuellen Preisniveau für tierische Produkte ausreicht.
Tierschützer wollen keine Ausreden mehr
Ebenso wie der Berufsstand verlangt der Deutsche Tierschutzbund schnelles Handeln. „Julia Klöckner hat zu lange gezögert, endlich den notwendigen Umbau der tierhaltenden Landwirtschaft mit Aussicht auf mehr Beachtung des Tierschutzes zu beginnen. Jetzt darf es kein weiteres Zögern mehr geben“, erklärt dessen Präsident Thomas Schröder. Klöckner müsse sich entscheiden: „Regierungsamt oder Parteiamt, gesamtgesellschaftliche Verantwortung oder Klientelpolitik.“
Schröder will zudem Klöckners „unzureichendes, freiwilliges Tierwohllabel als Ausweichmannöver gegen Steuererhöhungen im Wahlkampf nicht akzeptieren. Doch nur die Freiwilligkeit des Labels ist laut Machbarkeitsstudie EU-rechtlich möglich, betonte EU-Rechtsexperte Prof. Mögele.