Die jüngsten Pläne von Bundesumweltministerin Steffi Lemke, schon ab kommenden Jahr den Anteil von Getreide und Raps in Biokraftstoffen zu halbieren und bis 2020 ganz zu verbieten, sorgen für heftige Reaktionen.
Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) wirft der grünen Bundesumweltministerin vor, „die Zahlen ihrer eigenen Regierung“ zu missachten. Denn laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, wurden im Jahr 2020 13,1 Mio. t Kohlendioxid durch Biokraftstoffe eingespart. Zudem sparen Biokraftstoffe nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung über 80 Prozent an Kohlenstoffdioxid im Vergleich zu Benzin und Dieselkraftstoffen ein.
Laut der CSU-Ministerin sägt Lemke mit ihrer Äußerung gerade an dem einzigen Ast, der den Klimaschutz im Verkehrssektor maßgeblich trägt. „Sie betreibt ideologische Symbolpolitik, die nichts mit einer Klimaschutzpolitik im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens zu tun hat,“ so Kaniber.
Bauernverband fordert mehr Sachlichkeit an
Zu mehr Sachlichkeit in der Debatte um Biokraftstoffe mahnt indes de Deutsche Bauernverband (DBV). „Viele Argumente für eine Fortführung von Biokraftstoffen werden derzeit bewusst ausgeblendet,“ so der DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Aus Sicht der Landwirtschaft gebe es viele Vorteile vor allem in Form aufgelockerter Fruchtfolgen, der Bereitstellung heimischer Eiweißfuttermittel und zusätzlicher heimischer Wertschöpfung. Überstürzte Kürzungen bei Biokraftstoffen gefährden laut Krüsken das Einhalten von Klimazielen im Verkehrssektor. Zudem würden Lemkes Pläne die Importe von wenig nachhaltigem Sojaschrot und von fossilen Kraftstoffen erhöhen.
Krüsken gibt zu bedenken, dass die erhöhte Mehrfachanrechnung bei Elektromobilität und Wasserstoff und Emissionsminderungen in Erdölraffinerien keine Emissionen senken, sondern sind nur buchhalterische Maßnahmen und damit eine Illusion von Klimaschutz.
Die Klimaziele im Verkehrssektor würden schon mit den bisher vorgesehenen Maßnahmen nicht erreicht. Die Behauptung des Bundesumweltministeriums (BMUV), dass die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen zweifelhaft ist, beruhe zudem auf wenig seriösen Studien, so der DBV-Generalsekretär.
Zertifizierung verhindert illegale Landnutzungsänderungen
Die Nachhaltigkeitszertifizierung schließt seit 2008 konsequent Biokraftstoffe aus illegalen Landnutzungsänderungen aus. Der 2021 beschlossene Ausschluss von Palmöl ab 2023 sei eine weitere wichtige Vorkehrung, findet der DBV.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Argument des BMUVs wenig stichhaltig, dass der „Anbau von Energiepflanzen in anderen Regionen indirekt zu zusätzlichen Emissionen führe, weil die Nahrungsmittelproduktion in Gebiete wie Wälder und Moore verdrängt wird, was Rodungen und Trockenlegungen zur Folge hat“. Diese Effekte treten nach Auffassung eines BMUV-Sprechers weltweit unabhängig von Anbauort auf und werden in der Bilanz nicht berücksichtigt.
Branche wendet sich an Lindner
In einem Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnt der Bundesverband der Bioenergie vor einem Absenken der Kappungsgrenze für Biokraftstoffe. Ebenso fordert der Verband die Bundesregierung auf, wieder sachlicher über das Thema zu diskutieren. Dazu weist er auch auf die Folgen des geplanten Aus für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse hin.
Unter anderem würde Deutschland abhängiger vom Ausland. So ersetzen Biokraftstoffe 1:1 fossile Kraftstoffe. Fossile Öl- und Kraftstoffimporte stammen zu erheblichen Anteilen aus Krisenregionen. Eine Begrenzung oder ein Ende der heimischen Produktion von Biokraftstoffen führt nach Einschätzung des Spitzenverbands damit unweigerlich zu einer stärkeren Abhängigkeit von solchen Einfuhren. Der physische Beitrag zur Kraftstoffversorgung durch Biokraftstoffe, die Importe fossiler Kraftstoffe ersetzt haben, haben allein in Deutschland zuletzt bis zu 4,5 Mio. t betragen.
Deutlich machen die Biokraftstoffhersteller auch die Folgen für die Klimaziele im Verkehr. Sie würden deutlich verfehlt werden. Nach Wochenblattinformationen liegt der Verkehr jetzt schon über den Vorgaben. Vergrößert sich die Differenz, ist Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) gezwungen, weiter Maßnahmen einzuleiten. Politisch Beobachter vermuten, dass die Grünen unter anderem so ein Tempolimit innerhalb der Regierung durchdrücken wollen. Erst vergangene Woche hatten sich die Umweltminister der Bundesländer für ein Tempolimit ausgesprochen.