Gegen die Pläne aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), bei Betreibern von Biogas- und Solaranlagen Zufallsgewinne abzuschöpfen, laufen die Bioenergieverbände Sturm. So will Wirtschaftsminister Robert Habeck offenbar unter anderem anlagenspezifische Kappungsgrenzen auf Basis der bisherigen EEG-Vergütungssätze sowie eine rückwirkende Abschöpfung seit März 2022 einführen. Die Organisation der Freien Bauern ruft zur Teilnahme an eine Online-Petition auf.
Bei Solaranlagen sollen 90 % der Zufallsgewinne technologiespezifisch zunächst am Spot-, später am Terminmarkt abgeschöpft werden, und das ebenfalls seit März diesen Jahres. Bei Erneuerbaren-Anlagen ohne anzulegenden Wert sei eine Abschöpfung oberhalb von 10 Cent pro Kilowattstunde geplant, ansonsten wird die EEG-Vergütung angesetzt plus einer Sicherheitsmarge, heißt es in Berlin.
Die Bundesregierung will die Einnahmen dazu verwenden, um die Strompreisbremse zu finanzieren. Auch die EU-Kommission verfolgt ähnliche Pläne.
Rostek: In keinster Weise nachvollziehbar
„Die Überlegungen des BMWK sind aus Sicht der Bioenergiebranche in keinster Weise nachvollziehbar und tragbar“, kritisiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) scharf. So sollen beispielsweise Steinkohlekraftwerke mit dem Argument gestiegener Kosten von der Abschöpfung ausgenommen werden. Die Erlöse von Bioenergieanlagen hingegen nicht, obwohl sich diese laut Rostek in einer vergleichbaren Situation befinden: In den letzten Jahren seien die Kosten für technische Komponenten und Betriebsstoffe stark gestiegen und insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs habe es weiteren starke Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Rohstoffen und Holz gegeben. „Folgerichtig wäre deshalb ebenfalls eine Ausnahme von Bioenergieanlagen oder zumindest deutlich höheren Obergrenzen als die derzeitigen Mindestvergütungen, die ihnen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zusichert“, so die HBB-Leiterin. Der vom BMWK vorgesehene „Sicherheitspuffer“ von 3 ct/kWh ist auch Sicht der Bioenergieverbände viel zu gering, um die aktuellen Kostensteigerungen auch nur annähernd abdecken zu können.
90 Prozent der Erlöse sollen abgeschöpft werden
Den Ansatz des BMWK, 90 Prozent aller Erlöse abzuschöpfen, die Anlagen durch eine flexible Fahrweise zusätzlich erzielen können, hält Rostek aus volkswirtschaftlicher Sicht für „völlig kontraproduktiv“. Es seien jene Preisanreize, die die Verlagerung von Strom- und Wärmeerzeugung auf Stunden anreizen, in denen sonst Erdgasturbinen betrieben werden müssten.
Zudem lehnen die Verbände eine rückwirkende Abschöpfung von Erlösen ab März 2022 vehement ab. Sie warnen vor einem Vertrauensbruch erster Güte. Zudem würde dies direkt den Anlagenbestand gefährden, da viele Anlagenbetreiber die Erlöse bereits reinvestiert oder die Erlöse ausgegeben haben, um gestiegene Betriebs- und Einsatzstoffkosten zu decken. „Eine Rückerstattung könnte das Aus einer Vielzahl von Bioenergieanlagen bedeuten“, so Rostek.
Petition an Bundestag gestartet
Das Einziehen von 90 Prozent der oberhalb der garantierten Einspeisevergütung erzielten Umsätze gefährdet die Wirtschaftlichkeit vieler mittelständischer Biogasanlagen, die bislang trotz massiv gestiegener Vorkosten zuverlässig Strom erzeugt haben“, warnt Biogasbauer Jens Soeken, Freie Bauern Niedersachsen.
Es wäre ein verheerendes Signal an die Branche, wenn etwa Steinkohlekraftwerke wegen gestiegener Vorkosten von der Abschöpfung ausgenommen würden, mit nachwachsenden Rohstoffen betriebene Kleinkraftwerke aber nicht, kritisiert der 42jährige Landwirt aus dem ostfriesischen Timmel. Dass die notwendige Entlastung der Stromkunden finanziert werden müsse, stellt Soeken nicht in Frage – hierfür habe der Staat jedoch über die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer bereits reichlich Einnahmen gehabt.
Die Interessenorganisation ruft daher auf, eine Online-Petition an den Bundestag zu unterzeichnen. um die Abschöpfungspläne der Regierung zu korrigieren.