
Vieles spricht derzeit dafür, dass die künftige Ampel-Koalition bei der Umsetzung der EU-Agrarreform nochmal nachbessern wird. So wollen SPD, Grüne und FDP in der kommenden Woche weißen Rauch bei den Koalitionsverhandlungen aufsteigen lassen. Spätestens nach der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler in der Nikolauswoche könnten die Regierungsparteien Hand anlegen.
Denn bisher haben sich Bundeslandwirtschaftsministerium und -umweltministerium noch nicht auf eine Kabinettsvorlage zu den Strategieplänen für die Agrarreform geeinigt. Vor allem bei den Ökoregelungen und der Konditionalität gibt es Meinungsverschiedenheiten. Aus Berliner Kreisen ist zu hören, dass man dies der neuen Regierung überlassen wolle.
Unmut über Benachteligung von Ökobauern
Martin Häusling, Leiter der grünen Arbeitsgruppe Landwirtschaft in den Sondierungsgesprächen und EU-Abgeordneter, korrigierte im Nachgang zum heutigen Pressegespräch (19.11.), seine Aussage, wonach die neue Regierung durchaus die Strategiepläne nochmals anfassen werde. Nun sei es offen, ob sich die Ampelkoalition nochmals mit der Ausgestaltung der GAP-Strategiepläne beschäftigen werde.
Allerdings machte er seinem Unmut über die seiner Meinung nach unzureichenden Ökoregelungen deutlich. Nach Auffassung von Häusling werden vor allem Ökobetriebe benachteiligt. Zwar können Ökobauern grundsätzlich alle Ökoregelungen beantragen, müssen aber bei Überschneidungen mit Agrarumweltprogrammen dort mit Prämienabzügen rechnen. Schließlich verbietet das EU-Recht Doppelförderungen, daran wird auch die neue Regierung zumindest kurzfristig nichts ändern können.
Rutscht Dauergrünland noch in Ökoregelungen?
Häusling betonte, dass ihm vor allem eine Förderung von Dauergrünland in den nationalen Regelungen fehlen. Die bisher vorgesehene Maßnahme Altgrasstreifen sei für die meisten Ökobauern nicht attraktiv. Auch die Maßnahme Extensivierung des Dauergrünlands käme nur für die wenigsten in Frage. Dauergrünland in die Ökoregelungen aufzunehmen, hatten schon seit längerem mehrfach Bauernverbände, AbL und Ökoverbände gefordert. Die geschäftsführende Agrarministerin Julia Klöckner hatte dies unter anderem aus Gründen des begrenzten Finanzrahmens abgelehnt.
Durch die verzögerte Abstimmung zwischen Landwirtschaft- und Umweltministerium ist sich Häusling aber sicher, dass Deutschland bis Jahresende nicht schaffen werde, die Agrarreform-Strategiepläne fristgerecht in Brüssel vorzulegen. „Aber wir haben eine leistungsfähige Agrarverwaltung in Deutschland. Ich gehe davon aus, dass sie die Umsetzung der Strategiepläne auch in acht Monaten schaffen kann“, so der EU-Abgeordnete aus Hessen. Damit könnte die Agrarreform in Deutschland Anfang 2023 starten.
Grüne stimmen gegen Agrarreform
Bei der Abstimmung im EU-Parlament (EP) am kommenden Dienstag (23.11.) werden die Grünen gegen das Reformpaket stimmen. Allerdings ist aus heutiger Sicht die Mehrheit im EU-Parlament nicht in Gefahr. Häusling bezeichnete die Trilogbeschlüsse als „Nebelkerze“. So behaupteten Kommission, der Rat der Mitgliedstaaten und der Mitte-Rechts-Block des Europäischen Parlaments, dass dies eine geeignete GAP-Reform und ein „Systemwechsel“ sei. Doch der Rat habe sich nach seiner Ansicht bei jedem Schritt den Forderungen der Bürger nach mehr Nachhaltigkeit oder grundlegenden Schutzmaßnahmen von Boden, Wasser, Klima und Biodiversität widersetzt.
„Der Berichterstatter der EVP und der Mitte-Rechts-Block der Europaabgeordneten haben die wenigen progressiven Forderungen in der EP-Position während der Triloge aufgegeben; beide Blöcke haben den ohnehin schwachen Ansatz der Kommission noch weiter verwässert,“ ist der Grüne enttäuscht.