München - 2023 ist Wahljahr. Der Bayerische Bauernverband hat der Politik bei seiner Neujahrs-Pressekonferenz am Mittwoch in München wichtige Hausaufgaben ins Heft geschrieben - von der Unterstützung der Tierhaltung über die Senkung des Flächenverbrauchs bis zur Forderung nach einem Unterrichtsfach Alltagskompetenzen. Die neue Führungsspitze des BBV, Präsident Günther Felßner und Landesbäuerin Christine Singer, verströmte bei aller Kritik Entschlossenheit und Zuversicht.
Das Interesse der Journalisten an der ersten Pressekonferenz des neuen Spitzenduos war riesig. Vielleicht aus dem Grund, den Felßner gleich zu Beginn ansprach: Der Ukrainekrieg hat neue Prioritäten geschaffen. Die Ernährungssicherheit steht jetzt im Fokus. „Die Semmel auf dem Frühstückstisch ist keine Selbstverständlichkeit mehr“, sagte Felßner. Auch nicht das warme Wohnzimmer. Die Energieversorgung ist schlagartig zu einem Thema geworden. „Die Landwirtschaft liefert auch Wärme und Strom“, betonte der Präsident. Landwirte lieferten nichts weniger als Lebensgrundlagen, regional produziert. „Damit macht sich Bayern unabhängig und ist auch politisch nicht erpressbar.“ Neben Lebensmitteln und Energie könne der Bauernstand aber noch viel mehr: Schutz von Wasser, Biodiversität, Decarbonisierung, also Energie, Klima- und Umweltschutz. Das alles, auch das vergaß Felßner nicht zu erwähnen, gehe aber nur, wenn die Landwirtschaft dafür fair entlohnt wird.
Bauernverband präsentiert Forderungskatalog
Der Bauernverband hat für das Wahljahr einen Zehn-Punkte-Katalog mit Forderungen an die Politik aufgestellt, den Felßner und Singer am Mittwoch erläuterten. Zum Thema Flächenverbrauch sagte Felßner: „Die Land- und Forstwirte brauchen Grund und Boden, auf dem sie produzieren können“. Doch derzeit verbrauche Bayern täglich 15 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Fläche reiche schon jetzt nicht mehr, um allen Aufgaben der Selbstversorgung gerecht zu werden. „Wir brauchen intelligentes Flächenmanagement, intelligente Konzepte.“ Der BBV verstehe sich hier als Ideenfabrik. „Wir brauchen mehr als Stilllegungsfloskeln. Blankes Stillegen war im letzten Jahrhundert.“ Im Landesentwicklungsplan müssten 5 ha oder weniger Verbrauch festgeschrieben werden. „Wenn das nicht klappt, ist die Freiwilligkeit im Flächenschutz gescheitert.
Mit Blick auf die Erneuerbaren Energien forderte Felßner einen konkreten Ausbauplan für die regionale Energieversorgung. Überlandtrassen wie Süd- und Südostlink seinen nur die zweitbeste Lösung. „Wir brauchen einen mutigen Ausbau vor Ort“, appellierte Felßner. Die Landwirte stünden bereit. Schon jetzt seien die meisten PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Dächern montiert.
BBV-Präsident Felßner übt Kritik
Felßner richtete sich auch an die europäische Politik. Brüssel sende mit Flächenstilllegung, der Beschränkung und Verboten bei Pflanzenschutzmitteln, der Deklarierung von Holz als nicht nachhaltig falsche Signale.
Der Franke Felßner hat den Dürresommer 2022 aus eigener Anschauung erlebt. Wassermanagement, sagt er, sei ein wichtiges Zukunftsthema. „Wie versorgen wir die Flächen mit Wasser?“ Gefragt seien umfassender Wasserschutz und umfassendes Wassermanagement. Wie kann man das Wasser in der Fläche halten, nicht abfließen, nicht verdunsten lassen? Es gebe längst intelligente Bewässerungssysteme, die sogar der Grundwasser-Neubildung dienen.
Hier können Sie sich den Forderungskatalog des Bayerischen Bauernverbandes herunterladen:
Zehn-Punkte-Katalog des Bayerischen Bauernverbandes
Landesbäuerin Christine Singer wies auf das Jubiläum der Landfrauen hin und betonte, dass die Anliegen der Landfrauen so aktuell seien wie nie. „Wir sind überhaupt nicht angestaubt. All unsere Themen, ob Hauswirtschaft oder Nachhaltigkeit, sind überall in der Gesellschaft ein Thema.“ Die Landfrauen sähen sich als Anker im ländlichen Raum, seien gut vernetzt und können und wollen in den Dialog mit der Gesellschaft treten. Mit ihren Themen Ernährung, Herkunft der Lebensmittel, Kampf gegen Lebensmittelverschwendung etc. sind sie auch mit einem Stand auf der Grünen Woche in Berlin vertreten.
Landfrauen präsentierten Forderungen
Politische Forderungen haben die Landfrauen natürlich auch, etwa den Ausbau und die Stärkung der Absatzwege für regional erzeugte hochwertige Lebensmittel. Sie erinnerte an den Plan, dass im Jahr 2025 die Hälfte der Lebensmittel in öffentlichen Kantinen regional erzeugt sein sollten. Doch: „Da passiert zu wenig“, sagte Singer. Die Anforderungen an die deutschen Produzenten würden immer höher, deshalb müsse die Politik auch dafür sorgen, dass die unter hohen Bedingungen erzeugten Lebensmittel auch gut vermarktet werden können.

Christine Singer erwartet von der Politik auch, dass sie nicht einseitig die fleischlose Ernährung unterstützt. Es sei eben nicht dasselbe, ob man Fleisch oder Fleischersatzprodukte isst, letztere hätten ganz andere Inhaltsstoffe. „Das müssen wir deutlich machen. Die Wahlfreiheit muss erhalten bleiben.“ Sie betonte die Bedeutung des Bauernstands für das Land. „Bayern ist Agrarland. Wir Bäuerinnen und Bauern gestalten dieses Land. Wenn man uns nicht unterstützt, verändert sich auch Bayern.“
Der Rückgang der Schweinehalter in Bayern bereitet dem BBV natürlich große Sorgen. Die Politik müsse Bayern als Standort für die Nutztierhaltung sichern. 2022 habe Bayern 12 Prozent der schweinehaltenden Betriebe verloren, eine hundertprozentige Selbstversorgung sei schon nicht mehr möglich. Singer mahnte, dass auch viele weitere, gute Betriebe aufgeben wollen. „Das ist eine katastrophale Situation. Wir brauchen hier die Unterstützung der Politik, aber auch der Gesellschaft.“ Felßner ergänzte: „Das Schäuferl aus Bayern wird es irgendwann nicht mehr geben. Das kommt dann aus Spanien oder Dänemark. Bei uns bricht die Schweinefleischproduktion weg, bei anhaltend gutem Appetit der Verkäufer.“ Er bekräftigte: „Wir fordern das Borchert-Konzept ein!“
Sorge bereitet den Landfrauen, dass Alltagskompetenzen in vielen Familien nicht mehr vermittelt werden. „Die Landfrauen sind auf dem Land gut vernetzt und wissen: Die Probleme wachsen.“ Sie wünschen sich, dass die Kinder in den Schulen gemeinsam die grundlegenden Dinge des Lebens erlernen. „Deshalb fordern wir wieder ein Schulfach Alltagskompetenzen.“