Die Aufforderung von „Land schafft Verbindung“ ist klar: „Wir rufen zu Tisch“. An den Tisch gesetzt haben sich am Montag im Bundeskanzleramt insgesamt 40 landwirtschaftliche Interessengruppen. An Tische setzen will man sich auch weiterhin: Die Ergebnisse des Treffens verweisen auf nicht weniger als sechs laufende oder geplante Diskussionsrunden.
An erster Stelle steht dabei die „Zukunftskommission Landwirtschaft“. Sie soll bis Februar 2020 „praxistaugliche Wege für eine produktive und ressourcenschonende Landwirtschaft“ aufzeigen, so das Bundeslandwirtschaftsministerium. „Land schafft Verbindung“ und der Deutsche Bauernverband (DBV) sollen hierfür „um ein Verhandlungsmandat für die gesamte landwirtschaftliche Branche werben.“
Die zweite geplante Dialogveranstaltung soll zwischen Vertretern des Handels, der Bundeskanzlerin und der Bundeslandwirtschaftsministerin stattfinden. Das Thema hier soll der Verkauf von Lebensmitteln zu Tiefstpreisen sein.
Die dritte Gesprächsrunde ist das bereits angekündigte „nationale Dialogforum“ zur Landwirtschaft sowie eine Informationskampagne für Verbraucher.
Die vierte ist der Verweis auf die bereits seit geraumer Zeit arbeitende Kommission zum Umbau der Tierhaltung unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert. Sie soll in der ersten Jahreshälfte 2020 ihre Ergebnisse vorstellen.
Der fünfte Dialog soll im Rahmen eines Runden Tisches „Landwirtschaft und Insektenschutz“ stattfinden, zu dem die Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft gemeinsam einladen wollen. An sechster Stelle steht schließlich ein weiteres Treffen im Bundeskanzleramt im Herbst 2020.
Merkel: Kein Kurswechsel
Auf dem Gipfel betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Dialogbereitschaft in der Agrarpolitik und den Wunsch, partnerschaftlich Lösungen für die Herausforderungen wie den Rückgang der Artenvielfalt und den Klimawandel zu finden. Merkel machte aber auch deutlich, dass sich die Landwirtschaft den Problemen stellen müsse. Zwar sei sie nicht der einzige Verursacher des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt, aber sie trage dazu bei. Auch bei der erneuten Novellierung der Düngeverordnung gebe es nicht mehr viel Gestaltungsspielraum.
Sebastian Dickow von „Land schafft Verbindung“ zeigte sich von den Ergebnissen des Gipfels wenig überzeugt. Er erklärte: „Die Politik hört interessiert zu und bietet neue Gespräche sowie die Möglichkeit mit einer Zukunftskommission etwas mehr mitzugestalten, jedoch leider nichts Konkretes bei den aktuell akuten Themen.“
DBV-Präsident Joachim Rukwied sprach von einem guten Auftakt für einen notwendigen Dialog, „den wir jetzt intensivieren und fortsetzen müssen.“ Er warb für kooperativen Naturschutz statt pauschaler Verbote und forderte, den Spielraum bei der Düngeverordnung – so gering er auch sein möge – voll zu nutzen.
Bioland-Präsident Jan Plagge warb dafür, nicht Feindbilder zu pflegen, sondern „Brücken zu bauen und einen fairen Wettbewerb um die besten Lösungen für den Schutz unserer Lebensgrundlagen zu schaffen.“
Ohne Umweltverbände
Kritisch äußerten sich Vertreter von Umweltverbänden, die nicht zum Treffen eingeladen worden waren. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sagte: „Ein Dialog im Kreise der Landwirtschaftsverbände ohne Einbeziehung der weiteren gesellschaftlichen Interessensgruppen greift deutlich zu kurz.“ Ähnlich äußerten sich auch WWF, Greenpeace und Deutscher Naturschutzring.
Aus der Politik kam Lob für die vorgeschlagene Einrichtung einer Zukunftskommission. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, sprach von einer „Riesenchance“, die Widersprüche und Zielkonflikte, denen die Landwirtschaft ausgesetzt sei, aufzulösen.
Zurückhaltend reagierte der landwirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen, Gero Hocker. Der Dialog könne nur ein erster Schritt sein. Weitere Verschärfungen bei Insektenschutz, Düngeverordnung oder Pflanzenschutz dürfe es nicht ohne vorherige wissenschaftliche Expertise geben.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dr. Kirsten Tackmann, forderte die Bundesregierung dazu auf, das Treffen als Grundstein für eine Agrarleitbilddebatte zu nutzen, „die wieder eine Versorgungsfunktion der Erzeugerbetriebe in den Mittelpunkt stellt.“
Stephan Protschka, agrarpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, nannte den Gipfel „eine Beruhigungspille für Bauern.“ Landwirte bräuchten dringend Entlastung und keine weiteren Dialoge.
Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff braucht es „mehr als schöne Worte“, um der Landwirtschaft eine wirkliche Zukunftsperspektive zu geben. Er forderte die Einrichtung einer „echten Arbeitskommission“ zur Zukunft der Landwirtschaft. Die müsse beim Kanzleramt angesiedelt werden und alle Landwirtschafts-, Umwelt- und Tierschutzverbände einbeziehen.