Der letzte Kommentar der Organisatoren in Berlin lautete: "Unsere besonderer Dank gilt der Polizei." Das hat mittlerweile Tradition auf den Bauerndemos. Auch auf früheren Protestkundgebungen gab es diesen Schlusssatz, denn zwischen Polizei und Bauern klappte alles immer wie am Schnürchen. Sowas wie Randale ist weitgehend unbekannt.
Aber neben dieser Randnotiz gab es natürlich auch ein volles Programm mit Themen, die die Landwirte umtreiben. Und auch Politprominenz war vertreten: Von der FDP Gero Clemens Hocker, von der SPD Umweltministerin Svenja Schulze und von der CDU Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner.
Schulze ausgebuht
Bislang hatte die Umweltministerin den Dialog mit der Bauern verweigert. Heute stellte sie sich. Dass der Termin für sie nicht einfach werden würde, war vorhersehbar. Und genau so kam es.
Ihr Werben um Verständnis für klare Regeln für Grundwasser- und Insektenschutz kam bei den Teilnehmern der Demo nicht gut an. Einige drehten ihr während der Rede den Rücken zu. Und den Hinweis, dass jeder Deutsche 114 Euro pro Jahr für die gemeinsame Agrarpolitik zahle, empfanden die Zuhörer eher als Vorwurf statt als Argument für ihre Politik. Am Schluss der Rede gab es Buhrufe. Das Gesamtintermezzo ihres Auftritts fiel relativ kurz aus.
Klöckner geht über die Zeit

Für den Auftritt von Julia Klöckner war eine Dreiviertelstunde für Rede und Diskussion anberaumt. Letztendlich wurde es über eine Stunde. Als Landwirtschaftsministerin hatte sie gegenüber Schulz natürlich einen gewissen Standortvorteil. Und sie konnte mit dem gerade im Reichstag nebenan beschlossenen großen Agraretat mit einer positiven Botschaft starten. Als Heimspiel konnte man ihren Auftritt dennoch nicht bezeichnen, denn auch an ihrer Politik gab es von Bauernseite deutliche Kritik.
Inhaltlich war der Vortrag von Klöckner ein Querfeldeinritt durch die aktuellen Themen: Umwelt- und Insektenschutz, Düngeverordnung und Nitratrichtlinie, Digitalisierung, Förderung, Finanzierung, EU-Agrarpolitik.
In ihrer Rede setzte sie auf das Wechselspiel von Zuckerbrot und Peitsche: Verständnis für die Situation der Bauern und den teils ungerechtfertigten Angriffen durch NGOs wechselten mit Forderungen an Bauern und Berufsverband. So könne man die drohenden Strafzahlungen und die schlechten Nitratwerte nicht einfach außer Acht lassen und müsse reagieren. Dass es überhaupt soweit gekommen sei, sei nicht die Schuld der Politik, sondern habe mit der Verzögerungstaktik des Berufsverbandes zu tun.
Mit ihrer Agrarpolitik wolle sie das Image der Bauern wieder stärken. Die Formulierung, die Landwirtschaft "vor die Welle zu bringen", viel mehrfach.
Und dann gab es natürlich auch die in der Politik übliche Rhetorik. Auf die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft wies Klöckner auf die hohen Exporte der deutschen Landwirtschaft hin. Das sei doch ein Zeichen der Stärke. Ein Drittel der deutschen Produktion würde in den Export gehen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Fakt ist: Deutschland importiert mehr Lebensmittel als es exportiert. Es mag ja sein, dass wir einen erheblichen Teil der Welt mit Hopfen versorgen, aber Bananen und Palmöl sind bei uns nicht im Anbau. Zählt man die Erzeugnisse der Landwirtschaft und Jagd sowie die Nahrungsmittel und Futtermittel aus der Destatis-Statistik für 2018 zusammen kommt man beim Export auf rund 53 Mrd. Euro. Bei den Importen ergibt sich ein Betrag von rund 59 Mrd. Euro. Der Importüberschuss bewegte sich für die zurückliegenden Jahre zwischen 10 und 15 Prozent. Nimmt man nur die Erzeugnisse der Landwirtschaft her, so steht einem Export von 7.710.738 Mrd. € ein Import von 18.931.224 € gegenüber, also ein mehr als doppelter Wert. Dennoch wird immer noch ein Bild gezeichnet, als würde Deutschland andere Märkte überschwemmen.
Natürlich gab es auch einige Punkte, da erübrigt sich eine Widerrede zur Ministerin. Etwa darin, dass diejenigen, die die Hälfte des Bundesgebietes bewirtschaften, erste Anlaufstelle sind, wenn es darum geht, Kritik los zu werden, wenn etwas nicht passt. Dann muss man sich eben auf die Ursachensuche begeben.
Am Agrarpaket entzündet sich die meiste Kritik
Die Sprecher der Landwirtschaft rückten die Kritik am Agrarpaket in den Mittelpunkt. Dem Volksbegehren zu den Bienen, das den Bauern ebenfalls tief unter die Haut gegangen ist, spielte als bayerische Sondergeschichte keine größere Rolle.
Einigkeit bestand darin, dass vielen Landwirten das Wasser bis zum Hals stünde. Jede neue Auflage spitze die Situation weiter zu. Die Bereitschaft zum Protest sei damit so hoch, wie nie zuvor, denn es geht um das Überleben der gesamten Branche. Der Protest, so die Ankündigung, würde deshalb so lange weitergehen, bis sich etwas ändere.
"Ein weiter so darf es nicht geben", eine Forderung die im Rahmen des Volksbegehrens in Bayern von den Befürwortern okkupiert worden war, bekommt damit ein Fortführung aber mit ganz anderen Vorzeichen. Was in kürzester Zeit auf die Landwirtschaft einprasselte sei nicht weiter hinnehmbar. Das könne so nicht weiter gehen.