Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Rechtsstreit zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

Auflagen vom UBA zur Biodiversität erneut für rechtswidrig erklärt

Johanna Michel
am Donnerstag, 11.11.2021 - 10:50

Der zweite Versuch des Umweltbundesamts (UBA), für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine Ausgleichsfläche von zehn Prozent einzufordern, ist erneut vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig gescheitert.

Schon vor zwei Jahren beschäftigte sich das Braunschweiger Verwaltungsgericht mit den Anwendungsbestimmungen zur Biodiversität, die das UBA für konventionelle Betriebe durchsetzen wollte. Den Anwendungsbestimmungen zufolge hätte der Preis für den Einsatz zahlreicher Pflanzenschutzmittel darin bestanden, von der Gesamtackerfläche zehn Prozent stillzulegen. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wären von den Biodiversitätsauflagen fast alle Ackerbau- und Gemüsekulturen betroffen gewesen.

Zwischen dem BVL, welches dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) unterstellt ist, und dem UBA brach ein monatelanger Streit aus. Das BVL bewertete die geforderte Stilllegung von Flächen als gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum der Landwirte. Da das UBA die Biodiversitätsauflagen ab 2020 einführen wollte, hatte das BVL zunächst nur bis zum 31.12.2019 befristete Zulassungen erteilt.

Damals stellten die Braunschweiger Richter klar, dass die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Biodiversität mit wissenschaftlichen Methoden erfolgen muss, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA anerkannt sind. Solche Methoden existieren jedoch nicht. Das BVL und die Kanzlei Koof & Kollegen Rechtsanwälte, die im Gerichtsverfahren die Klägerseite vertrat, bekamen im September 2019 Recht. Von langer Dauer war das Aufatmen unter Landwirten und Pflanzenschutzmittelherstellern aber nicht, denn das UBA versuchte daraufhin, die Auflagen auf andere Weise durchzusetzen.

UBA auch mit geänderten Regeln zum Pflanzenschutz gescheitert

Aus den gescheiterten Anwendungsbestimmungen zur Biodiversität erarbeitete das UBA zwei Monate später neue Bestimmungen zum Schutz von Ackerarthropoden und Ackerbegleitflora auf der Behandlungsfläche. Nun forderte die Behörde zwar keine Biodiversitätsfläche von zehn Prozent der Gesamtfläche mehr, verfolgte aber im Grunde noch dasselbe Ziel: Über einen Teilflächenansatz sollten sich die Vorschriften auf den Teil des Ackers konzentrieren, auf dem Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. Nun sollte es heißen: „Zum Schutz der nicht zu bekämpfenden [Ackerbegleitflora, Insekten und anderen Gliederfüßern] darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels [A] nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen.“

Ein neues Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig ließ nicht lange auf sich warten, da daraufhin wieder nur befristete Zulassungen – bis zum 31. Dezember 2020 – erteilt wurden. Dagegen klagte ein Pflanzenschutzmittelhersteller und wollte seinen Anspruch auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels bis zum 31. Oktober 2023 durchsetzen. Da es sich um ein Herbizid handelt, ging es im Verfahren um die Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerbegleitflora).

Am 29. September 2021 ist die Anwendungsbestimmung erneut an dem bekannten Problem gescheitert: Nach EU-Verordnung 1107/2009 muss die EFSA wissenschaftliche Methoden anerkannt haben, bevor eine nationale Behörde Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Ackerbegleitflora der Behandlungsfläche prüfen kann. Und an Methoden fehle es bislang, heißt es im Urteil. Solange sich daran nichts ändert, könne auch die pflanzenschutzrechtliche Bewertung nicht verändert werden. Die Rechtsauffassung der Klägerseite wurde also erneut bestätigt. 

Die Rechtsmittelfrist für das BVL ist am 8. November 2021 abgelaufen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

BVL kündigt Korrektur befristeter Zulassungen an

Wie das BVL gegenüber agrarheute erklärt, werde begrüßt, dass unter den Behörden und den Antragstellern Rechtssicherheit hergestellt sei. „In seinem Urteil äußert sich das Verwaltungsgericht Braunschweig dahingehend, dass die Anwendungsbestimmung NTneu-Ackerbegleitflora national nicht rechtmäßig vergeben werden kann, solange es auf europäischer Ebene keine abgestimmte Leitlinie in diesem Prüfbereich gibt. Das Pflanzenschutzmittel, um das es in diesem Urteil ging, wurde dementsprechend jetzt ohne die Anwendungsbestimmung NTneu-Ackerbegleitflora beschieden.“ Über alle anderen Pflanzenschutzmittel, die von der Anwendungsbestimmung betroffen sind, stimmten sich die Behörden jetzt untereinander ab.

Eine Stellungnahme des UBA steht noch aus.