München Wenig überraschend fällt die Kritik des Trägerkreises Volksbegehrens Artenvielfalt an der Bayerischen Staatsregierung aus. Allerdings gab es auch Lob, als der Trägerkreis seine Vierjahresbilanz präsentierte. Grund für die Bilanz: Am 13. Februar 2019 hatten nach zweiwöchiger Eintragungsfrist über 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger für das Volksbegehren Artenvielfalt – „Rettet die Bienen!“ unterschrieben.
Becker: Kaniber ist beim Ökolandbau zu träge
Für Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und ÖDP-Landesvorsitzende stellt das 30%- Ziel beim Ökoanteil bis 2030 eines der wichtigsten Ziele dar, um eine reale Veränderung für die Artenvielfalt zu bewirken. 2022 wurden immer noch unter 20 % der staatlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet, womit die Zielmarke von 30 % nach wie vor nicht einmal vom Staat selbst erreicht werde, kritisiert Becker. „Ministerin Kaniber macht beim Ökolandbau schlicht ihre Arbeit nicht. Stattdessen läuft sie durch die Gegend und erzählt herum, wie großartig Bayern ist“, moniert die ÖDPlerin.
So dümpele Bayern im Ländervergleich beim Anteil der Biolandwirtschaft mi 13,3 % irgendwo im Mittelfeld. Auch steige der Anteil von Biolebensmitteln beim Einkauf der öffentlichen Hand immer noch im kaum messbar, so Becker.
Agrarministerin Michaela Kaniber hatte zum Start der Biofach eingeräumt, dass im vergangenen Jahr der Ökolandbau in Bayern nur langsam vorangekommen sei. Sie versicherte aber trotz aller Widrigkeiten, am ambitionierten Ziel festhalten zu wollen.
Kaniber: Bioeinkauf kann man nicht befehlen
Sie hält Becker entgegen, dass der Ökoanteil bei den Bayerischen Staatsgütern bereits seit 2021 30 % betrage, nachdem neben dem Versuchsgut Neuhof auch die Flächen des Staatsguts Schwaiganger im Mai 2020 auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt worden sind.
Kaniber gibt zu bedenken, dass die Verbraucher bei der derzeitigen Inflation beim Einkauf stärker auf den Preis achteten. Deshalb brauche man die Umweltverbände als Partner, die dafür werben müssen, dass die Kunden beim Einkauf auf Regional und Bio achten. "Bio einkaufen kann man nicht befehlen, auch wenn manche scheinbar davon träumen," so die CSU-Ministerin.
Bessere Daten für Pflanzenschutzmittel nötig
Auf der anderen Seite sei Bayern mit einem gesetzlich verankerten Pestizidreduktionsziel Vorreiter, meint Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV. Sowohl auf EU-Ebene als auch in Montreal wurde seiner Ansicht nach beschlossen, dass die negativen Auswirkungen von Pestiziden bis zum Jahr 2030 halbiert werden sollen. Allerdings gibt es auf EU-Ebene bisher keinen Beschluss, sondern nur Zielvorgaben oder Gesetzesentwürfe. Er fordert für das Verringern des Pflanzenschutzmitteleinsatzes eine „solide Datengrundlage für den Einsatz von Pestiziden und ein konkretes Reduktionsziel in Abhängigkeit der Schädlichkeit der Wirkstoffe sowie eine Reduktion der mit Pestiziden bewirtschafteten Fläche.“
Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag attestiert dem zweiten Statusbericht zum Biotopverbund der Staatsregierung, deutlich ausführlicher und schlüssiger mit nachvollziehbaren Kriterien für die
Auswahl von Flächen für den Biotopverbund zu sein. Die Regierung hatte ihn Ende 2022 veröffentlicht. Der Grüne fordert aber von der Staatsregierung „endlich Kartenmaterial“ zu erstellen, von dem deutlich abzulesen ist, wo Kern- und Verbindungsflächen des Verbundes bestehen und wo Lücken klaffen. Diese Lücken seien „besser heute als morgen“ zu schließen und die Qualität der Kernflächen zu verbessern, verlangt Hartmann. Die Staatsregierung sei aber vier Jahre nach dem erfolgreichen Volksbegehren weiter viel zu träge.
Mehr Wolfzäune schaden Biotopvernetzung
Bayerns Agrarministerin Kaniber appelliert an Gartenbesitzer, Kommunen, Wirtschaft und Kirchen. Auch sie müssten Verantwortung übernehmen. "Wir brauchen für weitere Fortschritte alle Beteiligten“, so Kaniber. Das Volksbegehren sei ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag.
Und sie hat noch ein Seitenhieb für den grünen Fraktionsvorsitzenden Hartmann parat. Wenn die Staatsregierung in ganz Bayern mit Steuergeldern Zäune in die Landschaft stellen solle, um Weidetiere vor dem Wolf zu schützen, dann diene das der gewollten Biotopvernetzung sicher nicht. "Geben die Bauern die Weidehaltung von Schafen, Ziegen oder Rinder gar auf, wäre das ein deutlicher Verlust für die Biodiversität," warnt sie. Vor allem die Grünen fordern mehr Herdenschutzmaßnahmen gegen den Wolf, und wehren sich gegen ein aktives Bestandsmanagement.
Positiv: Mehr Schutzgebiete ausgewiesen
Positiv sieht Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung das Ausweisen neuer Schutzgebiete. „Die Bayerische Staatsregierung hat mit der Ausweisung nutzungsfreier Naturwälder auf 83.000 Hektar, zuletzt in den Illerauen und im Nürnberger Reichswald, entschlossene Schritte zur Umsetzung des Volksbegehrens unternommen“, so Obermeier.
Sorgenvoll blickt er auf aktuelle Anträge aus dem Landtag, nach denen sich Bayern von den nationalen und internationalen Bemühungen zur Ausweisung von Schutzgebieten distanzieren und entgegen der gesetzlichen Festlegung dem Schutz der biologischen Vielfalt im Staatswald keine Priorität einräumen soll.