Bozen/Südtirol Im Zentrum der Gespräche bei der traditionellen Europawanderung standen die aktuelle EU-Agrarpolitik und die Frage, wie sich die Landwirtschaft im Alpenraum weiterentwickeln kann. Die Europawanderung ist ein jährlicher Treffpunkt von hochrangigen Bauernverbands-Funktionären aus Deutschland, Österreich und Südtirol, die vom Südtiroler Bauernbund zusammen mit dem EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann organisiert wird. Mit dabei waren heuer unter anderem der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, Georg Strasser, und der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Walter Heidl.
Die Chancen der Nachhaltigkeit nutzen
Der Südtiroler Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler unterstrich die Bedeutung solcher Treffen: „Gerade die letzten eineinhalb Jahre der Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich abseits von Videokonferenzen und Online-Besprechungen auch wieder direkt zu treffen und miteinander zu reden.“

Als besonderen Gast begrüßte Tiefenthaler den ehemaligen EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Dieser hob in seinen Grußworten den Klimawandel als großes Thema für die Landwirtschaft im Alpenraum hervor: „Die EU-Kommission gibt zurzeit viele Ziele vor, zu deren Umsetzbarkeit ich große Zweifel habe. Wir müssen den Leuten klar und konkret sagen, wie sie mit dem Klimawandel umgehen und wie sie sich daran anpassen können.“
Auch EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann rief die Landwirtschaftsvertreter auf, die aktuellen Entwicklungen zu nutzen, zum Beispiel die CO2-Zertifikate: „Wenn jene Sektoren, die CO2 binden, Geld von den Sektoren erhalten, die CO2 verursachen, dann ist das nur gerecht und kann ein zusätzliches Einkommen für die Landwirte sein.“
Auch in den diversen Strategien der EU zum Thema Nachhaltigkeit gehe es für die Landwirtschaft darum, die Chancen zu erkennen und sich aktiv einzubringen. „In der EU-Agrarpolitik ist in den vergangenen Jahrzehnten zwar vieles gut, aber längst nicht alles perfekt gelaufen“, unterstrich Dorfmann.
Eine Bildergalerie mit vielen Eindrücken der Tour und den beteiligten Agrarvertreterinnen und Agrarvertretern, fotografiert von Christian Schmidt-Hamkens, finden Sie hier:
Bei Europawanderung viele Themen besprochen
Joachim Rukwied, bedankte sich auch im Namen der deutschen Bäuerinnen und Bauern bei Dorfmann dafür, dass „die neue Agrarpolitik auf einen guten Weg gebracht wurde“. Jetzt gehe es darum, diese neuen Regeln in den einzelnen Mitgliedsstaaten gut umzusetzen. „Es geht für uns alle um ähnliche Themen, Pflanzenschutz und Tierwohl sind nur zwei Beispiele dafür. Wir Bäuerinnen und Bauern sagen Ja zu einer Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft. Mehrleistungen, die die Gesellschaft fordert, müssen aber auch bezahlt werden. Und die bäuerlichen Familien müssen langfristig Planungssicherheit haben.“
Der Wissenschaft wieder mehr Gewicht verleihen
Für Georg Strasser braucht die Landwirtschaft gemeinsame Allianzen, um ihre Anliegen weiterzubringen. „Bei der Diskussion um die Biodiversität darf man nicht vergessen, dass die heutige Kulturlandschaft im Alpenraum das Werk jahrhundertelanger bäuerlicher Arbeit ist.“

Strasser rief auch dazu auf, der Wissenschaft bei den großen Themen – wie dem Pflanzenschutz – wieder mehr Gewicht zu verleihen: „Unsere politischen Gegner haben einen etwas zwiespältigen Zugang zur Wissenschaft. Wenn die Erkenntnisse in ihr Konzept passen, dann pochen sie darauf. Tun sie es nicht, dann bezeichnen sie die Wissenschaft gerne als unglaubwürdig.“
Der Südtiroler Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler rief die Bauernvertreter dazu auf, aktiv die Leistungen der Landwirtschaft hervorzuheben. Er sprach auch das Problem Großraubwild an. „Wir arbeiten auf allen Ebenen daran, eine Lösung zu finden, mit der unsere Almwirtschaft eine Zukunft hat“, hob Landwirtschafts-Landesrat Schuler hervor.
Lesen Sie mehr: Die Europawanderung ist jedes Jahr aufs Neue ein Treffpunkt für Vertreter der Landwirtschaft aus Südtirol, Österreich und Deutschland. Im Jahr 2020 standen bei der Wanderung der Wolf und der steigende Freizeitdruck im Fokus.