München - Der Streit um die Agrarpolitik zwischen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und der Bayernkoalition geht in eine weitere Runde. Der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wirft dem grünen Bundesminister vor, die Tierhaltung in Deutschland abbauen zu wollen. Es gehe Özdemir um ideologische Politik. „Mit Umbau meint man Abbau“, sagte Aiwanger dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt. „Der von Özdemir angekündigte ,Umbau der Tierhaltung‘ meint in Wirklichkeit Abbau in Richtung Halbierung.“
Aiwanger warnt, dass ein Großteil der Schweinehalter in Deutschland aufgeben werde, „wenn jetzt wieder neue Vorschriften und Auflagen kommen, die neue Stallbau-Maßnahmen erfordern“. Genau das sei aber das ideologische Ziel der Bundesregierung und von Bundesminister Özdemir. „Die Schweinehalter haben bereits in den letzten Jahren viele Investitionen in ihre Ställe tätigen müssen, die bis heute nicht abbezahlt sind, jetzt sollen sie schon wieder umbauen und sich dafür verschulden“, sagte Aiwanger. „Das macht keiner mehr mit.“
Aiwanger: Latte für Landwirte wird immer höher
Die Landwirte würden aus Erfahrung mit den „sogenannten Tierwohlställen“ wissen, „dass der Markt diese Zusatzinvestitionen in vielen Fällen leider nicht honoriert sondern man im Gegenteil oft sogar bei Kontrollen noch Probleme wegen Verschmutzung der Tiere etc. bekommt. Also zu häufig leider nicht Zusatzeinkommen, sondern Zusatzausgaben und Zusatzprobleme.“

Die Käuferseite inclusive des Lebensmitteleinzelhandels lege die Latte laut Aiwanger gegenüber den Landwirten immer höher, setze am Ende überwiegend aber doch auf Billigware, „woher aus dem Ausland auch immer“.
Die Landwirte seien, wie Aiwanger sagt, „gerne bereit, ihre Tierhaltung mit realistischen Konzepten weiterzuentwickeln, aber ihnen wird leider seit Jahren die Möhre vor die Nase gehalten und sie werden hinter die Fichte geführt“. Auch eine politisch vorgegebene Öko-Quote werde laut dem bayerischen Wirtschaftsminister der Zukunft der Landwirtschaft nicht gerecht sondern führt in vielen Fällen dazu, dass die Öko-Pioniere mit so viel zusätzlichem Wettbewerb konfrontiert werden, dass sie wieder aufhören müssen und die Ware keinen Absatz finden würde.
Özdemir wirft Aiwanger Trumpismus vor
Mit seiner Kritik am Bundesagrarminister reagierte Aiwanger auf ein Interview, das der Bundesagrarminister dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt am Rande der Grünen Woche in Berlin gegeben hatte. Özdemir hatte dabei der Bayernkoalition unter anderem Polemik vorgeworfen. Hubert Aiwanger habe „offensichtlich die Donald-Trump-Gedächtnisschule in Bayern besucht“, sagte Özdemir. „So kann man Politik machen, dann stärkt man aber den Populismus und die Fanatiker.“ Aiwanger wollte diese Äußerung nicht kommentieren.
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) reagierte auf die Breitseite aus Berlin mit einem sechs Minuten langen Videostatement, das sie auf ihren digitalen Plattformen veröffentlichte. Zudem lud sie Özdemir zu einem Ortstermin in Bayern ein.
Hier sehen Sie einen Teil der Aussagen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir:
Der FW-Politiker Hubert Aiwanger war bis zu seinem Einzug in den Bayerischen Landtag selbst Landwirt. Aiwanger wuchs nach eigener Aussage auf einem Hof mit Zuchtsauen und Milchviehhaltung auf. Mittlerweile gibt es auf dem elterlichen Hof keine Tiere mehr, wie Aiwanger 2019 in einem Interview mit der Münchner "Abendzeitung" sagte. Stattdessen werden nun nachwachsende Rohstoffe angebaut. „Das macht nicht so viel Arbeit wie früher mit den Tieren“, sagte Aiwanger in dem Interview.