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"Wir haben es satt!"-Demonstration

Agrarwende-Protest: Özdemir will Agrarpolitik und Umwelt vereinen

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Josef Koch
Josef Koch
am Montag, 24.01.2022 - 08:42

Statt einer Großdemo für die Agrarwende gibt es in Berlin einen Schlepperkonvoi und ein neues Schild für das Agrarministerium.

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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sein Ziel einer konsequenten Ökologisierung der Landwirtschaft gegen Kritik verteidigt. Bei einer Schlepperdemo der Initiative „Wir haben es satt!“ mit rund 30 Traktoren vor seinem Ministerium stelltee Özdemir am Samstag (22.1.) in Berlin klar, dass die dramatische Übernutzung der natürlichen Ressourcen eine neue Agrarpolitik unumgänglich mache. Er wolle deshalb die „Versäumnisse der letzten Jahre aufarbeiten“ und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) „vom Kopf auf die Füße stellen“. Dabei fasste er seine bisherigen Ankündigungen zu seiner Agrarpolitik gegenüber den Bauern nochmals zusammen.

Künftig solle Schluss sein mit dem „künstlichen Gegensatz“ zwischen Landwirtschaft und dem Schutz von Klima, Natur und Artenvielfalt. Der Agrarminister sieht dabei das Bundesumweltministerium hinter sich. Er kündigte nach den Konflikten der vergangenen Jahre einen neuen „Arbeitsstil“ und Einklang zwischen den beiden Ressorts an. „Agrarpolitik und Umweltschutz arbeiten ab jetzt zusammen“, so der Grünen-Politiker.
 

Özdemir: Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik

Auch das konkrete Ziel, bis 2030 bundesweit auf einen Anteil von 30 % Ökolandbau zu kommen und der Kampf gegen „Ramschpreise“ für Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel gehören für ihn dazu. Das Argument von Kritikern, damit wäre eine Belastung sozial Schwacher verbunden, kann er nicht nachvollziehen. Landwirtschaft könne Sozialpolitik nicht ersetzen, betonte Özdemir. Nach seiner Überzeugung hat aber auch Agrarpolitik eine soziale Komponente, die sich beispielsweise in auskömmlichen Erlösen für die Bauern und guten Arbeitsbedingungen in der Verarbeitungsindustrie zeige.

Der neue Agrarminister will die öffentliche Hand nicht aus der Verantwortung für eine Agrarwende entlassen. Um den Ökolandbau „aus der Fläche in die Regale zu bringen“, müsse der Staat seine Nachfragemacht nutzen, forderte Özdemir. „Öko“ und „gesundes Essen“ müssten dafür künftig in den Schulen und Kantinen eine größere Rolle spielen. An einer Reduzierung der Nutztierbestände in Deutschland führt für Özdemir ebenfalls kein Weg vorbei. Dies wird nach seinen Worten aber nicht zu weniger Einkommen auf den Höfen führen, da die Bauern entsprechend mehr Geld für die Umsetzung von Tierwohl erhalten sollen.

Neues Schild für Ministerium

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Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL) übergaben mehr als 50 Bäuerinnen und Bauern mit 30 Traktoren Cem Özdemir und den Staatssekretärinnen Silvia Bender, Ophelia Nick und Manuela Rottmann stellvertretend für die sonst tausenden Teilnehmer:innen der „Wir haben es satt!“-Demonstration ihre agrarpolitischen Forderungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Ebenfalls erhielten die Agrarminister und Staatssekretärinnen ein neues Ministeriumsschild mit Trecker-Logo und der Aufschrift „Bundesministerium für bäuerliche Landwirtschaft und zukunftsfähige Ernährung. Jeder Hof zählt!“.

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hob hervor, dass die notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft „sozial und solidarisch“ gemeinsam angepackt werden müssen. Ob eine Agrarwende Erfolg haben werde, hänge stark davon ab, ob viele Bäuerinnen und Bauern wirtschaftlich mitgenommen würden. „Die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen müssen als gemeinsame Möglichkeit verstanden werden, um Perspektiven für unsere Höfe zu schaffen,“ so Janßen.

AbL verlangt schnelle Finanzierung für Tierwohlställe

Martin Schulz, Bundesvorsitzender der AbL und Schweinehalter in Niedersachsen, begrüßte gegenüber dem Agrarminister, dass er die Tierwohl-Kennzeichnung umgehend anpacken wolle und sich zur Borchert- sowie Zukunftskommission bekenne. Aber er verlangte auch, dass die Umsetzung der Finanzierung der Empfehlungen der Borchert-Kommission nicht länger rausgezögert werde und wie die Kennzeichnung noch in diesem Jahr erfolgen müsse.

Neben Janßen und Schulz sprachen auf der Kundgebung auch Lena Jacobi, die Tina Andres und Saskia Richartz, Sprecherin von „Wir haben es satt!“. Lena Jacobi, aus dem AbL-Vorstand, betonte die besondere Verantwortung der neuen Hausspitze des BMEL für die jungen Menschen in der Landwirtschaft, zum Beispiel beim Zugang zu Land. Tina Andreas, Vorstandsvorsitzende vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), verlangte, bei der der Umsetzung des Zieles von 30 Prozent Ökolandbau die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen.

Mit Material von AgE

Bauerndemo in Berlin

Ein Schlepperkonvoi auf dem Weg zum Agrarministerium
Traktor auf der Fahrt zum MInisterium
Landwirtinnen halten Schilder
Traktoren reisen nach Berlin
Bauern bringen Plakate mit nach Berlin
Cem Özdemir stellt sich den Bauern in Berlin
In Strohbuchstaben "Agrarwende jetzt"
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