Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Bundestag

Agrarhaushalt: Macht das BMEL „unsolide Finanzpolitik“?

Josef Koch
Josef Koch
am Donnerstag, 02.06.2022 - 10:10

SPD-Vorwurf richtet sich gegen frühere Agrarminister der Union, weil viele Haushaltsmittel nicht abgerufen werden.

Dilcher-Esther-SPD

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte zum Agrarhaushalt, die am Donnerstag Nachmittag (2.6.) stattfindet, wirft die SPD-Berichterstatterin, Esther Dilcher, dem Bundeslandwirtschaftsministerium eine unsolide Haushaltsführung vor. Die Kritik richtet sich vor allem gegen CDU/CSU, da sie in den vergangenen Jahren die Ministerinnen und Minister stellten.

Wie Nachrichtendienst Agra Europe (AgE) berichtet, kritisierte Dilcher einen völlig unzureichenden Mittelabfluss. Ihren Angaben zufolge seien 15 % der Gelder im Haushalt 2021 nicht ausgegeben worden. Der Gesamtumfang der nicht in Anspruch genommenen Mittel belaufe sich auf über 800 Mio. Euro. Dem Bundeslandwirtschaftsministerium komme damit im Reigen der Bundesressorts eine unrühmliche Sonderstellung zu, meint die SPD-Politikerin.

Besonders betroffen Investitions- und Stallumbauprogramm

Die SPD-Haushaltspolitikerin bezieht ihre Kritik unter anderem auf das Investitions- und Zukunftsprogramm des Bundes (IuZ). So will Dilcher von der Landwirtschaftlichen Rentenbank wissen, warum im vorigen Jahr 46 Mio. Euro nicht verausgabt worden seien. Im Agraretat 2022 hat das BMEL daher den Haushaltsansatz um 4 Mio. € auf 184 Mio. € gekürzt.

Überrascht ist Dilcher zudem von der geringen Inanspruchnahme des Stallumbauprogramms. Von dem bereits 2020 aufgelegten und mit 300 Mio. Euro dotierten Investitionsförderprogramm seien Ende letzten Jahres noch fast 250 Mio. Euro vorhanden gewesen. Das Umbauprogramm soll Landwirte beim beschlossenen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung unterstützen. Offenbar, so die SPD-Politikerin, gehe diese Förderung am Bedarf vorbei oder es fehle die Planungssicherheit.

ISN fordert, Stallbaubremse zu lösen

Aus Sicht der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands liegt in der fehlenden Planungssicherheit der wesentliche Grund für das geringe Interesse der Schweinehalter an diesem Förderangebot. „Der Bedarf ist hingegen riesengroß“, so die Interessensvertretung. Doch zum einen wurde das Förderprogramm zum Stallumbau so ausgewiesen, dass nur einer Handvoll Schweinehaltern geholfen werden kann, welche bereits fertige Konzepte und weit gediehene Bauanträge auf dem Weg haben.

Zum anderen deckt die Förderung nur einen Teil des Betrages ab und ist in der Gesamthöhe gedeckelt. Den Rest müssen Landwirte selbst tragen. Laut ISN-Einschätzung fehlt Sauenhaltern das Geld. Seit über 2 Jahren litten sie besonders unter der anhaltenden wirtschaftlichen Krise. Beispielweise machten Schweinehalter mit jedem Tier 70 € Verlust. Das aktuelle Preisniveau für Schlachtschweine von 1,80 €/kg deckt laut ISN die Kosten bei weitem nicht. Nötig wären 2,50 €/kg, erklärt ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Das führt letztendlich zum Preisdruck bei Ferkeln.

Zudem würden Baugenehmigungen entweder gar nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand erteilt. „Damit Tierhalter eine Perspektive und Planungssicherheit erhalten, muss erstmal diese Stallbaubremse auf politischer Ebene gelöst werden,“ fordert Staack.

Wo die Mittel noch nicht abgerufen werden

Neben dem Investitions- und Zukunftsprogramm und dem Stallumbauprogramm gibt es nach Dilchers Ansicht noch weitere Haushaltspositionen, die nicht annähernd ausgegeben wurden.

So haben die Bundesländer 2021 mehr als 70 Mio. Euro der Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) allein im Investitionsbereich nicht von den Ländern abgerufen. Dafür macht Josef Rief, Berichterstatter der Union für den Agrarhaushalt, fehlendes Engagement der Länder verantwortlich. Negativ-Spitzenreiter bei der Inanspruchnahme der Gelder seien Berlin, Rheinland-Pfalz und Thüringen. „Hier müsste Kollegin Dilcher zuerst mit Ihren Parteifreunden in diesen Landesregierungen sprechen“, so Rief.

Jetzt die digitale Wochenblatt-Ausgabe für nur 1€ testen!
Digitale Ausgabe!
agrarheute_magazin_composing

Ackerbaustrategie: Nur ein Fünftel abgerufen

Auch die Gelder für die Ackerbaustrategie von über 50 Mio. Euro in den vergangenen Jahren sind im Durchschnitt nur zu weniger als einem Fünftel abgeflossen.

Beim Bundesprogramm Nutztierhaltung liege diese Quote bei knapp 40 %, beim Titel Digitalisierung deutlich unter 50 %. Rund 8,4 Mio. Euro von zuletzt mehr als 30 Mio. Euro seien 2021 aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) nicht genutzt worden. Auf Beschluss des Haushaltsausschusses wird dieses Programm nun wieder auf den Ökolandbau begrenzt

Nachvollziehbar ist aus Dilchers Sicht dagegen, dass die eingestellten Mittel für das gescheiterte Tierwohllabel - zuletzt 20 Mio. Euro - nicht ausgegeben worden seien.

Mit Material von AgE
Auch interessant