Berlin - Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, nimmt für auskömmliche Erzeugerpreise den Verbraucher in die Pflicht. Dass sich der Bürger in Deutschland im Lebensmitteleinzelhandel vorrangig auf den günstigsten Preis fokussiere, sei ein echtes Zeichen tiefen Vertrauens in die Qualität und Sicherheit heimischer Produkte, stellte Schwarz auf dem JunglandwirtInnen-Kongress vom Bund der Deutschen Landjugend (BDL) in Berlin fest.
Ansonsten stünden beim Kaufverhalten nämlich andere Kriterien im Vordergrund. Aus Sicht der Bauern reiche dies jedoch nicht, betonte der DBV-Vizepräsident.
Von „Verbrauchern“ und „Bürgern“
Nach Darstellung von Schwarz liegt das Problem nicht zuletzt darin, dass es signifikante Unterschiede zwischen „Verbrauchern“ und „Bürgern“ gibt: Während „der Verbraucher“ regelmäßig beim Discounter um die Ecke einkaufe, engagiere sich „der Bürger“ bei Naturschutz- und Tierschutzorganisationen. Er frage sich, ob mit Labels ein größeres Verbraucherbewusstsein für den Wert von Lebensmitteln und eine höhere Zahlungsbereitschaft angeregt werden könnten.
Nach Einschätzung des Göttinger Agrarökonomen Prof. Achim Spiller dürfte die Bedeutung von Labels auf Lebensmittelerzeugnissen weiter wachsen. Dabei sieht er mit „gesunder Ernährung“, „Umwelt- und Klimaschutz“, „Sozialer Gerechtigkeit“ sowie „Tierwohl“ vier Megatrends, die das Kaufverhalten der Verbraucher nach seiner Einschätzung zukünftig stark beeinflussen dürften.
Über Prozesseigenschaften informieren
Eine geringere Rolle dürfte Spiller zufolge hingegen der Gegensatz zwischen „konventionell“ und „öko“ spielen. Der Agrarökonom hält es sogar für möglich, dass sich unter Beachtung der zunehmenden Bedeutung der zuvor von ihm genannten Themen eine Mischform herausbilden könnte, bei denen die Landwirte besondere Leistungen erbrächten, ohne in eine der herkömmlichen Kategorien zu fallen. Label werden nach Überzeugung des Göttinger Wissenschaftlers in jedem Fall eine noch stärkere Bedeutung erlangen. Dies auch, um Verbraucher über die Prozesseigenschaften des Produkts zu informieren, erläuterte Spiller.
Zudem sei absehbar, dass die Teilnahme an Labels immer stärker eine Voraussetzung für staatliche Förderpolitik werden dürfte. Die Landwirte rief der Göttinger Agrarökonom auf, sich frühzeitig an solchen Entwicklungen zu beteiligen, da dies ihnen die Chance gebe, die Bedingungen mitzugestalten.
225 verschiedene Labels
Spiller wies auch darauf hin, dass es allein im Ernährungsbereich 225 verschiedene Labels gebe. Sie sollten den Verbrauchern helfen, von außen nicht erkennbare Produkteigenschaften zu identifizieren. Das könnten höhere Tierwohlstandards, besondere Anbauarten oder eine gute CO2-Bilanz sein. Nur wenige seien allerdings bundesweit verbreitet und bekannt. „In der Zukunft brauchen wir nicht mehr, sondern weniger Label. Sie müssten allerdings glaubwürdiger, farblich interpretierbar, mehrstufig und verpflichtend sein“, so der Agrarökonom.
Vor einer Label-Flut warnte auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viele Labels haben“, pflichtete sie Spiller bei. Den Gesetzgeber sieht die FDP-Politikerin nur hinsichtlich der Rahmenbedingungen in der Pflicht. Es sei nicht seine Aufgabe, Label und ihre Standards festzulegen, betonte Konrad.