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Kommentar

Tierwohl oder Fleischverzicht: Was Aldis und Lidls Ansagen wert sind

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Norbert Lehmann, agrarheute
am Freitag, 17.02.2023 - 09:34

Aldi setzt auf Tierwohl-Wurst, Lidl gibt sich flexitarisch. Das hat auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Bayern.

Ein Kommentar von Norbert Lehmann, agrarheute

Zu Jahresbeginn haben die Discountriesen Aldi und Lidl mit Ankündigungen zu ihrem Sortiment Schlagzeilen gemacht. Lidl will den Anteil tierischer Produkte verringern. Bis 2025 sollen mehr pflanzliche Eiweißträger in die Regale. Aldi Nord und Süd wollen ihre Fleisch- und Wurstwaren bis 2030 vollständig auf die höchsten Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Eine gute Presse haben sich die Discounter damit gesichert. Aber was bedeuten die Pläne der Handelsriesen für ihre wichtigsten Rohstofflieferanten, die deutsche Landwirtschaft?

Lidl segelt mit dem Wind, mehr nicht

Was Lidl betrifft, ist die stärkere Gewichtung von pflanzlichen Lebensmitteln nicht als Marketing. Der Handelskonzern „will aktiv die Transformation zu einer zukunftsfähigen Ernährung vorantreiben“, heißt es in einer Presseerklärung. Damit übernimmt der Discounter ein bewährtes Prinzip der Politik: 1. Erkenne einen starken Trend. 2. Formuliere den prognostizierten Trendverlauf plus einem Faktor X für das Jahr Y als dein Ziel. Schon hast du 1. aktuell eine positive Nachricht als Akteur, der die Zeichen der Zeit erkennt und kannst 2. in fünf Jahren damit glänzen, dein fortschrittliches Ziel erreicht zu haben. Fakt ist: Lidl ändert sein Sortiment in eine Richtung, die nach mittel- und langfristigen Trendprognosen ohnehin eintreten wird. Das Unternehmen surft auf einer Welle, aber es macht sie nicht. Das ist für Lidl ohne Risiko. Die Kosten für angepasste Rezepturen und zusätzliche Kennzeichnungen tragen die Lieferanten. Flaut der Trend ab, wird der Händler sein Sortiment erneut anpassen. Denn natürlich gilt auch für Lidl die alte Weisheit: Nicht der Handel erzieht den Kunden, sondern der Kunde den Händler.

Das weiß auch Aldi. Trotzdem will der Discounter Fleisch aus den Haltungsformen 1 und 2 schrittweise aus den gekühlten Fleisch- und Wurstwaren seiner Eigenmarken verdrängen. Warum? Natürlich spielen auch hier vermutete Verbrauchertrends eine Rolle. Aber man muss Aldi zugutehalten, seine Marktmacht diesmal zum Vorteil der Lieferkette einzusetzen. Der Discounter schafft zumindest die Möglichkeit, die Vermarktung des ganzen Tieres aus den Haltungsformen 3 und 4 zu erleichtern. Die Zusatzkosten verteilen sich damit auf mehr Verbraucherprodukte als Filet und Schnitzel. Das ist gut. Die deutschen Schweinehalter, die auf mehr Tierwohl umstellen wollen, könnten davon profitieren. Die Betonung liegt jedoch auf „könnten“.

Das Problem bei der Sache: Haltung ist nicht gleich Herkunft. Auch wenn Aldi-Manager eindringlich versichern, auf deutsche Ware zu setzen, zählen am Ende Warenverfügbarkeit und Preis. Schon jetzt kursieren in den sozialen Medien Bilder vom abgepackten Bio-Schweinehack der Haltungsform 4. Nur wer genau hinsieht, erkennt an der – freiwilligen – Herkunftskennzeichnung: Die Tiere wurden im Ausland aufgezogen und in Deutschland nur geschlachtet.

Gesetzgeber muss Stallumbau dringend rechtlich erleichtern

Und darin liegt die Gefahr. Aldi Nord und Süd können aufgrund ihres großen Absatzes dazu beitragen, das gesamte Marktsegment auf hohe Tierwohlstufen umzustellen. Sie werden andere Händler unter Druck setzen, ähnliche Initiativen zu starten. Das ist gut. Die deutschen Schweinehalter haben aber keine Chance, davon zu profitieren, wenn die Ampel-Koalition nicht endlich das Bau- und Genehmigungsrecht anpasst. Sonst können die Ställe nicht tierwohlorientiert umgebaut oder neu errichtet werden. Dann kämen künftig noch deutlich mehr Schweine und auch Hähnchen aus dem Ausland. Für Aldi ist das Risiko begrenzt. Der Einzelhandelsriese bestellt die Ware bei Tönnies, Westfleisch, Vion und Co. Die Schlachter werden liefern. Aber woher sie die Tiere beziehen? Darüber entscheidet letztlich der Verbraucher, denn der Kunde erzieht den Handel, nicht umgekehrt.

Dieser Kommentar erschien zuerst bei agrarheute.

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