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Eiweißquellen

Neues Standbein Larvenmast

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Ariane Haubner, Rinderzucht
Ariane Haubner
am Dienstag, 11.01.2022 - 14:33

Mit der Anerkennung von Insekten als Nutztiere ergeben sich für Landwirte neue Möglichkeiten. Bei der Demonstrationsanlage der Firma FarmInsect kann man sich über diese Einkommensalternative mit großem Marktpotenzial informieren.

Für das Startup-Unternehmen FarmInsect war es ein wichtiger Meilenstein in der noch jungen Firmengeschichte: die Inbetriebnahme seiner Pilot- und Demonstrationsanlage zur Larvenmast im niederbayerischen Krugsöd im Süden des Landkreises Landshut im September 2020.

Das Startup wurde Anfang 2019 gegründet, mit der Idee, Landwirten vor Ort ein System zur Mast von Insektenlarven an die Hand zu geben, um auf diese Weise in einer Kreislaufwirtschaft mit organischen Reststoffen z.B. aus der Lebensmittelerzeugung, Larven der Soldatenfliege zu mästen.

Ersatz für Soja und Fischmehl

2021-Farminsect-Westermeier

Die Larven können hochwertiges Eiweiß zur Fütterung von Fischen, Geflügel oder auch Schweinen aus heimischer Produktion bereitstellen. Auf problematische Eiweißträger wie Soja oder Fischmehl könne dann verzichtet werden und die Wertschöpfung bleibt beim Landwirt vor Ort, so der Grundgedanke. Auch ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der CO2-Bilanz ist möglich.

Die Demo-Anlage steht auf einem ehemaligen Ochsenmastbetrieb, der vom neuen Besitzer einmal zu einer Indoor-Aqua-Fischzucht umgebaut werden soll. Einmal pro Woche – immer donnerstags – können sich Interessenten jetzt live vor Ort über die Funktionsweise der Anlage und die Möglichkeiten, die sich mit der Insektenmast ergeben, informieren. Einmal in der Woche genau deshalb, weil dann der Zyklus der Mast beendet ist. Sieben Tage brauchen die zu Beginn winzigen Larven, die von Farm- Insect den Landwirten bereitgestellt werden, um dann unter optimierten und genau gesteuerten Bedingungen in den Klimakammern, das 250-fache ihres Ausganggewichtes zuzulegen. Die Larven können dann entweder lebend verfüttert werden oder durch Einfrieren schonend getötet und dann z. B. mit Abluft aus der Biogasanlage getrocknet werden.

2021-Farminsect-Anlage

Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich seit September 2021, denn seitdem sind die Larven nicht nur im Fischfutter, sondern auch im Schweine- und Geflügelfutter als verarbeitetes tierisches Protein zugelassen. „Auch Weiterverarbeiter interessieren sich zunehmend für das hochwertige Insektenprotein aus heimischer Produktion. Sogar Hersteller von Hundefutter sind bereits an uns herangetreten“, berichtet Geschäftsführer Wolfgang Westermeier.

Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) geht davon aus, dass bis 2025 bis zu 10 % des weltweiten Fischmehls durch Insekten ersetzt wird. Dies würde einem Marktpotenzial von über 8 Mrd. € entsprechen. Die Insekten Organisation der EU (IPIFF) geht davon aus, dass innerhalb der EU ein Umsatz mit Insekten von über 1,2 Mrd. € pro Jahr bis 2025 erreicht wird. Aktuell liegt der Umsatz in der EU im einstelligen Millionenbereich, informiert FarmInsect auf seiner Homepage. Fachleute der Rabobank sehen einen Bedarf an Insektenprotein von rund 500 000 t im Jahr 2030 mit Schwerpunkt in der Aquakultur.

Besonders interessant für Biolandwirte

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Bei steigender Nachfrage ergeben sich für Landwirte Möglichkeiten. Sie können den Betriebszweig als zweites oder alleiniges Standbein aufbauen, die Insekten für den Eigenbedarf mästen oder eben an andere Landwirte oder Weiterverarbeiter wie Futtermittelhersteller verkaufen. „Für unsere Kunden können wir solche Anfragen gerne vermitteln“, betont der Firmenteilhaber.

Besonders interessant dürfte das Insektenprotein auch für Biolandwirte sein, denn Biofischmehl gibt es nicht und Biosoja ist enorm teuer. In der neuen EU-Bioverordnung sind auch Insekten als Nutztiere enthalten, und sie müssen zu 20 % mit hofeigenen Futtermitteln gefüttert werden. Ein riesiger Vorteil für die regionale Erzeugung, denn wenn die Verordnung so umgesetzt wird, ist die hofeigene Haltung von Insekten die einzige Haltungsform, die den Bio-Richtlinien entspricht.

Zu den Besuchern der Demo-Anlage gehören derzeit oft Schweinemäster, die sich informieren wollen, so Westermeier. Und erste Erfahrungen zeigen, dass sich die vorhandene Infrastruktur einer Schweinezucht- oder Mastanlage gut für die Insektenmast nutzen lässt. Auch das Vorhandensein einer Biogasanlage ist vorteilhaft. Mit dem erzeugten Strom oder der Abwärme lassen sich nicht nur die Klimakammern heizen oder die Larven trocknen, auch das anfallende Substrat aus der Mast lässt sich in der Biogasanlage verwenden. „Die Larven entziehen ihrer Nahrung vor allem das Protein, zurück bleibt ein energiereiches Kompost-Substrat, das in der Biogasanlage eingesetzt oder aber auch direkt als Dünger verwendet oder verkauft werden kann.

Mit was werden die Maden gefüttert?

2021-Farminsect-Produkte

In der Demonstrationsanlage bekommen die Larven Reste aus der Mehlherstellung wie Weizenkleie oder Schälreste, etwas Mineralfutter sowie etwas Säure. Mit Wasser wird daraus in einem Mischtopf ein homogener Brei angerührt, der einen Trockensubstanzgehalt von 25 % und einen entsprechenden pH-Wert haben muss.

Man kann aber auch mit anderen organischen Reststoffen arbeiten. Beispielsweise Altbrot, Schlempe, Kartoffelpülpe, Biertreber oder Gemüsereste. „Ein ausgeglichener Nährstoffrahmen sollte aber eingehalten werden, um den Larven ein gutes Wachstum zu ermöglichen und sie in den sieben Tagen zum optimalen Gewicht zu bringen. Interessierte Landwirte bringen Ideen mit, auf die wir im Traum nicht gekommen wären. Und ja, statt mit Wasser kann man das Substrat auch mit Spätzlewasser oder Salatsoßenresten herstellen“, fasst Westermeier das Thema etwas schmunzelnd zusammen.

Prinzipiell gilt: Alle Futtermittel für die Insekten müssen den Anforderungen für Futtermittel entsprechen und die Lieferanten als Futtermittelunternehmen registriert sein.
FarmInsect bietet ein Maschinen- und IoT-System, das die Insektenmast einfach ermöglicht. Das Futteranmischen, das Befüllen der Kästen und Klimakammern, die Klimasteuerung, die Entnahme der fertigen Kästen, das Separieren der Larven vom Substrat, alles ist vollautomatisiert. Der Landwirt muss nur die Junglarven per Hand in die Kisten dosieren.
Die Anzahl und Fläche der Klimakammern kann den Bedürfnissen des Betriebes angepasst werden. Das Grund-Set-Up besteht aus einer Klimakammer mit einer entsprechenden Anzahl Rollwägen. Es können dann noch sechs Kammern dazukommen, die vom Roboter bedient werden können. Eine Kammer mit 40 Rollwägen, die pro Woche einmal entleert wird, liefert im Jahr etwa 125 t Larven-Frischmasse. 1 t lebende Insekten benötigen etwa 1 t trockenes Futter. Ein Rollwagen enthält zehn Kästen mit je rund 60 000 Larven. Jeder Rollwagen wiegt zu Beginn des Mastzyklus etwa 150 kg, viel davon ist Wasser. Ein Rollwagen ist laut Westermeier in etwa 15 – 20 Minuten entleert und neu befüllt.
Als Grundinvestition sollen 200 000 bis 300 000 € nötig sein. Es würde aber sehr stark davon abhängen, welche Infrastruktur bereits am Betrieb vorhanden ist, z. B. Mischanlagen, Flüssigfütterungen, Wärmetauscher-Anlagen, etc., so Westermeier. Bis sich die Investition amortisiert hat, würde es etwa 3 bis 5 Jahre dauern. „Natürlich machen wir unseren potenziellen Kunden ausführliche Wirtschaftlichkeitsberechnungen“, versichert der Unternehmer.

Erste Praxisanlage kurz vor Inbetriebnahme

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Demnächst geht die erste Praxisanlage bei einer Fischzucht in Betrieb. Mit einer siebenstelligen Finanzierungsrunde, die von BayStartUp mit auf den Weg gebracht wurde und die angeführt wird von High-Tech Gründerfonds und Bayern Kapital sowie von weiteren namhaften Investoren unterstützt wird, ist der weitere Ausbau des Startups gesichert.

Bis Ende 2022 sollen zehn weitere Anlagen verkauft werden, einige Projekte dazu laufen bereits. Weitere Mitarbeiter wurden bereits eingestellt. Außerdem errichtet FarmInsect derzeit in einer ehemaligen Schweinemastanlage einen Produktionsstandort bzw. Reproduktionsbetrieb für die Insektenlarven sowie ein Forschungszentrum für die Insektenzucht. Die hier errichtete Kapazität soll bis zu 100 regionale Mastanlagen mit Larven versorgen können, was einem Output von mindestens 15 000 t lebenden Larven entspricht.

Ein Schwerpunkt soll auch auf der züchterischen Bearbeitung der Fliegen bzw. Larven liegen. „Die Insekten sind züchterisch noch nicht bearbeitet, darin liegt noch viel Potenzial“, ist Westermeier überzeugt. Neben der Erzeugung von effektiven Masttieren, ist auch das Herauszüchten von Larvenlinien möglich, die mit bestimmten Futtermitteln, wie Gemüse, besser zurechtkommen.
Auch Fütterungsversuche im Bereich der Fischzucht laufen bereits mit der Landesanstalt für Landwirtschaft. Es gibt zwar noch keine endgültigen Ergebnisse, aber erste Zwischenergebnisse deuten positive Auswirkungen auf das Endprodukt an.
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