Milch- und Butterpreise haben es wieder in die Schlagzeilen fast aller deutscher Medien geschafft. Nicht die Ukraine-Krise ist hier als alleinige Ursache zu nennen, vielmehr gingen in vielen erzeugerstarken Regionen die Milchanlieferungen merklich zurück. Einer der Gründe hierfür liegt in den Kosten des Inputs bei der Milchproduktion, die teilweise drastisch gestiegen sind. Unterbrochene oder gestörte Lieferketten auch in Folge von Corona sind hier als weiterer Grund zu nennen.
Industrielle Kunden bevorraten sich
Dazu kommt eine überdurchschnittliche Bevorratung industrieller Kunden gerade bei Milchpulver und Butter. Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl, sieht den Milchmarkt im Umbruch und warnt davor, aktuelle Probleme auszusitzen. Auf dem 12. Berliner Milchforum stellte Stahl fest, dass die Erwartungen und Anforderungen von Gesellschaft, Verarbeitern und Lebensmittelhandel an die Milcherzeuger in den letzten Jahren spürbar zugenommen hätten. Mit den vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelösten Verwerfungen an den Agrarrohstoffmärkten komme nun noch eine bisher nicht gekannte Kostensteigerung für alle Akteure der Wertschöpfungskette Milch hinzu.
Vor diesem Hintergrund rief der MIV-Vorsitzende den Handel auf, bei den Preisverhandlungen auf „die alten Rituale“ zu verzichten und die enormen Sprünge bei den Herstellungskosten zügig an die Verbraucher weiterzugeben. Dies sei unumgänglich, auch wenn die Reaktion der Verbraucher nicht vorauszusehen sei, betonte Stahl.
Milch muss mehr kosten
Auch der DBV-Vizepräsident Karsten Schmal hat sich im Rahmen des 12. Berliner Milchforums zu den unerwarteten und erheblichen Herausforderungen der deutschen Milchbranche geäußert: „In den vergangenen Jahren haben wir globale Krisen zu spüren bekommen, die allesamt kaum erwartbar waren. Corona-Pandemie, Handelskriege zwischen westlichen Demokratien, großer Angriffskrieg in der europäischen Nachbarschaft.
Sicher geglaubte Gewissheiten sind durch diese Krisen in Frage gestellt worden. Die Verwerfungen haben unter anderem die Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität weit oben auf die gesellschaftliche Agenda rücken lassen. Das erdet einige zuvor abgehobene milchpolitische Diskussionen, was jedoch nicht heißt, dass Nachhaltigkeit, Tierwohl und Umweltschutz nicht weiter auf der Agenda stehen.“
Damit sich Milchbauern diesen Entwicklungen auch stellen können, müsse nun – auch kurzfristig – ein deutliches Mehr bei den Milcherzeugerpreisen auf den Betrieben ankommen. „Wir sehen im Moment sehr deutliche Marktverwerfungen. Die explodierenden Preisanstiege bei Futter- und Düngemitteln zeigen auf, dass es in den kommenden Monaten in diesen Bereichen zu Versorgungsengpässen kommen wird.
Die Molkereien sind deshalb gefordert, die aktuell deutlich angestiegenen Erlösmöglichkeiten auch vollständig auf die Milchviehbetrieb zu bringen,“ so Karsten Schmal.
Ohne Gas brechen die Lieferketten zusammen
Besonderes Augenmerk verdient der Bulkhandel. Der „Kieler Rohstoffwert Milch“ ist zum ersten Mal auf über 60 Eurocent je Kilogramm Rohmilch geklettert. Diejenigen Molkereien, die traditionell stark im Handel von gering verarbeiteten Rohwaren (Bulk) unterwegs sind, konnten sehr rasch die Milchpreise für die Erzeuger anheben. Die Nachbarmolkereien mit einem hohen Anteil im Lebensmitteleinzelhandel mussten infolgedessen tatsächlich auch die Milchpreise anheben, um im Wettbewerb um den Rohstoff zu bestehen.
Der Milchindustrie-Verband e.V. (MIV) schätzt, dass viele Molkereien deshalb finanziell stark unter Duck geraten sind und schon deshalb die Produktpreise gegenüber den Kunden anheben müssen. Die Preisanhebungen beim Erzeugerpreis sind jedoch auch bitter notwendig, um die gestiegenen Kosten der Milchbauern für Futtermittel, Energie und Düngemittel auszugleichen.
Doch auch die Molkereien klagen über stark angestiegene Inputkosten. Insbesondere die Entwicklung bei Energie machen den Milchverarbeitern Sorgen. Es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um die Verfügbarkeit.
„Das Abdrehen des Gashahns hätte katastrophale Folgen für die gesamte Kette der Milch“, so Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes e.V., Berlin. Die Lieferketten würden in geschätzten drei Tagen zusammenbrechen, wenn kein Gas mehr zur Verfügung stünde.