Die Kombinationshaltung in der Milchviehhaltung war auch bei der Erzeugerwoche in Herrsching das bestimmende Thema. Viele sachliche Beiträge beleuchteten über zwei Tage Hintergründe und Tatsachen; zwischendrin flogen – wie meistens bei der Milch – die Fetzen. Ohne das Abschießen von Giftpfeilen scheint es bei den Milchakteuren nicht zu gehen.
Isabella Timm-Guri, BBV-Direktorin für den Fachbereich Erzeugung und Vermarktung, erklärte den Werdegang der jetzigen Definition der Kombihaltung. Dazu gehörten auch die Regionalversammlungen des BBV, um die Bedürfnisse der Basis mit aufnehmen zu können. Die Kombihaltung soll einen „Wettlauf der Marktakteure verhindern“, verbunden mit der Vermeidung „eines Strukturbruchs“, so Timm-Guri. Die Direktorin forderte eine dringende Unterstützung im Baurecht, um den Landwirten den Umstieg zu ermöglichen. Das sei auch das Topthema bei den Regionalkonferenzen gewesen, neben dem Wunsch nach Förderung und Beratung für Betriebe, die umstellen wollen.
Unterscheidung inzwischen möglich

„Die Diskussion sollte auf breite Beine gestellt werden“, sagte Susanne Glasmann, Geschäftsführerin des Verbandes der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft und derzeit Vorsitzende des Molkereivereins milch.bayern. „Wir möchten die Erzeuger gerne mitnehmen“, meinte Glasmann. Vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH) habe man den Druck gespürt, ein Erfolg der Kombihaltung sei es aber, „dass Aldi inzwischen zwischen Anbindehaltung und ganzjähriger Anbindehaltung unterscheidet.“ Neben dem Dank an den BBV und Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber, stellte sie klar, dass es auch die Forderung nach nur 60 Tagen Auslauf gab. Das wollten aber die Molkereien nicht.
Als nächster Schritt gelte es nun, „die Definition der Kombihaltung mit Leben zu erfüllen“, so Timm-Guri. Dazu gehört unter anderem die Frage, wie künftige Laufhöfe aussehen sollen. „Der LEH will auch keinen Bruch, aber Argumente gegenüber dem Verbraucher, das etwas passiert“, sagte BBV-Milchpräsident Günther Felßner. „Wir müssen eine Pro-Stimmung zur Kombihaltung entstehen lassen,“ so der Milchpräsident weiter, und ein stückweit Vertrauen zueinander aufbauen.
Die Gedanken zu einer getrennten Erfassung und Bezahlung für Milch für ganzjährige Anbindehaltung gebe es. Hier müsse man kampfbereit sein, meinte Felßner. In Sachen Kombinationshaltung richtete Felßner deutliche Worte an die Molkereien. Der Molkereiverein milch.bayern habe die Definition mitbeschlossen, „und ich hoffe auch, dass sich daran gehalten wird.“
Schlagabtausch und Schuldzuweisungen

Kritisch zur Debatte äußerte sich der Geschäftsfüher der Bayern MeG: „Es hat begonnen, dass es keine Verträge für ganzjährige Anbindehalter gibt“, erklärte Markus Seemüller. Dazu meinte Felßner: „Es ist ein elementares Anliegen von mir, dass es für diese Betriebe eine Vermarktungsmöglichkeit gibt.“ An die Molkereiseite gerichtet forderte Seemüller: „Ich hätte gerne eine Molkerei im Süden und im Norden Bayerns, die diese Milch sammelt.“
Felßner hält diesen Schritt für verfrüht. Das würde den Ansatz des Umbaus auf Kombihaltung konterkarieren. Jetzt müsse man „Schritt für Schritt gehen“. Mit der Kombihaltung habe man auch den Druck auf die ganzjährigen Anbindehalter mindern können. Ähnlich sieht es Glassmann: „Wir haben Zeit gewonnen, das kann man an den Reaktionen des Handels ablesen.“
Doch damit nicht genug. Im Herrschinger Sitzungssaals knisterte spätestens jetzt die Luft. Und nach kleineren Wortgefechten erklärte der Milchpräsident: Der Bauernverband sei seiner Verantwortung nachgekommen, eine Definition der Kombihaltung aufzulegen. Felßner weiter in Richtung der Bayern MeG und der MEG-Vorsitzenden: „Wer unterschreibt, trägt die Verantwortung, was in den Verträgen steht.“ „Ich habe Respekt vor eurer Leistung“, so Felßner kurz darauf: „Sind wir uns der Kraft der Gemeinschaft bewusst.“
Molkerei bestimmt, was in den Verträgen steht
Ob Bauernverband und Bayern MeG jeweils dicke Freunde werden, darf zu diesem Zeitpunkt bezweifelt werden. Verantwortlich für die prekäre Situation der ganzjährigen Anbindehalter sind aber weder der BBV, noch die Bayern MeG. Molkereiverträge heißen Molkereiverträge, weil die Molkereien bestimmen, was darin steht. Bei der Milch ist es aber kein Einzelfall, dass die Falschen aufeinander losgehen. „Es ist eine Frechheit, wie man mit dem Marktpartner so umgeht“, hörte man dann aus dem Publikum. Und die Kritik dieser Aussage dürfte in die richtige Richtung zielen. „Es sei ein stückweit Verrat an Bayern“, so der Redner aus dem Publikum weiter, wenn die Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung nicht mehr abgeholt wird.
Anbindehaltung: So macht es Österreich
Wenn es um die Anbindehaltung geht, lohnt sich ein Blick nach Österreich. Dort ist die ganzjährige Anbindehaltung gesetzlich verboten. Betriebe, die keine Chance haben umzubauen, und dies auch nachweisen können, bekommen aber eine Ausnahmegenehmigung. Die Kombihaltung mit 120 Tagen Auslauf gibt es in Österreich schon längst. „Alles geht zum Laufstall hin“, umschrieb Walter Breininger, Fachabteilung Landwirtschaftliches Bauen an der Landwirtschaftkammer Österreich, die Situation im benachbarten Alpenland.
Der Bauberater nahm in Herrsching kein Blatt vor den Mund: „Die Solidarität zwischen großen und kleinen Betrieben gibt es nicht. Bei uns nicht und bei euch nicht.“ Alleine aufgrund der Arbeitsbelastung „kann mir keiner erzählen, dass ein 30 Jahre alter Anbindestall gut ist“, so Breininger weiter. Beim Umbau der Betriebe gibt es Österreich eine kostengünstige Beratung. Bei der Beratung könne auch herauskommen, dass es besser wäre, aufzuhören. Wenn die Betriebe aber umbauen – und auch den Platz dazu haben – dann sind die Österreicher mit ihrem Beraterstab erfinderisch. Als Regeln für den Auslauf gelten in Österreich 9 m2 für den unbefestigten und 4,5 m2 für den befestigten Auslauf pro Kuh. Dazu gibt es die Empfehlung für eine teilweise Überdachung.
Wie Breininger weiter erklärte, könne man diesen Auslauf dann nach und nach mit Tränke, Futtertisch und Liegeflächen zu einem „möblierten Auslauf“ ausbauen. Und wenn die Tiere dann nur noch einen Monat bei schlechten Wetter angehängt sind, ist das für Breininger ein Laufstall, ohne dass man einen Stall gebaut hat. Doch für diese findige Variante braucht man Platz. Und den werden sehr viele Anbindehalter in Bayern, die mit ihren Betrieben in unmittelbarer Dorflage liegen, nicht haben.