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Märkte

Der Kartoffelmarkt ist nichts für Anfänger

Kartoffeln-Ernte-Markt: jemand hält frisch geerntete Kartoffeln auf dem Acker.
Helga Gebendorfer
am Mittwoch, 01.02.2023 - 10:34

Die Aussichten für die Ernte 2023 sind schwer abzuschätzen. Und die Kartoffelanbauer haben mit einigen Problemen zu kämpfen.

„Der Anbau und die Vermarktung der Kartoffel ist und bleibt eine anspruchsvolle, intensive, schwer vorhersehbare und immer wieder aufs Neue äußerst spannende Angelegenheit. Das wird sich nicht ändern und es wird sicher nicht einfacher“, lautete das Fazit von Lothar Weber, Geschäftsführer der Ein- und Verkaufsgenossenschaft eG bei der Mitgliederversammlung der Erzeugergemeinschaft für Qualitätskartoffeln Neuburg-Schrobenhausen. Freilich hatte er kein gültiges Rezept dabei und konnte für alle an der Kartoffelvermarktung Beteiligten keinen Königsweg anbieten. Allerdings war er überzeugt, dass die meisten der Anbauprofis bereit sind, die Herausforderungen der nächsten Jahre - wie bereits die vielen Jahre zuvor - gemeinsam im Verbund zu meistern. „Denn ohne die Kartoffel würde uns in dieser Welt etwas fehlen – auch wenn wir uns alle oftmals noch so ärgern über die ganzen Begleitumstände“, stellte er fest.

Mehr Anbaufläche, weniger Ertrag

Nach seinen Angaben wurden 2022 in Deutschland 266.400 ha Kartoffeln angebaut, was eine Steigerung um 3 % gegenüber dem Vorjahr ausmacht. Der Ertrag fiel mit 41,4 Tonnen pro Hektar um 9 % niedriger aus. Insgesamt betrugen die Erntemengen in Deutschland 10,6 Millionen Tonnen (- 6 %), in Bayern 1,3 Millionen Tonnen (- 23 %), in Nordrhein-Westfalen 1,7 Millionen Tonnen (- 10 %) und in Niedersachsen 5,1 Millionen Tonnen (+ 2 %). Die Situation in den Nachbarländern: - 8 % in Frankreich, -15 % in Belgien und + 13 % in den Niederlanden.

Wie sieht es nun mit den Qualitäten bzw. dem Zustand der Knollen aus? „Sie sind besser als im Vorjahr“, meinte Weber. Jedoch sollte man jetzt im Lager auf Silberschorf/Colletotrichum achten und die vorhandene Keimfreudigkeit nicht außeracht lassen.

Es ist ruhig am Kartoffelmarkt

Die Absatzsituation beschrieb Weber wie folgt: „Die Nachfrage ist auf ruhigem Niveau, der Absatz liegt hinter der Vorsaison und dementsprechend reicht derzeit das Angebot für die Nachfrage.“ Die Marktteilnehmer zeigen im Moment eine abwartende Haltung, dadurch sind derzeit keine großen Ausschläge der Preise zu erwarten. Gefühlt werden die Kartoffeln derzeit vom Verbraucher intensiver verwertet und weniger Knollen verschwendet.

Beim Blick auf den Exportmarkt berichtete der Referent, dass der Absatz unter dem Vorjahresniveau liegt und günstige Angebote die Vermarktung immer wieder stören. Da die Kaufkraft der Menschen in den Exportländern teils stark gesunken ist, kommt nicht jedes angedachte Geschäft zu Stande. Gefordert sind gute Qualitäten und was aus der Ernte 2022 aufgrund der großen Trockenheit nicht ganz so einfach ist, sind große Knollen.

Stabiler Absatz im LEH

Der Abverkauf an den Endverbraucher ist stabil. Jedoch greifen die Kunden im LEH verstärkt zu günstigeren Eigenmarken. Vorzugsweise wird Vertragsware abgezogen, doch es besteht teilweise Interesse an freien Partien.

Bei den Frischkartoffeln beruhigte sich der Markt nach einem guten Weihnachtsgeschäft, wird aber immer wieder durch Aktionen belebt. Vor Mitte Februar wird kein Lagergeld für Kisten- und/oder Kühlhausware erwartet. Die Qualitäten im Lager werden zum Teil bereits schwächer, doch für gute Qualität und top gelagerte Ware bestehen intakte Aussichten.

Im Segment der Fritten-Industrie ist nach wie vor eine Absatzsteigerung, hauptsächlich in Übersee, zu spüren. Schwache Partien wurden in der Weihnachtszeit verarbeitet, Vertragsware kontinuierlich abgenommen und freie Ware immer wieder besprochen bzw. teils auch vermarktet.

Biokartoffeln vertraglich absichern

Während bei der Abpackware der Öko-Kartoffeln ein deutlicher Umsatzrückgang spürbar ist, hält sich bei Verarbeitungsware der Absatz des vergangenen Jahres. „Die Aussichten für die Ernte 2023 sind schwer abzuschätzen. Deshalb ist zu empfehlen, 2023 umsichtig zu planen und sich möglichst vertraglich abzusichern“, meinte Weber mit dem Hinweis, dass die diesjährigen Erzeugerpreise nicht zufriedenstellend sind.

Zahlreiche Herausforderungen für die Anbauer

„Für die nächsten Jahre haben die Kartoffelanbauer eine Reihe von Aufgaben und Herausforderungen zu meistern“, betonte der Geschäftsführer der Ein- und Verkaufsgenossenschaft. So ist es erforderlich, einen auskömmlichen Deckungsbeitrag zu erreichen. Dafür benötigen die Anbauer einen Aufschlag pro Doppelzentner von 3 € bis 4,50 € auf die letztjährigen Vertragspreise. „Das sollte heuer auch realisierbar sein“, kommentierte er. Gleichzeitig sind homogene Partien und eine Sortenstraffung gefordert. Denn manche Kunden würden gerne 5 bis 10 Ladungen Kartoffeln kaufen, verlangen jedoch gleichbleibende, ja möglichst identische Partien. „Das ist bei unserer eher kleinstrukturierten Region ein relativ anspruchsvolles Vorhaben“, betonte Weber.

Weiter gilt es, die Klimaproblematik anzunehmen und beispielsweise trockenresistente Sorten auszuwählen und gegebenenfalls eine Beregnung ins Auge zu fassen. Daneben heißt es, die wirtschaftlichen Herausforderungen mit hohen Betriebskosten, Inflation, Preissteigerung bei der Technik usw. zu bewältigen. „Optimistisch bleiben, auch wenn es schwerfällt, und jedes Jahr wieder auf neue versuchen, Stellschrauben zu finden und diese zu optimieren“, empfahl der Referent. Zum Schluss forderte er die Kartoffelanbauer auf, sich den politischen Anforderungen, z. B. Stickstoffproblematik, Pflanzenschutzminimierung und Fruchtfolgen, zu stellen: „Man wird das alles vielleicht verlangsamen bzw. korrigieren, aber nicht mehr rückgängig machen können. Deshalb müssen Sie sich darauf einstellen und Lösungen bzw. Alternativen suchen.“