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Hornochse
Florian Maucher
am Mittwoch, 02.10.2019 - 13:09

Die Ökomodellregion Allgäu setzt sich für eine regionale Aufzucht und Vermarktung von Biokälbern ein. Das Projekt „Allgäuer Hornochse“ soll die Wertschöpfung zurück auf die Höfe bringen.

Auf einen Blick

  • Das Projekt „Allgäuer Hornochse“ der Ökomodellregion will die regionale Aufzucht und Vermarktung von Biomilchviehkälbern unterstützen.
  • Das Hauptproblem war bisher die teure Vollmilchaufzucht der Kälber. Die hohen Preise für die Fresser lassen sich für die Mastbetriebe am Fleischmarkt nicht wirtschaftlich umsetzen.
  • Um die Tiere dennoch wirtschaftlich vermarkten zu können, gründet sich eine eigene Erzeugergemeinschaft. Durch die regionale Vermarktung möchten die Landwirte die Wertschöpfung zurück in die eigenen Hände bekommen.

Tiere auf heimischem Grün großziehen

Tausende weibliche und vor allem männliche Biokälber werden jedes Jahr aus dem milchviehbetonten Allgäu exportiert. Konventionelle Mastanlagen in Norddeutschland, aber auch Italien, Spanien und sogar Nordafrika sind die Ziele der Jungtiere. Die weiten Transportwege sind der Preis für die günstigeren Mastbedingungen in diesen Regionen. Dies ist gelebte Realität, nicht aber das Wunschs­zenario vieler Bauern in der Ökomodellregion Oberallgäu-Kempten. Daher setzt sich diese seit dem Projektstart im Jahr 2017 dafür ein, mehr Tiere auf und mit heimischem Grün aufzuziehen.

„Ein Hauptproblem bei uns vor Ort ist die teure Aufzucht unserer Kälber“, weiß Milchviehhalterin Beate Reisacher, die sich zuerst ehrenamtlich für das Kälberprojekt engagiert hat und sich inzwischen in Teilzeitanstellung beim Landratsamt intensiv damit auseinandersetzt. „Ein Biomilchviehkalb muss drei Monate Vollmilch bekommen. Dazu sind aber viele Betriebe nicht in der Lage – sei es wegen des Biomilchpreises, des Arbeitsaufwands oder weil schlicht nicht genügend Platz vorhanden ist“, weiß sie um die vielfältigen Gründe.

Zu teuer für den Mäster

Als Problem kommt der Wert der Kälber dazu, die drei Monate lang mit Biovollmilch getränkt wurden: Die Tiere sind dann schlicht zu teuer für einen Mäster, der in bestehende Kanäle liefert. „Ein weidegewohnter Fleckviehstier, der statt sechs Wochen dann 12 bis 14 Wochen am Betrieb steht und nochmal 350 Liter mehr Milch trinkt, sollte 850 bis 900 Euro beim Verkauf bringen. Das funktioniert aber nicht für den, der das Tier weitermästet und dann für das ausgemästete Tier am Haken reell nur 4,50 Euro pro Kilo Schlachtgewicht bekommt, aber mindestens 5,5 Euro haben sollte“, rechnet sie aus Erfahrung vom eigenen Betrieb vor, an dem sie jährlich 25 Kälber aufzieht und über ein gewachsenes Netzwerk an Bioweidemastbetriebe verkauft.

Es gilt, Kompromisse zu finden. Und dabei aber im Moment auch gewisse Preisabschläge in Kauf zu nehmen. „In der Praxis ist es bisher so, dass wir bekommen haben, was die Tiere an Milch getrunken haben. Die ganze Arbeitszeit darf man da nicht mit rein rechnen“, stellt sie klar. Um die Ausgangssituation grundsätzlich zu verbessern, müssten laut Reisacher die Biomilchviehbetriebe außerdem ein Bewusstsein entwickeln: „Die Kälber von standortangepassten Zweinutzungsrassen sind in ihren Masteigenschaften natürlich im Vorteil gegenüber Hochleistungsmilchrindern. Biomilch und Biofleisch gehören halt zusammen – einerseits in Richtung Landwirtschaft gedacht, andererseits auch Richtung Verbraucher, der neben den Milchprodukten auch das zugehörige Biofleisch kaufen sollte.“

Kalb

Ein neuer Versuch

Metzger

Und dank der Verbraucher glaubt Reisacher auch an den Erfolg des neuerlichen Versuchs: „Die Ansätze für eine regionale Aufzucht der Kälber sind nicht neu, aber in den letzten Jahrzehnten immer wieder an den hohen Prozesskosten gescheitert. Inzwischen ist aber das Bewusstsein beim Verbraucher ein anderes und vielen wird deutlich, dass das Mantra des Wachsens oder Weichens die Regionen ausbluten lässt und es beispielsweise immer weniger regionale Metzger gibt.“
Die Ökomodellregion versucht nun hier, die Akteure zusammen zu bringen.

Dazu gehören Gespräche ebenso wie Exkursionen zu Praxisbetrieben, um Ideen und Eindrücke zu sammeln. Mehrere Landwirte, verteilt auf Milchvieh- und Aufzuchtbetriebe, beteiligen sich ebenso am Projekt wie der biozertifizierte Schlachtbetrieb der Bauerngemeinschaft Illerwinkel in Legau. Die Kälbervermittlung stimmen die Landwirte untereinander selbst ab.

Soweit so gut. Doch wie kommen die geschlachteten Tiere zum fairen Preis für alle an die Verbraucher? Das ist eine Frage, die von der Gruppe lange diskutiert wurde und die wohl größte Hürde des Projekts:  „Um es sinnvoll und nachhaltig zu organisieren – denn die Ökomodellregion kann wirtschaftlich nicht tätig sein – müssen wir eine eigene Erzeugergemeinschaft gründen“, erklärt Reisacher:

„Wir Bauern haben mit der Ökomodellregion eine einzigartige Chance an die Hand bekommen und ich will mich dafür einsetzen, dass wir daraus auch was machen.“  
Neben dem Aufbau  der Erzeugergemeinschaft soll aber auch die Ökomodellregion weiterhin unterstützen: „Es wird weiter Öffentlichkeitsarbeit für bioregionales Weiderindfleisch betrieben“, schildert die Landwirtin die künftigen Zielsetzungen, zu denen weiterhin Messeauftritte und Verbraucherexkursionen, aber künftig zum Beispiel auch Kochkurse gehören sollen. Zudem werden Landwirte mit einer eigenen Direktvermarktung von Milchviehkälbern auf der Homepage des „Allgäuer Hornochsen“ präsentiert.
 

Wenig Zeit, viel vor

Logo Hornochse

„Langfristig wäre natürlich auch der Lebensmitteleinzelhandel perfekt, um größere Mengen absetzen zu können. Aber dafür brauchen wir erst mal eine gewisse Struktur“, umschreibt Reisacher die Problematik. Dennoch müssen sie schnell erwachsen werden: „Der Förderzeitraum rund um die Ökomodellregion läuft noch bis Ende 2020, obwohl wir natürlich hoffen, dass wir eine Verlängerung erhalten.“ 

So oder so sei es aber nicht das Ziel, dass die Ökomodellregion langfristig die Organisation übernimmt: „Wir wollen erreichen, dass die Beteiligten den Sinn sehen und es alleine weiterführen. Das Ziel muss sein, dass die angestoßenen Projekte langfristig auf eigenen Beinen stehen.“

Voraussetzungen der Kälber für das Projekt

Für Kälber, die am Projekt Allgäuer Hornochse teilnehmen sollen, hat die Gemeinschaft Regeln auferlegt. So müssen sie aus Biomilchviehbetrieben (nur Verbands-Bio, kein EU-Bio) der Region Allgäu oder angrenzenden Landkreisen stammen und mit drei Monaten Vollmilchtränke einen Gewichtskorridor von 120 bis 140 kg erreichen. Für die Abgabe der weidegewohnten Fresser an die Aufzuchtbetriebe werden innerhalb des Projektes Richtpreise vorgegeben: „Männliche Gebrauchskreuzungs- und Fleckviehkälber sollten rund 850 € bringen, weibliche 650 €, männliche Braunviehkälber ebenfalls 650 € und weibliche 450 €“, kalkuliert Beate Reisacher und weiß, dass damit auch der Preis für die ausgemästeten Tiere entsprechend höher liegen muss: „Wir rechnen da bei Ochsen und Färsen mit einem Preis von 5,50 €/kg SG.“

320 bis 350 kg Schlachtgewicht sollten die Rinder nach der Aufzucht-Dauer von 24 bis 27 Monaten erreichen. Dabei sind als Futtermittel nur Gras, Heu und Silage erlaubt. Solange möglich, müssen die Tiere außerdem Weidegang erhalten. Erhalten bleiben soll auch die Behornung der Tiere: „Bei einer genetisch hornlosen Kuh muss entsprechend mit einem horntragenden Stier besamt werden.“