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Getreidemarkt

Getreide und Ölsaaten: Gute Preise, schwere Bedingungen

Weizenmehl
Rainer Königer Portrait 2019
Rainer Königer
am Montag, 29.11.2021 - 10:10

Die Mühlen haben Angst, nicht genügend Rohstoff zu bekommen. Dass dies auch offen kommuniziert wird, ist laut Maximilian Eberl von der Bayernhof Erzeugergemeinschaften Vertriebs-GmbH neu.

Die Mühlen haben Angst, nicht genügend Rohstoff zu bekommen. Dass dies auch offen kommuniziert wird, ist laut Maximilian Eberl von der Bayernhof Erzeugergemeinschaften Vertriebs-GmbH neu. Wie es derzeit am Getreide- und Ölsaatenmarkt aussieht, erklärte er im Rahmen der digitalen Erzeugerwoche des BBV.
Deutschland verzeichnete bisher hohe Weizenexporte. Und die russische Weizenernte brachte einen sehr hohen Anteil an Mahlweizen. Zudem steuert Australien laut Eberl auf eine Rekordernte zu. Die Lage ist also nicht schlecht. Das Problem ist der gestiegene Bedarf und das Abschmelzen der Lagerbestände. Was „verzweifelt gesucht“ wird, ist Hartweizen.
Die Körnermaisernte in Bayern bezeichnete er als im Durchschnitt gut. Gut fiel auch die Maisernte in Mitteleuropa und der Ukraine aus. Schwach verlief die Ernte in Rumänien und Ungarn. Die Nachfrage ist vor allem in China und im arabischen Raum sehr hoch. Aktuell hat das USDA seine Erzeugungsprognose für Mais wieder leicht angehoben.
Die Knappheit an Braugerste führte er auch auf Corona zurück. Der Rückgang des Bierabsatzes habe Landwirte dazu bewogen, heuer weniger Sommergerste anzubauen.

Schon viel Getreide vermarktet

Bei den steigenden Preisen wäre es für Landwirte natürlich gut, wenn sie noch Ware hätten. Für bayerischen Weizen rechnet Eberl damit, dass bereits 50 % vermarktet sind, „vielleicht ein bisschen mehr“. Bei Raps liegt der verkaufte Teil noch höher (rund 70 %). Markttechnisch interessant ist auch das Rapsöl. Hier liegen die Preise für konventionelles Öl inzwischen fast gleich auf mit Bioware. Laut Eberl geht der Preisanstieg am Biomarkt vorbei.

Bei einer anderen Ölsaat, dem Soja, hat die amerikanische Ernte heuer gute Erträge gebracht. Auch hier ist der Hunger Chinas groß. Die Nachfrage aus dem Reich der Mitte „ist mit 101 Mio. t zum ersten Mal dreistellig“. Von den weltweiten Endbeständen hielt China nach Worten des Marktexperten 30 % beim Soja, 50 % beim Weizen und 70 % beim Mais: „Man sieht, China hat wahnsinnige Lagerbestände.“ Und was China, „der Staubsauger der Agrarmärkte“, auf Lager hat, kommt nicht mehr auf den Weltmarkt zurück. Nach Einschätzung Eberls tendieren die Getreidemärkte im Moment seitwärts, den Ölsaatenmarkt sieht er nach wie vor eher bullisch.
Trotz des erfreulichen Marktgeschehens sieht der BBV-Getreidepräsident Hermann Greif Probleme auf Seiten der einheimischen Ackerbauern. „Die Politik stellt die Nahrungsmittelproduktion weit hinten an.“ Mit Verweis auf die Einschränkungen durch die Düngeverordnung erklärte er: „Mit 140 Kilogramm kann man keinen Qualitätsweizen erzeugen.“ Bedenklich seien auch die enorm höhen Düngerpreise. Seine Vermutung: „Wenn hohe Erzeugerpreise da sind, kann man auch mehr für den Dünger verlangen.“

Dramatische Folgen durch den Klimawandel

Was allerdings weltweit wie eine dunkle Gewitterwolke aufzieht, ist der Klimawandel. Zum Thema „Wie verändert der Klimawandel unsere Landwirtschaft?“ referierten Alexa Mayer-Bosse und Andreas Lang von der Münchner Rück (Munich Re), dem weltweit größten Rückversicherer. Im Vergleich zum Jahr 1881 ist die Temperatur in Deutschland um 1,6 °C gestiegen. „Einige Jahre liegen deutlich darüber,“ machte Lang klar: „Der Klimawandel ist eindeutig menschengemacht.“

Durch die Erwärmung, die in der Arktis besonders stark zunimmt, werden die Jetstreams, die die Drucksysteme bestimmen, langsamer. Die Folge sind länger anhaltende Wetterphasen, die längere Hitzeperioden und Phasen mit längeren Niederschlägen mit sich bringen. Die allgemeinen Hitzetage nehmen zu. Wie der Klimaforscher weiter darstellte, werden trockene Regionen immer trockener und feuchte Gebiete immer feuchter. Ein Effekt, der in Deutschland bisher noch sehr gering ausgeprägt ist. Allgemein geht Lang von mehr Starkregen und Hagel in Europa aus, wobei die Tendenz zu größeren Hagelkörnern zunimmt.

Nach den Ausführungen von Mayer-Bosse wird der Druck auf die Winterungen zunehmen, und Ertragssteigerungen bei den Sommerung werden möglich, allerdings mit einem deutlich erhöhtem Risiko. Weitere Folgen des Klimawandels sind Bodenverluste durch Wind- und Wassererosion. Mehr Wärme bringt längere Mineralisierungsphasen, die zu einem Abbau organischer Substanz und Nährstoffverlusten führen.

Dei Bedeutung des Humuserhalt nimmt zu

Sie rät, die Böden zu bedecken, um zusätzliche Wärmebildung zu vermeiden. Ein ganz wichtiger Punkt sei der Humuserhalt, der nach mehr Strohrotte und Ernteresten verlangt. Der Erhalt oder Aufbau des Humus sei zwar langwieriger, aber sehr wirksam. Humus kann das Wasser speichern, wenn es kommt. Doch um den Humus ist es jetzt schon nicht gut bestellt. Wie Mayer-Bosse darstellte, beträgt der Humusverlust in zehn Jahren 0,21 t/ha.

Voraussetzung für diese Rechnung ist eine gleichbleibende Bewirtschaftung bei gleichbleibenden Temperaturen. Bereits bei 1 Grad Erwärmung, müssten 14 % mehr Erntereste im Boden verbleiben, um den Humus auf gleichem Niveau zu halten. 1,5 Grad mehr würden beim Menschen erhöhte Temperatur bedeuten, darüber wäre es Fieber. Viele Bereiche des Planeten leiden aber bereits unter einer höheren Erwärmung. Dazu zählen nach Angaben von Mayer-Bosse zum Beispiel die Permafrostböden, die Gletscher und Teile der Alpen. Ihr Fazit: „Wir haben Patienten, die schon richtig krank sind.“