Wie geht es am Düngemittelmarkt weiter? Wie entwickeln sich die Preise und woher kommen zukünftig die Düngemittel? Dieser Frage ging ein Seminar des Hans-Eisenmann-Forums der TU München nach. Des Ergebnis: Kommt kein Gas mehr durch die russischen Pipelines und bleiben die Preise so hoch, wird es schwer, überhaupt noch Düngemittel in Europa selbst zu produzieren.
Ein Kenner der Szene ist Dr. Josef Schmidhuber. Der Niederbayer ist Deputy Director, Markets und Trade Division, bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). „Die Preie für Harnstoff haben sich verdreieinhalbfacht über die letzten zwölf Monate hinweg“, erklärte Schmidhuber.
Stickstoffdünger kostet auf dem Weltmarkt im Großhandel um die 900 US-Dollar, im Einzelhandel liegen die Preise bei 1000 US-Dollar. „Ähnlich ist die Lage beim Phosphordünger. Die Preise haben sich verdoppelt. Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass in diesen Düngern Stickstoffdünger drin ist, zum anderen ist es der Tatsache geschuldet, dass Phosphordünger teurer geworden ist“, erklärte der Marktexperte. Auch der Preis für Kalidünger hat sich am Weltmarkt in zwölf Monaten in etwa verdoppelt.
Enorme Marktkonzentration, Kali kaum zu bekommen
Phosphor und Kali sind Bergbauprodukte. Die Marktkonzentration ist bei diesen beiden Segmenten noch stärker als beim Stickstoffdünger. Das belegen die Exportanteile der wichtigsten Länder. Beim Phosphor haben die drei wichtigsten Nationen (Marokko, China und Russland) einen weltweiten Exportanteil von 57 %.
Beim Kalidünger bringen es Kanada, Russland und Belarus auf 66 %. „Das sind enorme Marktkonzentrationen“, so Schmidhuber: „Wenn irgendetwas mal schief geht bei den großen Anbietern, dann schwimmen die Weltmärkte, und das ist genau das, was passiert ist.“ Kali ist zum Beispiel derzeit am Weltmarkt kaum mehr zu bekommen. Ähnliches gilt für den Phosphormarkt.
Beim Stickstoffmarkt ist die Lage etwas anders. „Der Stickstoffmarkt ist im Prinzip ein Energiemarkt“, stellte der Niederbayer klar. Da Energie so gut überall zu finden ist, ist die Konzentration in diesem Teilbereich wesentlich geringer. Die wichtigsten drei Exportländer (Russland, China, Katar) bringen es auf einen Marktanteil von 32 %. „Letztlich sind das auch Länder, die auch Energie exportieren“, erklärte Schmidhuber. Die Ausnahme ist allerdings China, der größte Energie-Importeur der Welt. Das Reich der Mitte importiert Unmengen an Kohle und produziert damit Stickstoffdünger.
Hohe Energiepreise beeinflussen den Markt
Schmidhuber ging auch auf die Frage des Wochenblatts ein, ob die hohen Preise beim Dünger, die bereits vor Kriegsbeginn eingesetzt haben, gerechtfertigt waren: „Ich denke ja. Ganz einfach, weil die Gaspreise hoch waren.“ Der Gaspreis ging im Herbst 2021 durch die Decke. Zu diesem Zeitpunkt war das aber nicht „der böse Herr Putin“.
Laut Schmidhuber ist der Grund auch darin zu finden, dass der Übergang zu den erneuerbaren Energien nicht nahtlos funktioniert.
Der Anteil an Windenergie ist in diesem Zeitraum in Europa drastisch eingebrochen. Gerade in Nordeuropa waren die Windgeschwindigkeiten viel zu niedrig. Stattdessen wurden gasbetriebene Elektrizitätswerke angeschmissen. Und die Nachfrage nach Gas stieg dadurch deutlich.
Russland hat laut Schmidhuber erst später begonnen, weniger Gas zu liefern. „Und als das dann passiert ist, ist der Preis noch mal nach oben gegangen.“ Dasselbe Problem hatte Südamerika: Zu wenig Energie aus Wasserkraft durch fehlende Niederschläge.
Der Faktor China
In China hingegen waren die Niederschläge so üppig, dass die Kohleförderung behindert wurde. Dazu noch ein Streit mit Australien über Kohlelieferungen und das Chaos war auch in China perfekt. Die Düngemittelproduktion wurde herunter gefahren, um die Bevölkerung überhaupt noch mit Strom beliefern zu können.
Selbst die Olympiade in Peking hatte Einfluss auf den Düngermarkt. Kohlebetriebene Düngemittelwerke wurde abgeschaltet, um während der Spiele bessere Luft zu haben.
Die teuren Gaspreise haben dazu geführt, dass es sich nicht mehr gelohnt hat, aus Gas Ammionak herzustellen. Die Preise für Ammionak mussten erst wieder steigen, um die Produktion rentabel zu machen, und um aus Ammionak wieder Dünger zu machen. Mit der jetzigen Stabilisierung der Gaspreise festigen sich auch die Harnstoffpreise wieder.
Auch Amerikaner produzieren am Kapazitätslimit
Schmidhuber zeichnete ein Szenario, wenn Russland die Gasexporte nach Europa einschränkt. Dann wird die europäische Düngemittelproduktion wohl deutlich – möglicherweise auch auf Null – zurückgefahren werden. Wenn man Gas über Pipelines nicht bekommt, wird Gas über andere Transportwege sehr teuer, „während man Düngemittel relativ einfach transportieren kann“, so der Marktexperte.
Anstatt aus dem Gas in Europa Düngemittel zu machen, wird man Laut Schmidhuber „hergehen, und macht aus dem Shell-Gas in den USA Düngemittel und importiert sie hier her.“ Der Haken: „Die Amerikaner produzieren auch schon am Kapazitätslimit.“
Den Markt absaugen
Die Folge wäre, dass Europa wesentlich mehr importiert, als es der FAO recht sein kann. Diese Düngemittel würden auf dem Weltmarkt fehlen und die Folgen wären geringere Ernten. Einfluss auf die Märkte haben nicht nur Exportbeschränkungen, sondern, wie Schmidhuber es nannte, auch „Importsubventionen“.
In Ländern wie Indien legt die Regierung einen Zielpreis fest und subventioniert die Spanne zwischen dem günstigen Inlandspreis im Vergleich zum Weltmarktpreis. Die Folge war, dass Indien eine große Menge an Stickstoffdünger, Kali- und Phosphordünger gekauft hat. Das hat dazu geführt, dass die Düngemittel „bei uns“ teurer geworden sind.
Transportkosten haben sich verdreifacht
Die dritte große Antriebskraft für die hohen Preise sind die hohen Transportkosten. Innerhalb eines Jahres haben sich die Transportkosten für Schüttgut laut Schmidhuber bis Jahresende mehr als verdreifacht. Und „man kann von Glück sagen“, dass sich diese Transportkosten wieder normalisiert haben. Sonst wären die Düngemittelpreise heute noch deutlich höher, als sie eh schon sind.
Produkt- und Inputpreise

Wichtig für die Landwirte und die Nachfrage nach Düngemitteln ist das Verhältnis von Produkt- zu Inputpreisen. Vereinfacht gesagt: Ist der Dünger teuer, und die Getreidepreise schwach, sinkt die Nachfrage nach Dünger. So ist der Stickstoffdüngerpreis im Vergleich zum Weizenpreis (obwohl sehr hoch) eher unattraktiv, um ihn auch einzusetzen.
Das könnte nach denn Worten des FAO-Manns dazu führen, dass beim Weizen Eiweißgehalte fehlen, und mehr in den Futtertrog wandert. „Ganz extrem ist es beim Reis. Und das ist nun wirklich eine Sorge für die Welternährung“, fürchtet Schmidhuber. Im Reisanbau gibt es bei derzeit moderaten Erzeugerpreisen sehr wenig Anreiz, teuren Harnstoff einzusetzen.
Die FAO hat in Ländern, in denen sie tätig ist, schlichtweg das Problem, dass es entweder keinen Dünger gibt, respektive die Preise hoch sind. Generell gilt, dass die Nachfrageelastizität in den Entwicklungsländern wesentlich höher ist, als in den Industrienationen. Während bei uns bei hohen Kosten weiter produziert wird, sinkt die Produktion in ärmeren Ländern, die eigentlich mehr produzieren sollten. „Für die ärmsten Konsumenten ist das ein hartes Brot im Augenblick“, meinte Schmidhuber abschließend. „Solange die Energiepreise hoch bleiben, werden die Lebensmittelpreise hoch bleiben.“