München Sie strecken Plakate in den Himmel, fahren mit den Traktoren auf die Parkplätze von Aldi Süd: Es ist noch nicht lange her, dass Aldi Süd in den Blick der bayerischen Landwirte geraten ist. In ganz Bayern protestierten Bäuerinnen und Bauern gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Lebensmittelpreise. Der damalige BBV-Präsident Walter Heidl brachte seinen Unmut über Aldis Preispolitik in einem Schreiben zum Ausdruck. Sein Vorwurf: Aldi inszeniere sich mit ganzseitigen Werbeanzeigen, während die Bauernfamilien unter Aldis aggressiver Niedrigpreisstrategie leiden würden.
Damals hatte Aldi mit seiner Ankündigung, mehr Tierwohlfleisch verkaufen zu wollen, für Schlagzeilen gesorgt. „Tierwohl ist eine Frage der Haltung“ schrieb der Discounter über seine Anzeigen. Von einer „Doppelmoral“ des Discounters war in der Bauernschaft vielerorts die Rede. Oberbayerns BBV-Bezirkspräsident Ralf Huber wählte im Gespräch mit der „tz“ deutliche Worte: Die Gewinnspanne bei Aldi werde immer höher, „während unsere Betriebe verrecken“.
Aldi Süd kündigt Preisoffensive an
Nun startet der Discounter eine neue Werbeanzeige – die für ein geteiltes Echo sorgt. Die Unternehmensgruppe Aldi Süd spricht von einem „Preishammer“ und einer „Preisoffensive“. Seit Jahresbeginn seien nach Unternehmensangaben mehr als 300 Artikel dauerhaft im Preis gesenkt worden, darunter auch Milch und Butter. Als weiterer Schritt werde nun, wie Aldi weiter schreibt, in allen 2000 Filialen ausgewähltes Obst und Gemüse reduziert. Es handelt sich allerdings nicht um dauerhafte Preissenkungen, räumt eine Sprecherin gegenüber dem „Münchner Merkur“ ein. Die Angebote seien auf eine Woche befristet.
Mehrere Medien berichteten über Aldis Ankündigung, die Preise für Obst und Gemüse zu senken. Wer genauer hinschaut, erkennt aber vor allem eines: Es ist vor allem eine gut platzierte Eigenwerbung des Discounters. Denn auch Konkurrenten reduzieren für ihre Faltblätter bestimmte Produkte vorübergehend im Preis. Im konkreten Fall scheint es bei Aldi nicht anders zu sein. Aldi Süd verweist darauf, dass die Kampagne besonders Obst und Gemüse in den Vordergrund rücken würde.
Ein gutes Marketing für Obst und Gemüse
Florian Wolz spricht von einem guten Marketing für Obst und Gemüse, das durch die Kampagne erzielt werde. Er ist Vorsitzender der Landesvereinigung bayerischer Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse. Auf die Erzeuger wirke sich die „Preisoffensive“ nach seinen Worten nicht negativ aus: „Was Aldi da macht, betrifft uns in erster Linie momentan gar nicht“, sagt Wolz. „Aldi macht es augenscheinlich mit der eigenen Spanne.“ Momentan sei zudem nicht die Zeit zum Nachverhandeln beim Einkaufspreis.
Hört man sich unter bayerischen Obst- und Gemüsebauern um, schwingt aber auch Kritik an Aldi mit. Den eigenen Namen möchten die Produzenten nicht öffentlich im Netz lesen – zu groß ist die Abhängigkeit vom LEH und von Aldi Süd. Ein Erzeuger, der namentlich nicht genannt werden möchte, spricht von einer „Gefahr durch die Hintertüre“. Aldi Süd setze mit seiner Kampagne „den ein oder anderen Wettbewerber unter Druck, da mithalten zu müssen“.
Auch der Bayerische Bauernverband kritisiert die Werbekampagne von Aldi Süd. Es sei ein falsches Signal. Eine Preissenkung bei Obst und Gemüse bedeute für die Erzeuger, dass ihr Anteil noch kleiner ausfällt. Nun werbe Aldi Süd mit reduziertem Obst und Gemüse – auch wenn gerade diese Produkte, verglichen mit anderen Lebensmitteln, die Verlierer der aktuellen Krise seien.
Bauernverband kritisiert Kampagne von Aldi Süd
Obst und Gemüse seien arbeitsintensive Kulturen, erklärt Lisa-Maria Puschak. Sie ist Referentin für Obst- und Gartenbau beim Bayerischen Bauernverband. Es brauche Saisonarbeiter und Erntehelfer, die den Anbau unterstützen. Der deutsche Mindestlohn von 12 Euro je Arbeitsstunde habe demzufolge Auswirkung auf die Erzeugerkosten. „Auch Saatgut und die Instandhaltung der Obstanlagen bzw. Gemüseflächen, sowohl im Freiland als auch Unterglas, sind teuer.“ Die gestiegenen Energiekosten wirken sich, wie Puschak betont, unter anderem stark auf Diesel, Kosten für die Kühlung und Lagerung, die Gewächshäuser und die Bewässerung aus.“
Und der BBV schlägt Alarm: Neben den geplanten Kostensteigerungen, wie der um 25% gestiegene Mindestlohn von 2021 auf Oktober 2022, kam auch die unvorhergesehene Inflation durch den Angriffskrieg in der Ukraine hinzu.
Heimische Erzeuger stehen unter Druck
Bereits im vergangenen Jahr 2022 seien unter anderem Erdbeeren unter den Produktionskosten an den Lebensmitteleinzelhandel verkauft worden. Noch dazu komme, dass die heimischen Erzeuger unter massiven Druck stehen, da in anderen EU-Ländern kostengünstiger produziert wird. So könnte in Zukunft weniger regionales Obst und Gemüse bei den Discountern im Regal liegen.
Im Jahr 2022 protestierten Landwirte vor Filialen des Discounters Aldi Süd:
Und was sagt Aldi zu der Kritik? Das Unternehmen verweist darauf, dass es mit vielen seiner Lieferanten schon seit Jahren vertrauensvoll zusammen würde. Und wie stellt Aldi Süd sicher, dass die Erzeuger fair honoriert werden? Aldi Süd sei „immer an einer fairen Preisfindung interessiert, die vor allem auch die hohen Qualitätsstandards der Landwirtschaft widerspiegelt“, heißt es von der Unternehmenskommunikation. Aldi Süd und Nord würden sich zu fairen Handelspraktiken in ihren Beziehungen zu den Lieferanten bekennen.