Der deutsche Agrarexport ist 2022 in der Menge deutlich zurückgegangen. Das Handelsdefizit wird immer größer. Doch die politische Spitze des Bundeslandwirtschaftsministeriums lässt die Branche im Stich, beklagt die Ernährungsindustrie.
Jahrelang war der Export ein Konjunkturmotor für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft. Das galt besonders für Schweinefleisch und Milchprodukte. Doch im vergangenen Jahr dürften die deutschen Agrarausfuhren inklusive Landtechnik in der Menge um 6,3 Prozent zurückgegangen sein. Das prognostiziert die Exportorganisation German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA) auf Basis von Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die ersten zehn Monate 2022. Das Agrarhandelsdefizit dürfte nach Einschätzung der GEFA weiter anwachsen auf 16 Mrd. Euro.
Die Ursachen sind vielfältig. Sie reichen von Einfuhrbeschränkungen wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) über hohe Produktionskosten bis zu einer Rohstoffverknappung wie etwa bei der Milch. Die drei größten Exportbranchen, das sind die Milch-, die Süßwaren- und die Fleischindustrie, vermissen darum vor allem eines: politische Unterstützung durch die Spitze des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL).
BMEL legt beim Agrarexport die Hände in den Schoß
Nach den Worten von Jan-Bernd Stärk, des stellvertretenden GEFA-Sprechers, organisierte das Bundesministerium unter Führung von Cem Özdemir (Grüne) noch keine einzige Auslandsreise der Hausspitze mit dem Ziel einer Marktöffnung für deutsche Agrarexporte. Es gebe auch keine Information darüber, ob Delegationsreisen mit der Industrie geplant seien, sagte Stärk gegenüber der Presse.
Stattdessen würden die Mittel des BMEL für die Exportförderung – trotz anderslautender Bekundungen – von 3 Mio. auf 2 Mio. Euro gekürzt, keine eigenständigen Marktstudien mehr erstellt und im Ministerium herrsche ein Bearbeitungsstau. Politisch gewollte Produktionseinschränkungen würden den landwirtschaftlichen Gunststandort Deutschland weiter schwächen.
Diese Prioritäten fordert die Agrar- und Ernährungsbranche
Der GEFA zufolge sind die Agrarausfuhren in den ersten zehn Monaten 2022 wertmäßig zwar um 14,3 Prozent auf 98,5 Mrd. Euro gestiegen. Das auf den ersten Blick satte Plus beruht nach Einschätzung der Branchenorganisation jedoch vermutlich allein auf den deutlichen höheren Verkaufspreisen durch die überdurchschnittlich hohe Inflation bei Lebensmitteln.
Die Industrie hat daher drei Kernforderungen an die Politik: Das BMEL soll Marktöffnungsverfahren politisch Priorität einräumen. Statt nationaler Einzellösungen sollten dringend Anstrengungen unternommen werden, nachhaltige Produktionsverfahren im Welthandel zu stärken. Instrumente der Exportförderung sollten beibehalten werden.
Keine Bewegung beim Schweinefleischexport nach China
Kurzfristig sind die Aussichten für die Exportwirtschaft allerdings keineswegs besser. Nach den Worten von Steffen Reiter, Geschäftsführer von German Meat, haben seit dem Regierungswechsel in Berlin mit China keine politischen Gespräche auf höchster Ebene stattgefunden, um die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch in die Volksrepublik wieder zu ermöglichen. „Wenn es gut laufen würde“, sei eventuell bis zum Jahresende eine Einigung möglich, aber das sei gegenwärtig nicht absehbar, sagte Reiter.
Die Wirtschaftsvertreter wünschen sich, dass die Bundesregierung vor allem in China, Japan und anderen asiatischen Ländern sowie in Nordafrika politische Gespräche führt, um den Marktzugang für deutsche Agrarprodukte zu verbessern.