Mit ihrer Einschätzung zum neuen forstlichen Gutachten hat Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) der Opposition im Landtag gleich den Wind aus den Segeln genommen. „Wir können nicht zufrieden sein“, sagte sie bei der Vorstellung des Gutachtens im Landtag. Alle drei Jahre wird das Gutachten erstellt, das die Grundlage für die Abschussplanung bildet. Und es zeigt: Bayerns Wälder leiden vielerorts noch unter zu starkem Wildverbiss.
Nur die Hälfte der Hegegemeinschaften als grün eingestuft
Nur die Hälfte der 750 bayerischen Hegegemeinschaften wird als grün eingestuft, wo das Gutachten die Verbisssituation als „tragbar“ (47 %) oder „günstig“ (3 %) einordnet. Der Anteil roter Hegegemeinschaften mit nicht tragbarer Verbisssituation liegt ebenfalls bei 50 Prozent. Eine zu hohe Verbissbelastung weisen 47 Prozent der Hegegemeinschaften auf, in drei Prozent ist sie deutlich zu hoch. „Da muss eindeutig mehr getan werden“, sagte die Ministerin. 23 Prozent der Hegegemeinschaften seien seit fünf Inventuren dauerhaft rot, da brauche es dringend Fortschritte. Kaniber appellierte eindringlich an Grundbesitzer und Jäger, in den betroffenen Regionen gemeinsam und mit Nachdruck für waldverträgliche Wildbestände zu sorgen: „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, der Klimawandel sitzt uns im Nacken.“ Das heißt für die Abschussempfehlung (siehe Karte): Nur die Hälfte der Hegegemeinschaften kann ihre Abschusshöhe auf bisherigem Niveau beibehalten. Für 46 Prozent lautet die Abschussempfehlung „erhöhen“ und für weitere vier Prozent „deutlich erhöhen“.
Teures Rehfutter, das da ausgebracht wird
Der Forstexperte der Landtags-Grünen, Hans Urban, lobte die Erhebung der Daten als „weltweit beachtetes Vegetationsgutachten, das seinesgleichen sucht“. Um in roten Hegegemeinschaften die Situation zu verbessern, seien besonders die revierweisen Aussagen hilfreich. Kritisch sieht er die Verschlechterung im Staatswald bei Buche, Eiche und Tanne: „Wenn wir da sechs Millionen Bäume und dreißig Millionen Euro reinbringen, dann fressen das die Tiere“, sagte er. Das sei „teures Rehfutter, das da ausgebracht wird“. Er forderte, die Anstrengungen im Staatswald zu verstärken. Ziel müsse der Waldumbau ohne Pflanzungen sein.
Die Aschaffenburger SPD-Abgeordnete Martina Fehlner richtete den Blick auf die „Hotspots mit Trockenheit und Borkenkäferbefall“. „Hier müssen wir mehr tun“, sagte sie. Es brauche eine ehrliche Diskussionsgrundlage für die weitere Abschussplanung, um gemeinsam vor Ort Lösungen zu finden.
Nikolaus Kraus (Freie Wähler) sieht die Lage insgesamt kritisch: „Wenn ich höre, dass sich der Waldzustand seit 15 Jahren deutlich verbessert, möchte ich nicht wissen, wie das vorher ausgeschaut hat“, erklärte er. Die Hälfte der Hegegemeinschaften sei rot, 23 Prozent dauerhaft schlecht – das seien Brennpunkte, „um die man sich massiv kümmern muss“.
Erschreckend hohe Zahlen
Das sehen auch die Waldbesitzer so: Der Anteil der Hegegemeinschaften mit dauerhaft hoher Verbissbelastung sei erschreckend hoch. „Hier können nicht nur die künftigen Bäume nicht wachsen und die Wälder werden dauerhaft entmischt, sondern es werden letztlich gesetzeswidrige Zustände toleriert“, erklärte der Vize-Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes, Götz Freiherr von Rotenhan. Er appelliert an die Beteiligten vor Ort sowie die Landräte, Jagdbeiräte und unteren Jagdbehörden, in diesen dauerhaft roten Hegegemeinschaften Rahmenbedingungen zu schaffen und sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass die Situation nachhaltig verbessert wird.