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Blick nach Waldkappel in Hessen

Der Wolf geht um: Waldkindergarten wird bis auf weiteres geschlossen

Waldkindergarten-Wolf-Bedrohung-Hessen
Josef Berchtold
Josef Berchtold
am Freitag, 17.02.2023 - 12:51

Auch die Waldspaziergänge der Kinder werden nach zahlreichen Wolfssichtungen gestrichen. Die Verantwortlichen sprechen von einem momentan nicht vertretbaren Risiko.

Waldkindergärten sind sehr beliebt. Hier lernen die Kinder viel über die Natur und ihre Heimat und können sich an der frischen Luft austoben. In der Stadt Waldkappel in Hessen ist damit vorerst Schluss. Nach zahlreichen Wolfssichtungen in der Region und einer zunehmenden Zahl an Wolfsrissen werden die Waldstationen der städtischen Kindergärten „Rappelkiste“ und „Pusteblume“ auf unbestimmte Zeit nicht mehr besucht.

Wegen Wolf: Kindergarten meidet den Wald

Ein bis zweimal pro Woche durften die Kleinen bisher in den Waldkindergarten, und es sind herrliche Plätze zum austoben. Bei der „Pusteblume“ etwa gibt es einen beheizbaren Bauwagen sowie kleine Hütten für die Kinder. Jetzt will man bis auf weiteres auf die beliebten Waldtage verzichten und auch Waldspaziergänge mit den Kindern sollen vorerst nicht mehr stattfinden, wie Waldkappels Bürgermeister Frank Koch dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt bestätigt. Der Kindergartenbetrieb selbst wird in unveränderter Form in den Hauptgebäuden in der Stadt Waldkappel und im Ortsteil Bischhausen aufrecht erhalten. Die naturnahen Aktivitäten möchte man auf außerhalb des Waldes verlegen.

Wolfsrisse nahe dem Wohngebiet

Die Verantwortlichen sind sich einig: Der Besuch der Waldstationen der Kindergärten sowie Waldspaziergänge seien nach den vermehrten Wolfssichtungen momentan ein „nicht vertretbares Risiko“. Das hatte Bürgermeister Koch gegenüber der Werra-Rundschau berichtet und im Gespräch mit dem Wochenblatt bestätigt. Beschlossen wurde dieser Schritt bei einem Krisentreffen der Stadt mit den beiden Kitaleitungen, mit Fachkundigen sowie betroffenen Eltern. Die Entscheidung fiel einstimmig.

„Die Wolfssichtungen haben in den letzten zwei Jahren stark zugenommen und jetzt sind zwei Rudel in der Region“, erklärt der Bürgermeister gegenüber dem Wochenblatt. Erst kürzlich gab es keine 50 Meter von einem Wohngebiet entfernt einen Wolfsriss.

Massive Einschränkung für die Bevölkerung

Nicht nur in den Kindergärten ist man nach den zahlreichen Wolfssichtungen verunsichert. „Auch ältere Bürger, die häufig alleine Spaziergänge im Wald machen, spüren ein Unbehagen“, berichtet der Bürgermeister. Immer mehr Menschen seien mit Sorgen und Ängsten unterwegs, und das nehme man sehr ernst.

Während die Weidetierhalter dem Wolf von Anfang an skeptisch gegenüberstanden, habe es bei der städtischen Bevölkerung Anfangs oft Zustimmung gegeben. „Als vor gut drei Jahren die ersten Wölfe gesichtet wurden, sagten viele, wie schön es ist, dass der Wolf wieder da ist“, berichtet Koch. Heute spüren auch die naturverbundenen Städter immer mehr Einschränkungen. „Wir konnten als Kinder völlig unbeschwert im Wald spielen“, erinnert sich Koch (55). Bis vor kurzem noch hatte kaum jemand Bedenken, wenn ein paar Kinder zum Spielen in den Wald gingen.

Mit der Unbeschwertheit ist es vorbei

Mit dieser Unbeschwertheit sei es jetzt vorbei und man müsse lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Es sei aber auch die Zeit gekommen, sich bedacht und professionell mit der Entnahme von Wölfen zu beschäftigen. Das allerdings müsse von der „großen Politik“ geregelt werden. Sein Appell in Richtung Wiesbaden: „Alle Parteien sollten sich für die Prüfung einer möglichen Aufnahme des Wolfes ins Jagdgesetz einsetzen!“

Waldkappel liegt gut 40 Kilometer südöstlich von Kassel und ist die Nachbarstadt von Sontra, wo es zuletzt ebenfalls zahlreiche Wolfssichtungen und vermehrt Risse gab. Auch im Ortsteil Hornel plagen die Menschen große Sorgen wegen dem Wolf. Auch eine spektakuläre Rettung einer hochträchtigen Kuh vor einem Rudel Wölfe war schon nötig. 

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