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Pferdehaltung

Weißdorn und Spaziergänge

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Mag. Caroline RezabekTierärztin
am Mittwoch, 26.02.2020 - 13:44

Alte Pferde haben höhere Ansprüche in ihrer Versorgung. Dann bleiben sie entsprechend fit. Wann ein Pferd als „alt“ zu bezeichnen ist hängt von der Rasse und Nutzung ab, ähnlich dem Kilometerstand und Pflegezustand eines Autos.

Auf einen Blick

  • Viele alte Pferde haben höhere Ansprüche an die Versorgung als junge.
  • Bei Pferden über 20 Jahren kann es durch starke Abnützung der Zähne dazu kommen, dass Raufutter nicht mehr genug gemahlen werden kann. Meistens ist die Zufütterung von eingeweichten Heucobs notwendig.
  • Um die Muskelmasse zu erhalten ist die Versorgung mit Aminosäuren und anderen Nährstoffen sehr wichtig.
  • Orthopädische Probleme bereiten oft Schmerzen beim Aufstehen, wodurch sich manche Pferde kaum noch hinlegen.
  • Das hormonell bedingte Cushing-Syndrom ist eine häufige Erkrankung alter Pferde. Durch eine lebenslange Medikamentengabe können sie aber regelrecht wieder aufblühen.
  • Aus medizinischer Sicht empfiehlt sich eine Blutuntersuchung, um die Leber- und Nierenwerte zu überprüfen, sowie ein gutes Management der Entwurmung.

Wetterwechsel reichen aus

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Wetterwechsel können dem Kreislauf alter Pferde zu schaffen machen und sich in Abgeschlagenheit und leichten Koliken äußern. Anregende Zusatzfuttermittel wie Weißdornextrakt sowie leichte Spaziergänge und kaltes Abspritzen der Beine kann die Senioren unten den Pferden sozusagen auf Trab bringen. Im Frühjahr, aber auch in warmen Herbstmonaten kann der Fellwechsel durch eine (Teil-)Schur erleichtert werden und in kalten und regnerischen Wintermonaten können alte Pferde von einer leicht gefütterten Regendecke auf der Weide profitieren. Aus medizinischer Sicht empfiehlt sich bei alten mageren Pferden auch eine Blutuntersuchung um die Leber- und Nierenwerte zu überprüfen sowie ein gutes Management der Entwurmung.

Wichtig ist der Blick auf die Ernährung. Bei Pferden über 20 Jahren kann es durch starke Abnützung der Zähne dazu kommen, dass das Heu nicht mehr genügend gemahlen werden kann, was sich oft durch ein starkes Einspeicheln und lange Fasern im Kot bemerkbar macht. Das sogenannte Wickelkauen deutet meist auf schwerwiegende Probleme oder auf schmerzende Zähne hin. Wird die Fütterung dem Zustand der Zähne angepasst, muss ein altes Pferd keineswegs mager sein.

Aminosäuren für die Muskelmasse füttern

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Meistens ist eine Zufütterung von eingeweichten Heucobs, insbesondere in den Wintermonaten, notwendig (Richtwert: trocken abgewogen 1–1,5 kg Heucobs pro 100 kg Soll-Gewicht des Pferdes, auf mehrere Portionen am Tag verteilt). Werden Heucobs nur ungern gefressen, kann ein Wechsel der Marke helfen oder ein Teil mit eingeweichten Rübenschnitzeln (max. 1/3) ersetzt werden. Kann das Heu noch gekaut werden, darf die Beschaffenheit des Heus für Pferde mit Zahnproblemen nicht zu grob sein. Hier kann auf ein weicheres Heu (auch 2. Schnitt möglich) ausgewichen werden.

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Auch Äpfel und Karotten können Probleme beim Kauen bereiten. Diese stellen, auch kleingeschnitten, eine große Gefahr für Schlundverstopfungen dar, und sollten nur gerieben oder gar nicht mehr verfüttert werden (Wochenblatt 5/2020). Als Kraftfutter eignet sich gequetschter Hafer am besten.
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Um vorhandene Muskelmasse zu erhalten, ist die Versorgung mit Aminosäuren und anderen Nährstoffen, sehr wichtig. Neben speziellen Zusatzfuttermitteln für den Muskelaufbau kann dazu Sojaextraktionsschrot oder Luzerne gefüttert werden. Luzerne sollte nur in Form von eingeweichten Cobs vorgelegt werden, da Luzernehäcksel die Magenschleimhaut schädigen können. Ebenso profitieren alte Pferde von etwas Pflanzenöl (z. B. Leinöl).

Zum Fressen und Hinlegen von der Herde trennen

Arthrosen im Bereich der Halswirbelsäule können das Fressen vom Boden aus und auch das Grasen, schmerzhaft machen. Hier kann ein großmaschiges, sehr locker gefülltes Heunetz oder eine Krippe Erleichterung bringen. Engmaschige Heunetze sind auch im Alter nur bei Übergewicht zu empfehlen. Pferde mit schmerzhaften Schneidezahnerkrankungen wie Eotrh (Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis) können Probleme mit Heunetzen haben.
Orthopädische Probleme bereiten oft Schmerzen beim Aufstehen, wodurch sich manche Pferde kaum noch hinlegen. Dies kann zur „Pseudo-Narkolepsie“ führen. Das ist ein sekundenschlaf-ähnlicher Zustand aus Übermüdung mit Niederfallen während des Dösens. Nicht immer werden die Pferde direkt dabei beobachtet. Sehr oft fallen zuerst die wiederkehrenden Wunden an Fessel- oder Karpalgelenken auf. Insbesondere dann muss auf eine dicke Einstreu und rutschfesten Boden geachtet werden. Im Offenstall gehaltene alte Pferde müssen gegebenfalls nachts separiert werden, um Ruhe und Zeit zum Fressen und Hinlegen zu haben. Unter Umständen sollte an eine komplette Haltungsänderung gedacht werden.
Ähnlich wie beim Menschen verändert sich auch die Immunabwehr und das Bindegewebe. Das kann wiederum zu Reflux, Entleerungsstörungen des Magens, chronische Verstopfungen und weniger Darmbewegung durch eine verringerte Arbeitsleistung der Darmmuskulatur führen. Auch Änderungen der bakteriellen Zusammensetzung im Magen-Darm-Trakt treten auf.
Das hormonell bedingte Cushing-Syndrom ist eine häufige Erkrankung alter Pferde. Es führt zu einer erhöhter Infektneigung, schlechter Wundheilung, Abnahme der Muskelmasse, Problemen beim Fellwechsel und Hufrehe. Durch einen speziellen Bluttest kann der Verdacht bestätigt werden. Durch eine lebenslange Medikamentengabe können betroffene Pferde regelrecht aufblühen.