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Fohlen

Waisen-Fohlen: Warum die Aufzucht so schwierig ist

Frau Vogel und ihre Waisenfohlen: Viele Jahre begeisterte Brigitte Forstner mit ihrer besonderen Stute im Netz. 38 Waisenfohlen zog sie groß.
Lara Sophie Richter
LaraSophie Richter
am Donnerstag, 09.03.2023 - 11:58

Brigitte Forstner hat 38 Waisenfohlen das Leben gerettet. Alle halbe Stunde hat sie Tag und Nacht im Stall gestanden. Fehler in der Aufzucht können schnell zum Tod der jungen Pferde führen.

Landkreis Rosenheim - Wenn Brigitte Forstner ein neues Fohlen aufgenommen hatte, war an Schlaf nicht mehr zu denken: Jeder halbe Stunde muss sie raus – Flasche geben. Ihre ganz besondere Stute Frau Vogel hat es möglich gemacht. 38 Fohlen zog sie groß, teilweise mehrere gleichzeitig. Warum die Waisenaufzucht so kompliziert ist und was es zu beachten gibt erzählt Brigitte Forstner im Interview:

Können Sie sich noch an Ihr aller erstes Waisenfohlen erinnern?

Damals, das war zufällig von einer Freundin. Die Stute ist bei der Geburt verstorben. Da habe ich zu Ihr gesagt, sie kann es bringen denn ich hatte zu der Zeit selber einen Absetzter.

Das heißt, Ihre Stute hatte zu dem Zeitpunkt selbst ein Fohlen?

Ja den Absetzer. Und die Frau Vogle war sehr sehr sozial. Und dann habe ich gesagt, wir könne das Fohlen der Frau Vogel zuführen. Die nimmt das bestimmt an. Und genau so war es auch. Zur damaligen Zeit war das alles sehr neu. Waisenfohlenaufzucht in dem Rahmen gab es so gar nicht.

Und dann haben Sie das Fohlen der Frau Vogel einfach gegeben. Ist das immer so einfach?

Nein, man muss extrem drauf achten – ich behaupte von 100 Stuten ist es eine, die ein fremdes Fohlen annimmt. Das geht nur mit extrem sozialen Stuten. Die selbst schon Fohlen gehabt haben, und die andere Fohlen mittrinken lassen würden. Und das tut nicht jede Stute.

Das heißt, dass nicht jede Stute die verfohlt, auch als Ammenstute geeignet ist.

Nein, das ist ein absoluter Trugschluss, dass dies immer funktioniert. Das ist viel zu menschlich gedacht. Die Stuten habeb auch ihren eigenen Willen, das sind ja eigenständige Lebewesen.

Wenn es dann funktioniert, gibt die Stute doch aber nicht automatisch die ganze Zeit über Milch ...

Nicht unbedingt, ich musste zufüttern, also Flasche geben. Damals war das alles noch nicht so präsent. Mittlerweile kann man Stuten mit Oxytozin anspritzen, damit sie wieder Milch produziert. Das funktioniert auch meistens, allerdings auch nicht immer. Man muss dazu auch sagen, die Nebenwirkungen hier noch nicht richtig erforscht.

Waisenfohlen

Wenn Sie komplett zufüttern mussten, war das aber schon ein 24 Stunden Job, oder?

Ja, die ersten drei Monate sind tatsächlich ziemlich heftig. Weil am Anfang muss man die Fohlen alle halbe Stunde bis Stunde füttern. Auch Nachts.

Das heißt, die ersten Tage sind Sie eigentlich nur im Stall...

Ja. Und die ersten 10 Tage sind immer am Spannesten. Nach denen kann man, je nachdem wie das Fohlen beieinander ist, auf zwei Stunden ausdehnen. Ich rede dabei jetzt vor allem von Warmblutfohlen. Wenn das Fohlen natürlich krank oder schwach ist geht das nicht, dann muss man weiter alle halbe Stunde raus.

Das ist dann aber schon eine richtige Mamutaufgabe. Was war da Ihre Motivation das so lange Zeit zu machen? Denn das waren ja auch alles fremde Fohlen und nicht Ihre Eigenen.

Ja das waren alles fremde Fohlen die mir gebracht wurden. Ich denke weil ich es kann. Und mit jedem Fohlen wächst die Erfahrung. Ich habe ja insgesamt 38 Waisenfohlen aufgenommen.

38? Das ist wirklich viel. Und als Frau Vogel dann verstorben ist, wollten Sie nicht mehr weitermachen?

Ich hatte danach noch zwei Pferde. Aber die Kosten sind einfach zu hoch und die Menschen verstehen nicht, was das für ein Aufwand ist. Man hört das immer wieder, dass Waisen verhungern. Weil die Besitzer meinen sie stellen sie zu einer Stute die Milch hat und das wars. Aber so einfach ist das nicht.

Das heißt die Besitzer wollten nicht bezahlen für die Aufzucht?

Genau, das ging dann irgendwann zu weit ins private rein. Man muss heute davon ausgehen ein Waisenfohlen die ersten drei Monate kostet mit allem, also nur Kosten fürs Fohlen nicht die Arbeit, 700 bis 800 Euro.

Und wie setzen sich die 800 Euro zusammen?

Man braucht natürlich die Milch und einen Lämmernuckel. Dann braucht man sehr gutes Mineralfutter, Vitamin B Komplex – das ist ganz wichtig. Und wenn die anfangen Kraftfutter zu fressen brauchen die von allem mehr. Ein Waisenfohlen ist komplett anders als ein normales Fohlen, das muss einem bewusst sein. Waisen brauchen quasi von allem mehr.

Bei Kälbern ist die erste Milch von der Mutter die wichtigste für Entwicklung und Immunsystem. Ist das bei Pferden auch so? Sind die Waisen deswegen so anfällig?

Ja genau. Waisen müssen zum Beispiel auch öfters entwurmt werden. Wenn ich ein Waisenfohlen bekomme, lasse ich auch zuerst immer ein Bild von Tierarzt machen. Das ich weiß wie viel Kolostrum die bekommen haben.

Gibt es denn unter den vielen Fohlen eines, was Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja ich habe ja sogar zwei behalten. Den Findus, der wurde mit damals geschenkt und den kleinen Nepomuk.

Den Findus habe ich schon auf Ihrer Facebook Seite gesehen.

Genau das ist er. Der Nepomuk hat jetzt 75 cm. Bekommen habe ich ihn mit 7 kg und 20 cm. Fast unmöglich in durchzukriegen, aber wir haben es geschafft. Er hat vier Monate im Haus gelebt.

Gab es denn mal ein Fohlen, was es nicht geschafft hat?

Nein, nur eins, aber das war schon sehr krank als es zu uns kam. Die Klinik hatte bereits Niereninsuffizienz festgestellt, aber die Tierschützer hattes es uns trotzdem gebracht. Wir haben ihn das erlöst.

Mal ganz allgemein: Was tut man denn als Besitzer, wenn die Mutterstute bei der Geburt stirbt? Haben Sie da Tipps aus Ihrer Arbeit?

Ich mache nach wie vor die Waisenaufzucht per Telefon. Gebe Tipps und leite an. Milch muss da sein, ein Lämmernuckel muss da sein und dann machen wir einen Videoanruf oder ähnliches. Dann sage ich ihnen genau, was sie machen müssen. Auch bei der Zusammenführung von Stute und Fohlen. Bei manchen Stuten sieht man sofort, dass das nicht funktioniert.

Gibt es denn einen Zeitraum, den man Stute und Fohlen einräumt, um sich kennenzulernen? 

Zwei Tage würde ich sagen. Länger nicht. Wenn die Stute nicht will bringt es meiner Erfahrung nach auch nichts. Wenn die Stute aggressives Verhalten beim Zusammenführen zeigt dann sofot Finger weg. Da hilft auch kein Anspritzen mit Oxytozin.

Wenn die Fohlenaufzucht so teuer und zeitintensiv ist gibt es wahrscheinlich nicht viele die das in dem Ausmaß machen.

Viele machen eins und dann nie wieder. Das ist einfach enorm viel Arbeit. Und wichtig ist auch, dass das nur von Fachleuten gemacht wird. Nicht jeder kann einfach ein Fohlen aufziehen. Man braucht einfach extrem viel Fachwissen.

Auch wenn Sie keine Waisenfohlen mehr aufziehen. So ganz ohne geht´s doch nicht?

Letztes Jahr hatte ich zwei Rehkitze deren Mutter bei einem Unfall gestorben war. Das ist genau so viel Arbeit wie die Fohlen. Ich habe sie aber auch etwas verwöhnt. Also ja, die Waisenaufzucht ist mir geblieben und bis jetzt habe ich jedes Tier durchgebracht.

Ganz lieben Dank für Ihre Zeit und das nette Gespräch. Und weiter viel Erfolg mit ihren Schützlingen.