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Kombinationshaltung

Im Sommer Alm – im Winter Stall

Ein Ende der Kombinationshaltung würde für die Bewirtschaftung des Berggebietes mit den Almen große Veränderungen mit sich bringen.
Christian Moser
am Montag, 20.02.2023 - 11:12

Rinder haben auch in der Kombinationshaltung ein gutes Leben. Dies ist das Ergebnis der sogenannten „Tierwohlstudie“. Für den Erhalt der Bergbauernbetriebe und der bewirtschafteten Almen gibt es keine Alternative dazu.

Innsbruck Seit einigen Jahren ist Tierwohl ein großes gesellschaftliches Thema. Damit wurde ein Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel entfacht mit immer steigenden Anforderungen für die Produzenten. In Deutschland ist diese Diskussion sehr weit fortgeschritten. Die Halteform wird als großer Verkaufsschlager angepriesen. Aufgrund der großen Marktabhängigkeit Österreichs – jeder 4. Liter Milch wird auf dem deutschen Markt abgesetzt – hat diese Entwicklung auch für Österreich Auswirkungen und bringt eine große Dynamik für die im Berggebiet vorherrschende Kombinationshaltung.

75 % der Bergbetriebe mit Kombinationshaltung

Für die Bauernfamilien bedeutet dies eine immer größer werdende Herausforderung für die Zukunftsperspektive ihrer Betriebe. Für viele Bäuerinnen und Bauern ist der Wunsch nach dem besten Tierwohl selbstverständlich. Sie sind auch überzeugt, dass sie ihre Tiere sehr gut, mit Achtung und Respekt, behandeln.

Erfolgreiches Team: Sandro Gstrein (M.) hat die Tierwohlstudie erstellt, Prof. Eva Zeiler und Christian Moser unterstützten ihn.

2019 führte Sandro Gstrein in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer und der Rinderzucht Tirol im Rahmen seiner Masterarbeit die über die Grenzen vielbeachtete „Tierwohlstudie“ über die Perspektiven der Kuhhaltung im Berggebiet in Tirol unter den Aspekten Tierwohl und Haltungsform durch. Die Arbeit wurde wissenschaftlich von Prof. Eva Zeiler und Paula Heine MSc begleitet. Für die Projektbetreuung vor Ort war Christian Moser zuständig.

Fast 1800 Bauern nahmen an der Studie teil. Dabei kam klar heraus, dass ein Ende der Kombinationshaltung einen großen Einfluss auf die Perspektiven der Kuhhaltung in Tirol hätte. Aus damaliger Sicht würden in 15 Jahren noch 90 % der Betriebe bestehen, wenn sie die Kühe weiterhin in Kombinationshaltung halten könnten. Würde die Kombinationshaltung verboten bzw. in 15 Jahren nicht mehr möglich sein, so werden laut Studie fast 85 % der Betriebe mit Kombinationshaltung die Kuhhaltung bzw. den Betrieb aufgeben.

Das Rückgrat des Berggebietes

Unter Berücksichtigung des Studienergebnisses, dass 70 % der gealpten Kühe aus der Kombinationshaltung stammen, würde dies für die Almbewirtschaftung sehr große Veränderungen mit sich bringen. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Kombinationshaltung für das Berggebiet mit den Almen unverzichtbar ist. Bei der Frage der Weiterführung der Betriebe konnte bei der Kuhzahl kein Unterschied festgestellt werden. Betriebe mit bäuerlicher Vermietung betreiben ihren Betrieb eher weiter.

70 % der Almkühe stehen in der Kombinationshaltung.

Laut Studie halten 75 % der Betriebe ihre Kühe in Kombinationshaltung, rund 25 % im Laufstall. Eine Verschiebung ergibt sich bei der Zahl der gehaltenen Kühe mit 60 bzw. 40 %. Durchschnittlich halten die Laufstallbetriebe doppelt so viele Kühe wie Betriebe mit Kombinationshaltung.

Hohe Akzeptanz und Zufriedenheit

Für die Bäuerinnen und Bauern ist in beiden Haltungsformen die Mensch-Tier-Beziehung das wichtigste Tierwohl-Kriterium. In der Kombinationshaltung ist neben der Mensch-Tier-Beziehung (12,8 %) auch die Alpung (13,4 %) von großer Wichtigkeit. Im Laufstall gab es keine klare Gewichtung der Aspekte. Hier stehen ohne große Differenz die Mensch-Tierbeziehung (10,7 %), das Stallklima (9,6 %), die Tiergesundheit (8,7 %), ausreichend Platz (8,4 %), die Wasserversorgung (8 %) und Alpung (7,8 %) im Vordergrund.

Die grundsätzliche Akzeptanz der Bevölkerung für ihre Haltungsform wurde in sehr hohem Maße von den Bauern als sehr gut bis gut eingestuft. Gleich verhält es sich mit der Zufriedenheit der Bauern über das eigene Haltesystem, welches ebenfalls mit großer Mehrheit als sehr gut bis gut beurteilt wurde. Fast alle Laufstallbetriebe (98 %) sind damit sehr zufrieden bis zufrieden. In der Kombinationshaltung sind dies 85 % der Betriebe. Interessant ist, dass Bauern bei einer Umstellung von der Kombinationshaltung auf Laufstall größere Akzeptanzprobleme befürchten. Jene, die derzeit schon einen Laufstall haben, sehen jedoch keine Akzeptanzprobleme.

Für Kleinbetriebe oft alternativlos

Auf die Frage, warum die Bauern die Kombinationshaltung beibehalten wollen, nannten sie folgende Hauptgründe: finanzielle Aspekte (24 %), Betriebsgröße (23,5 %) und Mensch-Tier-Beziehung (21,4 %). Die Mensch-Tier-Beziehung (27,5 %) ist aus Sicht der Bauern auch der größte Vorteil der Kombinationshaltung. Weitere Vorteile sind der abbezahlte Stall (17,9 %) und die bessere Tierbeobachtung (17,4 %). Für knapp 90 % der Betriebe würde ein Um- bzw. Neubau des Stalls die finanziellen Möglichkeiten übersteigen.

So braucht es für die Betriebe in der Kombinationshaltung eine Zukunftsgarantie verbunden mit einem fairen und nachhaltigen Preis für ihre Produkte. Es ist außerdem ein anderer Zugang zur Tierwohldiskussion nötig. Nur so wird die gewohnte Bewirtschaftung unseres Berggebietes mit den Almen weiter ermöglicht. Tierwohl kann nicht nur auf die Halteform reduziert werden. Hier spielen auch andere Faktoren wie Mensch-Tier-Beziehung, Betriebsgröße, Versorgung, Pflege, Tierbeobachtung, Weide, Alpung, etc. eine wichtige Rolle.