Im Körper eines älter werdenden Pferdes überwiegen die Abbauprozesse, und „Reparaturen“ dauern länger. Ein älteres Pferd braucht länger für den Muskelaufbau als ein Dreijähriger. Die Entgiftungsorgane Leber und Niere haben viele Jahre lang gute Dienste geleistet, auch ihre Effizienz lässt nach. Viele alte Pferde leiden unter einem schwachen Herzen, ihnen machen ein Wetterumschwung oder Hitze mehr zu schaffen. Und auch Gelenkprobleme wie Arthrose nehmen zu. Die gute Nachricht: Den Alterungsprozess des Pferdes kann man zwar nicht stoppen, aber mit der richtigen Fütterung verlangsamen.
Dabei gibt es natürlich starke individuelle Unterschiede: Während einige Pferde durch weniger körperliche Arbeit auch einen geringeren Energiebedarf haben oder aufgrund von genetischen Veranlagungen eher zu Fettleibigkeit neigen, zeigen andere einen deutlichen Gewichtsverlust bis hin zu Abmagerung. Ein universelles Seniorenfutter, das für jedes alte Pferd passt, gibt es also nicht.
Was aber fast allen älteren Pferden gemein ist: Ihr Bedarf an qualitativ hochwertigen Nährstoffen wie Aminosäuren, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen steigt an. „Dazu gibt es zwar kaum belastbaren Studien“, sagt Tierärztin Dr. Julia Mack. „Trotzdem kann man davon ausgehen, dass, selbst wenn Energieverbrauch und -bedarf im Alter absinken, der Bedarf der übrigen Nährstoffe das definitiv nicht tut – oder sogar ansteigt.“
Ein Blutbild kann Überblick verschaffen
Deshalb sollte man regelmäßig ein Blutbild machen lassen. „Für viele Nährstoffe ist ein Blutbild leider nicht besonders aussagekräftig, da ist eine Rationsüberprüfung oft hilfreicher. Dennoch gibt es bei vielen Nährstoffen zumindest einen Überblick über extreme Über- oder Unterversorgung“, erklärt die Tierärztin. „Ein Blutbild ist auch wichtig, um die Funktion von Leber und Niere überprüfen zu können, da eine verminderte Funktion dieser Organe auch Einfluss auf die Fütterungsstrategie hat.“
Vor allem erhöhte Gaben von Zink und Selen sowie der Vitamine A und E werden für Senioren empfohlen. Aber auch hier ist die Studienlage eher dürftig. Wichtig ist vor allem eine ausgewogene Fütterung, die hinsichtlich der Nährstoffe bedarfsdeckend ist. Einzelne Spurenelemente überzusupplementieren kann unter Umständen eher schaden als nützen, zumal diese sich teilweise gegenseitig in der Aufnahme beeinflussen. Bei Selen muss man genau hinsehen, wie viel in den einzelnen Futterkomponenten enthalten ist, um nicht in einen toxischen Bereich zu kommen. Und gerade für Zink gibt es Hinweise, dass eine Überdosierung unter Umständen sogar schädlich für die Immunfunktion sein könnte, was man gerade beim älteren Pferd eher vermeiden möchte.
Blick auf die gesamte Futterration
„Eine gute Grundlage ist ein auf Senioren abgestimmtes Mineralfutter. Zusammen mit genug Heu – 1,5 bis 2 kg pro 100 kg Körpermasse – und Kraftfutter nach Bedarf haben Sie so eine gute Futterbasis“, meint Mack. Apropos Kraftfutter: „Bei Senior-Müslis sind oft schon Mineralstoffe und Vitamine zugesetzt. Das ersetzt je nach Menge möglicherweise ein zusätzliches Mineralfutter, sonst gerät das Nährstoffverhältnis aus den Fugen.“ Es ist also wichtig, immer die gesamte Futterration im Auge zu haben, am besten zusammen mit einem Tierarzt oder Fachberater.
Baut das alte Pferd Muskelmasse ab, braucht es 10 bis 20 % mehr Eiweiß. Gute Eiweißquellen sind Sojaschrot, Leinsamen oder Luzernegrünmehl. Allerdings ist Alter nicht zwingend an Muskelabbau geknüpft: Wird ein Senior noch gearbeitet und ist ausreichend mit Aminosäuren versorgt, kann er so gut bemuskelt sein wie ein jüngeres Tier.
Zu dick? Unbedingt abspecken!
Dicke Senioren sollten unbedingt abspecken, wenn ihre Besitzer keine Hufrehe heraufbeschwören wollen. Kann sich das Pferd noch lahmfrei bewegen, sollte es das unbedingt ausgiebig tun. „Der Knackpunkt für einen Diät-Erfolg ist die angepasste Fütterung“, sagt Mack. „Das heißt vor allem: leichtlösliche Kohlenhydrate vom Speiseplan streichen, denn sie können zur Entgleisung des Stoffwechsels führen und damit das Equine Metabolische Syndrom (EMS) verursachen.“ Sie stecken vor allem in Getreide, Gras oder Möhren. „Auch Pferde mit dem Equinen-Cushing-Syndrom brauchen möglichst stärkearmes Futter.“
Bei dicken Pferden muss das Raufutter reduziert werden: 1,2 bis 1,5 kg Heu pro 100 kg Gewicht reichen. Maximal die Hälfte davon kann man durch Stroh ersetzen – aber nur bei guter Zahngesundheit und ausreichend Bewegung, damit es nicht zu einer Verstopfungskolik kommt.
Bei Untergewicht auf Stress achten
Ist das Pferd zu dünn? Dann sollte man nicht nur bei der Fütterung, sondern auch bei Haltung und Gesundheit genau hinsehen. In Offenställen sind nicht immer genügend Futterplätze vorhanden. Rangniedrige Pferde kommen möglicherweise nicht zur Raufe oder können dort nicht lange genug fressen. Auch Stress in der Herde lässt die Kilos purzeln.
Oder kann das Pferd das Futter möglicherweise nicht mehr richtig verwerten? Der häufigste Grund dafür sind Zahnprobleme. „Bis zu einem Alter von etwa 15 Jahren schiebt das Pferd Schneide- und Backenzähne nach, dann nicht mehr. Der im Kiefer verbleibende Teil wird dadurch immer kürzer“, erklärt die Tierärztin. „Im Alter hat das Pferd dann oft nur noch abgeschliffene, kurze Zahnstummel im Kiefer, mit denen das Zermahlen von faserhaltigem Futter immer schwieriger wird. Die kurzen Zähne sind oft instabil und brechen leicht, die Folge können schmerzhafte Entzündungen sein.“
Nicht immer zeigen die Pferde bei Zahnproblemen deutliche Symptome. Zum Teil kauen sie scheinbar normal, können aber das Futter nur eingeschränkt zerkleinern. Selbst wenn dieses vollständig verzehrt wird, kann es im Darmtrakt nicht mehr richtig aufgeschlossen werden. Dann verhungert das Pferd sozusagen am vollen Trog. Gewissheit hat man, wenn man regelmäßig einen Zahnspezialisten ins Maul schauen lässt.
Das gilt übrigens nicht nur für zu dünne Pferde. „Ein regelmäßiger Zahncheck, sogar noch häufiger als in jungen Jahren, gehört bei allen alten Pferden zum Gesundheitsmanagement, unabhängig vom Ernährungszustand“, sagt Dr. Mack. „Das Fressen wird meist als eine der letzten Funktionen eingestellt, selbst wenn schon lange Schmerzen und Entzündungen bestehen.“ Und: „Auch eine regelmäßige Parasitenkontrolle – in Form von Kotuntersuchungen und gegebenenfalls Entwurmungen – gehört beim alten Pferd nach wie vor zur Gesundheitsvorsorge.“
Magere Pferde mit viel Heu auffüttern
Angepasste Fütterung bei einem alten, mageren Pferd darf nicht bedeuten, einfach die Kraftfutterration zu erhöhen, um eine stärkere Kalorienzufuhr zu erzielen. Wichtig ist vor allem die ausreichende Versorgung des Pferdes mit Grundfutter. Zu dünne Pferde sollten deshalb unbedingt ausreichend Heu erhalten.
Kann das Pferd sein Heu nicht mehr kauen, braucht es rohfaserreiche Heu-Cobs als Ersatz – und zwar mindestens 1,5 kg pro 100 kg Körpermasse. Diese sollten immer eingeweicht werden, da sonst das Risiko einer Schlundverstopfung besteht. „1 kg Heucobs ersetzt 1 kg Heu, deshalb kann es durchaus nötig werden, bis zu 10 kg Cobs pro Tag an ein Großpferd zu verfüttern“, erklärt Mack. „Das Futter muss über den Tag verteilt in mehreren Portionen verabreicht werden.“ Die Fütterung eines alten Pferdes kann also sowohl logistisch als auch finanziell extrem aufwendig sein.
Das Kaubedürfniss muss befriedigt werden
Oftmals reicht es jedoch, zunächst nur einen Teil der Raufuttermenge durch Cobs zu ersetzen, da noch eine gewisse Menge Heu verwertet werden kann. Wichtig: „Auch wenn ein altes Pferd praktisch gar kein Heu mehr verwerten kann und ‚suppig‘ gefüttert werden muss, braucht es trotzdem täglich eine kleine Menge Heu. Selbst wenn alles als Wickel wieder aus dem Maul fällt, ist es dennoch für das Tierwohl unabdingbar, dass das Pferd sein Kaubedürfnis befriedigen kann“, sagt die Veterinärin.
Zu dünne Pferde sind oft mäkelig. Was tun? Ein leckeres Kräutermüsli oder Mash wird in der Regel gut aufgenommen. Ansonsten kann man dem Pferd das Futter mit etwas Apfelmus oder einem Schuss Apfelsaft schmackhaft machen. Maisflocken haben eine sehr gute Verdaulichkeit und einen hohen Energiegehalt, sie eignen sich deswegen gut zum Aufpäppeln von zu dünnen Pferden. Auch Zuchtstuten-Futter kann eine Lösung sein. Es enthält leicht verdauliche Energie sowie hochwertiges Eiweiß und ist deswegen für einen gewissen Zeitraum auch für Senioren geeignet. Bei Pferden mit Zahnproblemen eignen sich generell Futtermittel, die sich gut als Brei verfüttern lassen, wie Haferflocken, Weizenkleie oder auch Rübenschnitzel.
„Stellen Sie aber vorher sicher, dass kein Cushing-Syndrom vorliegt“, rät Mack. „Dieses geht nicht zwingend mit Übergewicht einher, sondern kommt auch bei Pferden mit Normal- oder Untergewicht vor.“ Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie EMS müssen Pferde getreidefrei ernährt werden. Hier eignet sich zum Auffüttern PSSM-Futter oder Reiskleie. „Auch hochwertige Pflanzenöle lassen sich untermischen, um die Energiedichte der Ration zu erhöhen“, empfiehlt die Tierärztin. „Achten Sie aber beim Auffüttern zu dünner Pferde immer darauf, dass eine ausgewogene und bedarfsdeckende Versorgung mit allen Nährstoffen gewährleistet ist, da einzelne Futtermittel wie zum Beispiel Weizenkleie, Rübenschnitzel, Reiskleie oder Öl je nach Menge deutliche Verschiebungen in der Nährstoffzusammensetzung der Ration nach sich ziehen können.“