An die 80 000 Kälber werden jährlich aus Bayern nach Spanien verkauft. Seit rund einem halben Jahr stehen die Exporte allerdings still, weil die dafür notwendigen Transporte von den zuständigen Amtsveterinäre nicht genehmigt werden. Die Gesetzeslage hat sich allerdings keineswegs geändert. Die Länderministerien berufen sich auf ein Schreiben des Bundeslandwirtschaftsministeriums, demzufolge sich die Lesart der europäischen Tierschutztransportverordnung geändert habe, musste man die Gangart verschärfen, heißt es. Die Landwirte und Vermarkter verstehen die Welt nicht mehr. Einen Hoffnungsschimmer sollte jetzt ein aktuelles Urteil aus Baden-Württemberg liefern, doch die bayerischen Rindervermarkter wurden schnell ernüchtert.
Was war passiert? Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat Ende vergangener Woche die Beschwerde einer Veterinärbehörde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes (VGH) Sigmaringen als unzulässig verworfen. Durch den bereits im Dezember ergangenen Beschluss des VGH wurde das zuständige Veterinäramt zur Abfertigung eines Kälberexportes nach Spanien verpflichtet, gegen den die zuständige Behörde Beschwerde einlegte.
Kälberpreise sind am Boden
Geklagt hatte die KälberKontorSüd GmbH (KKS), die die Weigerung der Behörde, Exporte von nicht abgesetzten Saugkälbern über eine Transportdauer von mehr als acht Stunden abzufertigen, als nicht durch die aktuell gültige Tierschutztransportverordnung EG 1/2005 gedeckt sah. Eine Einschätzung, die durch die Gerichte nun rechtskräftig bestätigt wird.
„Etwa 220 Kälber werden jetzt wieder wöchentlich von Baden-Württemberg nach Spanien verbracht“, erklärt der Geschäftsführer des KälberKontorSüd, Dr. Holger Mathiak. Die Farce an der ganzen Geschichte sei es, dass es sich bei dem aktuell gefällten Urteil um einen Transport handelt, der schon längst verladen sei. „Wir hoffen jetzt sehr darauf, dass sich die Lage weiter zügig entspannt. Denn die Kälberpreise sind am Boden“, so Mathiak, der inzwischen auf vier zugelassene Transporter für Tränkekälber zugreifen kann.
Anfangs hoffte man, dass man mit dem Richterspruch aus Mannheim für die Milchviehhalter in ganz Deutschland eine Präzidenzentscheidung erwirken konnte, die klarstellt, dass der durch die Behörden – mit offensichtlicher Rückendeckung durch die Politik – verhängte Exportstopp, nicht mit geltendem Recht vereinbar ist. Doch das bayerische Umweltministerium stellt sich stur. Der VGH-Beschluss aus Baden-Württemberg habe keine Auswirkungen auf Bayern. Hier beruft man sich vehement auf den Passus der europaweit geltenden Tierschutztransportverordnung, wonach „Keine Beförderungen von nicht abgesetzten Tieren durchgeführt werden darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werde.“ Gleichzeitig spielt man den Ball an die Kreisverwaltungsbehörden zurück, die für die Abfertigung und Überprüfung von Tiertransporten im Einzelfall zuständig seien.
Klare Entscheidungen umsetzen
Immerhin ein „geeignetes“ Transportfahrzeug wurde inzwischen vom Landratsamt Augsburg, befristet für ein Jahr zugelassen. Angesichts der wöchentlich anstehenden Kälbermengen ein extrem kleiner Tropfen auf den heißen Stein. „Für uns hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Absicht des EU-Verordnungsgebers bestätigt, dass auch lange Transporte nicht entwöhnter Kälber zulässig sind“, betont Gerhard Stadler, Veredelungspräsident des Bayerischen Bauernverbandes und sieht das bayerische Umweltministerium am Zug. „Wir erwarten, dass die klaren Entscheidungen aus Baden-Württemberg umgehend auch für bayerische Transporte umgesetzt werden“, fordert er.
Der BBV kritisierte, dass ein EU-weit geltendes Recht von den zuständigen Behörden nicht anerkannt wurde. Denn dadurch ist der bayerische Kälbermarkt so gut wie zusammengebrochen. Nun gilt es den Schaden durch EU-rechtskonforme Transporte auf Basis der in Baden-Württemberg ergangenen Entscheidungen nicht weiter anwachsen zu lassen. Einige EU-Nachbarländer profitieren bereits deutlich vom innerdeutschen Hick-Hack. So konnte beispielsweise Österreich seine Kälberexporte deutlich steigern. Und die spanischen Mastbetriebe werden mit Kälbern aus z. B. den Niederlanden, Irland oder Osteuropa versorgt.
Anscheinend weiß auch niemand so genau wie ein geeignetes Transportfahrzeug, das zum Verbringen junger, saugender Kälber dient, überhaupt ausschauen soll. Vom Bund aus beruft man sich auf eine Leitlinie, die momentan noch vom Friedrich-Löffler-Institut erarbeitet werden soll. Diese lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
Wettbewerbsverzerrung nicht länger hinnehmen
„Wir können diese Wettbewerbsverzerrung auf dem Rücken der bayerischen Betriebe nicht länger hinnehmen. Denn es geht um ihre Existenz“, sagt der Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Rinderzüchter (LBR), Dr. Georg Röhrmoser erzürnt. „Auch wir erwarten in Konsequenz vom bayerischen Umweltministerium eine Anerkennung dieser Präzedenzentscheidung und eine entsprechende Übertragung auf Bayern. Das heißt, dass die bayerischen Veterinärämter rasch angewiesen werden müssen, Kälbertransporte wieder so abzufertigen, wie in Baden-Württemberg seit Mitte Dezember 2019 möglich.“
Von Seiten des Ministeriums heißt es auf Anfrage des Wochenblatts: „Bayern drängt auf eine bundeseinheitliche Lösung.“ Zudem habe das Bayerische Umweltministerium eine Liste von 17 Staaten erarbeitet, bei denen erhebliche Zweifel bestehen, dass die deutschen Tierschutzstandards durchgehend beim Transport bis zum Zielort der Tiere eingehalten werden. Auch die Bundestierärztekammer fordert indes ganz generell „die qualvollen Tiertransporte in Drittländer endlich zu stoppen“, wie es in einer aktuellen Pressemitteilung heißt.
„Spanien ist allerdings kein Drittland und für die bayerische Rinderhaltung ein zuverlässiger Partner seit Jahren.“ Für Röhrmoser und die bayerischen Rinderzüchter sowie Kälberexporteure scheint eine Klage deshalb unabwendbar. „Wir prüfen gerade die Voraussetzungen, sind uns allerdings über alle Rinderzuchtorganisationen im Freistaat einig, dass dieser Schritt notwendig ist“, schildert er.
Bleibt zu hoffen, dass auch in Bayern dann endlich wieder Fahrt in die verzwickte Lage kommt. Denn auf den Betrieben stauen sich die Kälber. Dass es auch hier um Tierschutz gehen muss, scheint niemand einzukalkulieren. Und irgendwie bekommt man den faden Beigeschmack nicht weg, dass es langfristig um eine generelle Abschaffung der Kälbertransporte gehen soll. Was das für die bayerische Rinderhaltung bedeuten würde, ist nicht auszumalen.