Immer wieder muss Franziska Dully kurz inne halten, um sich zu sammeln. Stotternd berichtet die Reiterin auf ihren Social Media Kanälen über den schlimmsten Tag ihres Lebens: Ihre Stute Toffifee ist tot. Sie hat sich beim Fotografieren losgerissen und ist mehrere Kilometer entfernt von einem Zug erfasst worden. Das Pferd verstarb noch am Unfallort. 4,2 Millionen Menschen haben das Statement der 29-jährigen bereits gesehen.
Franziska Dully ist als Wiedereinsteigerin mit dem Kauf von Toffifee unter die Pferdeinfluencer gegangen. Neben zahlreichen Beileidsbekundungen finden sich auch einige kritische Stimmen unter ihrem Statement zum Unfall: „Du hast ein Bild für wichtiger gehalten, als auf die Befindlichkeit des Pferdes einzugehen“ schrieb eine Userin.
Bilder mit dem liebsten Vierbeiner gehört für viele Reiter zu ihrem geliebten Hobby dazu. Ob privat oder mit gebuchter Fotografin: Den perfekten Schnappschuss fürs Wohnzimmer oder die Follower ist für viele Pferdebesitzer schlicht Normalität. Doch ein Pferd aus seiner gewohnten Umgebung zu holen und mit Accessoires, langen Kleidern oder ungewöhnlichen Locations zu konfrontieren birgt einige Risiken.
Pferd: Was ein Tierarzt rät
Ein Tierarzt aus Niederbayern berichtet über seine Erfahrungen. Die Tatsache, dass er nicht namentlich genannt werden möchte zeigt auch, wie komplex dieses Thema ist:
„Ein Pferd kann sich quasi jeder kaufen, der das nötige Geld hat, ganz unabhängig von vorhandenem Fachwissen“, sagt er, „natürlich gilt das auch für andere Haus- und Hoftiere in Deutschland, aber es ist schon ein Unterschied, ob ich meinen 10 kg schweren Hund nicht im Griff habe oder ein 500 kg schweres Pferd“ Auch den Umgang von Reiter untereinander versteht der junge Tierarzt nicht: „Jeder ist Experte, bevor ich in den Stall komme haben schon fünf andere Einsteller ihre Diagnose gegeben. Und richtig schlimm ist es, wenn man online unterwegs ist.“
Er berichtet von einer Kundin, welche mit ihrem verletzten Pferd bei ihm in Behandlung war, und diese auf ihrem privaten Social Media Profil geteilt hatte. Die Zuschriften und Kommentare hätten sie so verunsicher, dass sie fast täglich ihren Tierarzt kontaktiert hat, aus Angst etwas falsch zu machen.
Dieses Phänomen kennt wohl auch die anfangs genannte Influencerin Franziska: Wenige Wochen nach ihrem schweren Verlust kauft sie sich ein neues Jungpfed: Die 3-jährige Rappstute Fleur. Doch ihre Freude über den neuen Partner an ihrer Seite teilen nicht alle ihrer Follower. Seither wird jeder Schritt der 29-jährigen akribisch unter die Lupe genommen.
Pferde richtig fotografieren
Wie sich Unfälle vermeiden lassen und welche Vorbereitungen Pferdebesitzer treffen können, erzählt Fotografin Nicole Miller (nm.moments) aus Augsburg:
Bei besonders ängstlichen Pferd empfiehlt Nicole das Fotografieren auf der örtlichen Koppel: Zäune und andere Gegenstände auf der Weide können später unproblematisch beim Bearbeiten entfernt werden“, erzählt sie. Ein zweites Pferd ist auch oft hilfreich, diese kann auch parallel als Aufmerksamkeitspunkt dienen. Um auf dem Bild ein aufmerksames Tier mit gespitzten Ohren zu haben, werden gerne Hilfsmittel eingesetzt. Da kann es schon mal sein, dass jemand mit einer Tüte raschelnd hinter dem Fotografen rumspringt. „Sowas sollte unbedingt abgeklärt werden“, so Nicole „Das ist bei jedem Pferd unterschiedlich. Die einen schauen total aufmerksam, wenn ein Wiehern oder anderes Geräusch abgespielt wird, die anderen verfallen dabei schon in Panik“.
Im Allgemeinen gilt:
- Fotografien nur an ruhigen Orten abseits von Straßen
- Dem Pferd bekannte Orte wählen
- Niemals sollte ein Pferd komplett frei im Gelände stehen
- Bei Bedarf kann ein zweites Pferd mitgenommen werden.
Oft kommt auch das sogenannte Fotografenhalfter zum Einsatz: Ein Knotenhalfter welches nur aus einem dünnen Seil besteht und sich später leicht in der Bearbeitung entfernen lässt. Bei nervösen Pferden rät Nicole von der Verwendung ab. Für die ersten Erfahrungen vor der Kamera ist auch die geputzte Trense schön - und sie bietet deutlich mehr Kontrolle.
Das größte Problem beim Fotografieren von Tieren: das Stehenbleiben. Viele Pferde sind vom ständigen stehen irgendwann genervt: „Das kann man vorher üben“, so Nicole.
Der Notfallplan für Pferdebesitzer
Und wenn die Stimmung trotzdem kippt? Nicole spricht in dieser Situation immer zuerst mit dem Besitzer: „Am besten nach der Meinung der Besitzer fragen, diese können ihr Pferd meist am besten einschätzen“.
Wenn sich die Situation nicht beruhigt, muss man das Shooting abbrechen. Manchmal helfen auch Pausen am Stall.
„Ich musste bereits selbst ein Shooting abbrechen, da ein Pferd sehr unruhig wurde“, sagt Nicole, “Die Besitzerin war ehrlich und meinte, es wäre besser wieder zurückzugehen. Gesagt getan. Letztendlich sind bis zu diesem Zeitpunkt schon so viele schöne Bilder entstanden, dass meine Kundin trotzdem happy war.“
Pferd entlaufen - was jetzt?
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen sind Pferde Fluchttiere. Sollte sich das Pferd trotz aller Bemühungen losreißen ist schnelles Handeln gefordert, die Bundespolizei gibt Tipps für den Ernstfall:

- Umgehend die angrenzenden Polizeidienststellen informieren
- Servicenummer der Bundespolizei kontaktieren 0800/6 88 000
- Selbst auf die Suchen gehen
Wichtig: Auch wenn es um das geliebte Tier geht ist es wichtig, dass man sich selbst nicht in Lebensgefahr bringt und Gefahrenstellen, wie Straßen oder Bahnschienen, nicht selbstständig und achtlos betritt. Außerdem ist anzumerken, dass die Bundespolizei ausschließlich für Unfälle auf Bahnanlagen zuständig ist, für den Straßenverkehr muss die Landespolizei kontaktiert werden.
Pferdehalter: Haftpflichtversicherung ist unverzichtbar
Nun sind alle zuständigen Bereiche informiert und trotzdem kommt es vielleicht zu einem Unfall oder einer Sachbeschädigung: Wer haften in diesem Fall und wie sollten sich Pferdebesitzer versichern?
Antworten hat die Pressesprecherin Melanie Berggold von der Allianz:
„Pferdehalter haften in Deutschland für alle Schäden, die ihr Tier einem Dritten zufügt“, so Berggold. In der privaten Haftpflichtversicherung sind Pferde oftmals nicht mitversichert. Das heißt, wer ein Pferd hat, sollte eine Pferdehalter-Haftpflichtversicherung abschließen. Eine Pflicht für diese Versicherung gibt es in Deutschland nicht. Bei vorsätzlichem Verhalten der Tierbesitzer oder Schäden durch Dritte haften die meisten Versicherungen nicht. Grob fahrlässiges Verhalten ist aber meistens mit abgedeckt, sollte aber beim Abschluss einer Versicheung besprochen werden.
Kommt das Tier selbst zu Schaden und muss beispielsweise in einer Klinik behandelt werden, ist die Kostenübernahme über eine Pferdekrankenversicherung möglich. Welche Kosten hier im Detail übernommen werden, ist bei jeder Versicherung anders.
Die volle Kontrolle hat niemand
Auch wenn alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden, ein Pferd bleibt ein eigenständiges Lebewesen, berichtet der Tierarzt aus Niederbayern. Selbst das am besten erzogene Pferd kann sich erschrecken und sich losreißen: „Wenn 500 kg wegwollen, dann sind sie auch weg.“ Trotzdem ist es sinnvoll, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Die Schuldfrage bei Unfällen mit Tieren ist immer eine schwere, schließlich kann sich einer der Parteien nicht dazu äußern. Das sieht auch Franziska Dully so, in einem Statement auf ihrem TickTock Account erklärt sie: „Ich gehe die Situation durch und bedenke das Ganzen tausendmal. Ich sehe nicht, wo ich einen Fehler gemacht habe“, sagt sie, „Wir haben da kein Shooting von zwei Stunden veranstaltet. Ich kann mir selber nicht erklären, wie sie dann vier Kilomenter weit durch den Wald gerannt ist und warum.“ Die junge Stute sei auch nicht erschrocken oder panisch gewesen erzählt Franziska: „Es war einfach ein tragischer Unfall“.