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Tierhaltung

Nährstoffkreislauf in der Landwirtschaft: Nutztiere gehören dazu

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Patrizia Schallert
am Freitag, 03.06.2022 - 10:24

Nutztiere sind Teil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sind. Welche Funktion ihnen dabei zukommt, erklärte Prof. Wilhelm Windisch. Dass eine Produktion mit hohem Anspruch ans Tierwohl möglich ist, zeigt „Hütthalers Hofkultur“.

Irdning-Donnersbachtal/Steiermark Brauchen wir überhaupt noch Nutztiere? „Wer darüber diskutiert, wird fast schon als Querdenker eingestuft, es sei doch völlig klar, dass die Kuh der Klimakiller Nummer Eins ist“, sagte Prof. Dr. Wilhelm Windisch vom Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München anlässlich der Nutztierschutz-Tagung der HBLFA Raumberg-Gumpenstein. „Trotzdem müssen wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Tatsache ist, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche bedrohlich knapp wird und ebenso wie die Klimakrise zu einer enormen globalen Belastung.“

Können wir uns Nutztiere noch leisten?

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„Narrative bestimmen die Diskussion um Nutztiere“, erklärte Windisch. Sie gelten als Nahrungskonkurrenten des Menschen, verursachen hohe Emissionen und belasten die Umwelt. Schließlich gebe es genug Alternativen zu Lebensmitteln von Nutztieren, beispielsweise Insekten, vegane Ersatzprodukte oder cellular meat (kultiviertes Fleisch aus In-vitro-Zellkulturen). Das stete Wachstum der Weltbevölkerung – bis 2050 wird ein Plus von 30 bis 50 % prognostiziert – sei die Nahrungskonkurrenz durch Nutztiere zunehmend ein Problem. Weltweit werden rund 80 % der Sojaernte und mehr als ein Drittel der Getreide- und Maisproduktion an Nutztiere verfüttert.

Können wir uns mit Blick auf diese Zahlen die Nutztierhaltung überhaupt noch leisten?“, fragte Windisch, der das Szenario der Lebensmittelverknappung bereits vor zwanzig Jahren vorhergesagt hatte. Der Ukrainekrieg und das dadurch verringerte Getreideaufkommen seien nur ein Vorgeschmack dessen, was in den nächsten Jahren noch auf die Bevölkerung zukommt. Wäre es da nicht sinnvoll, ganz auf vegane Landwirtschaft umzustellen?

Es wird viel nicht essbare Biomasse produziert

In der Diskussion um die Nutztierhaltung werde eines vergessen, so Windisch. „Die Landwirtschaft erzeugt überwiegend nicht essbare Biomasse.“ Der Gesellschaft sei zudem nicht bewusst, dass sich absolutes Grünland nur schwer in Ackerflächen umwandeln lässt. Durch den Anbau von Zwischenfrüchten fallen ebenfalls Flächen für die Produktion von Lebensmittel liefernden Kulturen aus. Steigende Düngerkosten verschärfen die Lage.

Beim Getreideanbau entstehen nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Stroh. „Von der gesamten Biomasse, die wir ernten, bleibt die Hälfte als nicht essbare Biomasse übrig“, erklärte der Agrarwissenschaftler. Im Sinn der Kreislaufwirtschaft müsse nicht essbare Biomasse aufgrund ihres großen Gehalts an Pflanzennährstoffen unbedingt dem Boden zurückgeführt werden.

Bei Produktion von 1 kg veganer Nahrung entstehen 4 kg nicht essbare Biomasse

„Wir können davon ausgehen, dass nur ein Drittel der geernteten Biomasse aus dem landwirtschaftlichen Anbau von Lebensmittel liefernden Kulturen überhaupt in die menschliche Nahrung gelangt.“ Im Übrigen entstünden auch für die Produktion von 1 kg veganer Nahrung mindestens 4 kg nicht essbare Biomasse.

„Kreisläufe betreffen nicht allein die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern die gesamte Lebensmittelverarbeitende Industrie.“ Pfade der Rückführung in den Kreislauf wären:

  • Alles zurück auf das Feld (“vegane Fruchtfolge”): ineffizient, hohe Emissionen.
  • Vergärung zu Biogas (CH4): Gärreste sind hochwertiger Dünger und können punktgenau ausgebracht werden.
  • Verfütterung an Nutztiere: Wirtschaftsdünger sind hochwertige Dünger und lassen sich punktgenau ausbringen.

Keine Nahrungskonkurrenz durch Wiederkäuer

Nutztiere fördern die Pflanzenproduktion und erzeugen Lebensmittel. „Vor allem Wiederkäuer können aus nicht essbarer Biomasse Milch und Fleisch ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen erzeugen“, bekräftigte Windisch. Die Pansenmikroben der Wiederkäuer erzeugen nämlich aus löslichem Stickstoff wertvolles Eiweiß, quasi „veganes“ Protein.

Wenn Getreide knapp wird, werde die Schweine- und Geflügelhaltung stärker unter Druck kommen als die Wiederkäuer, die keine für den Menschen verdauliche Biomasse fressen. Sind genug Getreide- und Eiweißressourcen vorhanden, sei es schon aus der Sicht der Wertschöpfung sinnvoll, Getreide und Soja an Schweine und Geflügel zu verfüttern.

Der Begriff „Klimakiller Kuh“ sei ein irreführendes Narrativ

Die Methanbildung (CH4) ist für die Funktionalität des Pansens unverzichtbar. Je höher allerdings die Futtereffizienz des gesamten Tierhaltungssystems, desto geringer die „CH4-Bürde“. Methan sei im Gegensatz zu Kohlenstoffdioxid (CO2) sehr kurzlebig. Maßnahmen gegen CH4 wirken zwar sehr schnell, lösen aber nicht das langfristige Problem der CO2-Akkumulation, sagte Windisch.

„Die Abschaffung der Wiederkäuer ist also nur der rettende Schleudersitz aus dem Flugzeug unmittelbar vor dem Crash, aber das Flugzeug wird geopfert.“ Wiederkäuer seien, einschließlich ihres Methanausstoßes, die „Tragflächen“ einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Es gelte deshalb nicht nur kurz-, sondern langfristige Lösungen zu diskutieren. Hauptziel müsse eine Minimierung der CO2-Emissionen sein, ein Aufbau von CO2-Senken begleitet von einer Reduzierung der CH4-Emissionen.

Der Verzicht auf die Verfütterung an Nutztiere

  • bringe keine signifikante Entlastung von Umwelt und Klima
  • vernichte enorme Mengen an Lebensmitteln, die ohne Nahrungskonkurrenz erzeugt wurden
  • und zwinge zur Ersatzbeschaffung durch eine intensivere Produktion von veganen Lebensmitteln. Dadurch steigen die Emissionen und Footprints je Einheit erzeugter Nahrung.

Tierproduktion mit Low-input-Systemen

„Eine Tierproduktion mit low-input-Systemen ist die eigentliche klimaschonende und umweltgerechte Lebensmittelproduktion“, zeigte sich Windisch überzeugt.

Häufig diskutiert werden Insekten als Nahrungsmittel. Aber Insekten seien „auch nur“ Nutztiere. „Sie könnten gute Lückenfüller sein, lösen aber das Problem der nicht essbaren Biomasse nicht.“ Das von Tierrechtlern propagierte Kunstfleisch (cellular meat) sei zwar eine interessante Sache, allerdings benötigten Zellkulturen höchstwertiges „Futter“ wie Glucose oder Aminosäuren. Dieses müsse wiederum aus Sojaproteinisolat oder Maisstärke gewonnen werden. Bereits existierende vegane Lebensmittel würden also mit großem technischem Aufwand zu kleinen Molekülen umgebaut, an die Zellkulturen verfüttert und unter Verlust wieder aufgebaut. „Das ist eine Vernichtungsmaschinerie veganer Lebensmittel und macht uns nur Nahrungskonkurrenz.“ Zellkulturen seien erst dann eine Alternative, wenn sie mit nicht essbarer Biomasse herangezogen werden können.

Durch die Produktion veganer Lebensmittel entstünden große Mengen an Tierfutter, also nicht essbarer Biomasse. Vegane Produkte seien folglich keine „Alternativen“, sondern ergänzende Lebensmittel zu Fleisch, Milch und Eiern, betonte Windisch. Sie sind Teil der Kreislaufwirtschaft. Die Verfütterung der Nebenprodukte aus der Erzeugung veganer Lebensmittel an Nutztiere ergebe ein Maximum an Lebensmitteln aus derselben Biomasse bei weitgehend unveränderten Emissionen.

Erstes Tierwohlprojekt: Hütthalers Hofkultur

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In der Nutztierhaltung gelte es die Futtereffizienz zu optimieren: keine Futterverschwendung, präzise Fütterung, Förderung der Verdauungskapazität, wiederkäuergerechte Fütterung und eine Minimierung von unproduktivem Futterverzehr im Gesamtsystem. „Lebensmittelsicherung in Verbindung mit Umwelt- und Klimaschutz erfordert eine standortgerechte Kreislaufwirtschaft. Das funktioniert nur mit Nutztieren.“

Dr. Florian Hütthaler, Geschäftsinhaber des seit 1897 bestehenden gleichnamigen Familienunternehmens in Schwanenstadt (Oberösterreich), erläuterte, mit welchem Konzept die Marke „Hütthalers Hofkultur“ Tierwohl entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Stall bis auf den Wirtshausteller gewährleistet.

Der Faktor „Tierwohl“ beschäftigt unsere Familie seit geraumer Zeit“, betonte Hütthaler. Wertschöpfung bedeutet für ihn, sich um die Landwirte zu kümmern, die uns Qualität liefern, und im hauseigenen Schlachthof auf das Tierwohl zu achten, um anschließend ein hochwertiges, österreichisches Lebensmittel zu erzeugen. Schon Hütthalers Großvater bürgte für die Qualität der Produkte, setzte auf Innovationen und auf stets verlässliche Geschäftsbeziehungen mit Handschlagqualität.

Vor acht Jahren startete die Familie mit der Marke „Hütthalers Hofkultur“ das erste „Tierwohl-Projekt“ Österreichs. Die Vision war und ist, Regionalität, Haltungsform und den Umgang mit Nutztieren wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen, um so den Qualitätsanspruch auf ein noch höheres Niveau zu heben und den tierethischen Prinzipien gerecht zu werden, sagte Hütthaler. Die Rahmenbedingungen für eine artgerechte Tierhaltung sollten also neu definiert werden.

39 Betriebe arbeiten wie der „Musterhof“

Das Herzstück der Vision „Hütthaler Hofkultur“ ist der von Philipp und Daniela Hütthaler bewirtschaftete „Musterhof“. Zu ihm gehören Duroc Schweine, Hochland- und Angusrinder, Schafe, Ziegen, Wachteln, Hasen und Hühner. Die Hütthaler KG konnte inzwischen 39 Betriebe für ihr Tierwohl-Projekt gewinnen. Die Teilnahme am AMA-Gütesiegel ist für die Betriebe ebenso verpflichtend wie ein erhöhtes Stall- und Betreuungsmanagement und die Einhaltung der „Tierwohl verbessert“-Richtlinien der „Gesellschaft !Zukunft Tierwohl!“

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Die Schweine und Rinder wachsen in großzügigen Ställen mit Auslauf, ständigem Zugang zu frischer Stroheinstreu und gentechnikfreiem Futter auf. Aufgrund des Auslaufs und der frischen Luft seien die Tiere nicht nur robuster und fitter, sondern auch beim späteren Transport zum maximal 40 km entfernten Schlachthof der Hütthaler KG viel gelassener als bei herkömmlichen Stallsystemen. In der Schweinehaltung sind schmerzhafte Treibhilfen und Eingriffe wie das Schwanzkupieren verboten, die Kastration nur unter Betäubung erlaubt.

Die vertraglich abgesicherte Kooperation zwischen Hütthaler und den landwirtschaftlichen Partnerbetrieben schließt einen Preisaufschlag von netto 53 € pro Schwein ein, eine Börsenpreisabsicherung von mindestens 1,40 €/kg Fleisch und eine Abnahmegarantie bis mindestens 2030. Die jährliche Kontrolle der Hofkultur-Partnerbetriebe erfolgt durch die unabhängige Kontroll- und Zertifizierungsstelle agroVet GmbH.

Schlachtung möglich stressfrei gestaltet

Im Februar 2019 ging das Unternehmen mit einem neuen, tierwohlorientierten Schlachthof in Betrieb, damit die hohe Fleischqualität durch die Schlachtung nicht beeinträchtigt wird. Ein großer Wartestall mit anpassungsfähigen Buchtensystemen mit mehr Platz für die Tiere, optimales Raumklima, Sprühnebelkühlung an warmen Tagen, Holzaufstallungen, leicht steigende Treibwege oder barrierefreies Abladen sind nur einige Kriterien des neu durchdachten Systems, betonte Hütthaler.

Eigens entwickelte Betäubungsanlagen, die reduzierte Schlachtgeschwindigkeit (maximal 100 Schweine oder 12 Rinder pro Stunde) und optimale Arbeitsbedingungen ermöglichten es den bestens geschulten Mitarbeitern, sich mehr Zeit für das einzelne Tier zu nehmen, und sorgen so für einen würdevollen Umgang. Transparenz war beim neuen Schlachthofkonzept besonders wichtig. Über zwei verschiedene Glasportale können Besucher in den Wartestall und auf das Schlachtband blicken. Mit Führungen will das Unternehmen Erwachsenen und auch Kindern aufzeigen, wie ein Tier zum hochwertigen Lebensmittel wird.

Tierwohl-Fleisch auf den Tellern im Möbelhaus

Ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte ist das Projekt „Hofkultur am Wirtshausteller“. Seit Herbst 2021 können sich auch Kunden der XXXLutz-Restaurants von der Qualität der nachhaltig und tierwohlgerecht produzierten Fleischprodukte der Hütthaler KG überzeugen. Vorerst werden im Gastrobereich des Möbelhauses Gerichte aus Schweinefleisch angeboten, sagte Hütthaler. Die komplette Speisekarte wurde neu konzipiert, um die Verarbeitung des ganzen Tieres zu gewährleisten, was früher nicht der Fall gewesen sei. Zudem wurde eine vertragliche Kooperation mit der „Gesellschaft !Zukunft Tierwohl!“ auf den Weg gebracht. Mit dem Gedanken, die Zusammenarbeit weiterzuführen, vereinbarte XXXLutz mit der Hütthaler KG eine Abnahmegarantie bis 2026.

„Voraussetzung für das Gelingen eines Projekts ist Teamwork“, bekräftigte Hütthaler. Deshalb wird in regelmäßigen Gesprächen zwischen Gastronomie, Tierschutz, Veredelung und Landwirt sowie mit Besuchen von landwirtschaftlichen Betrieben evaluiert, wie es gelingt, Kunden und Verbraucher noch mehr zu überzeugen, dass sie sich beim Einkauf oder Restaurantbesuch für Tierwohlprodukte entscheiden. „Damit kann“, so Hütthaler, „die Gesellschaft dazu beitragen, dass immer mehr landwirtschaftliche Betriebe auf höhere Tierwohlkriterien umsteigen.“