Am Dienstag in der Früh lag Kuh Heidi im Stall. Sie hat nichts mehr gefressen, nichts mehr gesoffen und ganz schwer geschnauft. Man hat gesehen, dass sie Schmerzen haben muss. Umgehend wurde Heidi in eine Krankenbucht verfrachtet, der Tierarzt informiert und eine Behandlung mit Schmerzmitteln und Antibiotika eingeleitet – Blut etc. untersucht. Das Ergebnis: „Unspezifische Vergiftungserscheinung“, wie es der Leiter der Rinderhaltung bei den Bayerischen Staatsgütern in Grub, Wolfgang Müller beschreibt.
Oft gehe es den Tieren innerhalb kurzer Zeit wirklich schlecht. „Am Vortag lief Heidi noch völlig unauffällig in der Herde mit. Wenn dann der Milchfluss bei den Kühen in der Laktation schlagartig zurückgeht, sie den Bauch aufziehen und nichts mehr fressen wollen, sind das oft erste ernst zu nehmende Symptome. Dann ist es aber meist schon fünf vor zwölf“, schildert Müller seine Erfahrungen.
Vergiftungen von Futter durch Hundekot
„Leider haben wir auch immer wieder intervallweise mit Verwerfungen und schweren Eutererkrankungen durch Clostridien und Coli-Vergiftungen in unserer Herde zu kämpfen“, bestätigt Marius Götz, der für das Herdenmanagement im Gruber Kuhstall zuständig ist. Den Grund dafür scheinen die Rinderexperten längst ausfindig gemacht zu haben, doch sie kämpfen gegen Windmühlen.
„Weite Teile unserer Grünlandflächen liegen an regelrechten „Hunde-Highways“, berichtet Götz. „Da helfen auch die freundlichsten und gut gemeinten Hinweistafeln nichts. Das Geschäft verrichten die Vierbeiner trotzdem im Feld und es wird von deren Besitzern oft genug nicht beseitigt“, erzählt Müller und schüttelt den Kopf.
Dabei wäre man doch gerade mit dem agrarökologischen Lehrpfad, an dem es übrigens auch Bänke und ausreichend Hundetoiletten gibt, bemüht, den Dialog zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung zu fördern. Alles für die Katz? – Derzeit scheint es auch noch modern zu sein, das Häufchen zwar in das Sackerl zu packen, aber die Wundertüte an Ort und Stelle zurückzulassen.
Selbst da, wo die Menschen noch ländlicher geprägt sein müssten, scheint der Grad der Ignoranz zu steigen. Wie bringt es eine Sennerin aus dem Sudelfeldgebiet so passend auf den Punkt: „Dein ist auch mein, aber Mein ist noch lang nicht Dein.“
Krankheiten werden durch Hundekot auf Kühe übertragen

„Der Verdacht, dass Hundekot im Futter für ein Problem im Stall verantwortlich sein könnte, ist schnell geäußert. In der Regel wird der Erreger Neosporum canium gefürchtet, der bei Rindern Aborte auslösen kann. Voraussetzung für die Verbreitung dieses Erregers durch einen Hund ist, dass sich dieser vorher infiziert hat, das heißt Zugang zu ansteckendem Material hatte“, schildert Tierarzt Dr. Günter Hessen. Doch bei einem Hund, der in der Wohnung gehalten wird und zum Gassigehen an Feldern und Wiesen vorbeiläuft, sei das meist unwahrscheinlich. Manchmal könne es allerdings durchaus ratsam sein, den eigenen Hofhund einmal auf den Erreger checken zu lassen, vor allem, wenn er Kontakt zu Nachgeburten-Material hatte.
Nichtsdestotrotz sind sich sowohl Heesen als auch Müller und Götz in einem Punkt einig: „Kot hat im Futter nichts verloren.“ Auf den Betrieben werde akribisch auf die Hygiene geachtet und das könne man nicht aufgrund von Respektlosigkeit, Faulheit oder Unwissenheit aufs Spiel setzen. „Außerdem geht es ja hier wirklich um Tierwohl und Tierschutz, und beides wird ja von allen Seiten gefordert“, sagt Müller, der nach wie vor den offenen Austausch mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung sucht. „Das ist auch unsere Aufgabe als staatliche Einrichtung“, betont er.
Fremdkörper gelangen vom Feld ins Futter
Dabei sei der Hundekot gar nicht das einzige Problem. Die Futterverschmutzung ist ein weitreichenderes Problem, als sich viele vielleicht vorstellen können. Denn auch Unmengen an Müll müssen Landwirte gerade jetzt zu Beginn der Vegetationszeit, zum Weideaustrieb und vor allem auch vor dem ersten Schnitt wieder von den Flächen sammeln.
„Es ist kaum zu glauben, was wir alles aus dem Futter rausziehen, vor allem aus der Silage“, berichtet Herdenmanager Götz. Vor allem die Technik beim Futterwerben und bei der Entnahme aus dem Silo verschärfe das Gefahrenpotenzial zusätzlich, da beim Zerkleinern des Futters auch die darin enthaltenen Fremdkörper zerkleinert werden – mit fatalen Folgen.
„Verdachtsdiagnosen in Zusammenhang mit Fremdkörpern nehmen in der Rinderhaltung tendenziell eher zu“, schildert Tierarzt Heesen. Der tatsächliche Nachweis gelinge allerdings selten, da dafür eine Operation oder Sektion nötig wäre. Das kommt in der Regel nicht in Frage.
Kuhmägen besonders anfällig für Fremdkörper-Verletzung durch Futter
Sind Fremdkörper einmal verschlungen, werden sie beim Wiederkäuen meist nicht mehr hochgewürgt, aufgrund ihres Gewichts oder ihrer spitzigen Beschaffenheit. Dann bleiben sie in der Schleimhautauskleidung des Vormagens, der sogenannten Haube, hängen und bohren sich weiter hinein. „Dort können sie schließlich zur Perforation der Magenwand führen, eine Peritonitis nach sich ziehen, was wiederum zu großen Schmerzen führt und das Tier nicht selten jämmerlich verenden lässt“, erklärt Heesen. „Kühe sind für dieses Problem geradezu prädestiniert, da sie große Futtermengen regelrecht verschlingen und ihr Verdauungssystem komplex sowie sensibel ist. Ihnen wird zum Verhängnis, dass es Menschen gibt, denen die drei Schritte zum Abfalleimer zu weit sind“, ergänzt Müller ratlos.
Magnete in Kuh und an der Maschine schaffen nur bedingt Abhilfe

Zur Behandlung lasse sich zwar ein Fremdkörpermagnet eingeben. Allerdings ist man zum einen darauf angewiesen, dass er auf dem Weg durch die Vormägen auch zum Fremdkörper gelangt. Zum anderen erfasst der sogenannte Käfigmagnet nur ferromagnetische Gegenstände, Weißblechdosen und beispielsweise Hundespielzeug aus Plastik können so nicht dingfest gemacht werden.
Früher gelang der Fremdkörpernachweis regelmäßig über die Schlachtbefunde, da es üblich war, die Magnete bei der Schlachtung zu entnehmen. „Da hat so mancher gestaunt, was da alles zu finden war“, schildert der Tierarzt seine Erfahrungen. Heute wird dieser Aufwand längst nicht mehr betrieben.
„Natürlich lassen sich die Fremdkörpermagnete prophylaktisch einsetzen – sie sind günstig und verbleiben dauerhaft im Vormagensystem“, betont Heesen. Auch Magnete an den Mischschnecken des Futtermischwagens können eingesetzt werden, um zu versuchen, Schlimmeres zu verhindern.
Mithilfe aus der Gesellschaft nötig: Keinen Müll aus dem Auto werfen!
„Wir haben vor zwei Jahren sogar die Randbereiche unserer Felder, die direkt an den Spazierwegen oder den großen Straßen vorbeiführen, separat gemäht und direkt auf den Misthaufen beziehungsweise in die Biogasanlage gefahren. Das ist natürlich Wahnsinn“, meint Götz und zuckt mit den Schultern. Es seien insgesamt 24 t Futter gewesen. „Das hat auch wirklich etwas gebracht, aber wer kann sich das schon leisten?“ Heimtückisch seien auch die Flaschen, die einfach aus dem Autofenster geworfen werden. „Die ganzen Splitter kann kein Mensch aufsammeln! Man könnte den Glauben an die Menschheit verlieren“, so Götz. „Wir gehen ja auch nicht in irgendwelche Vorgärten und laden dort unseren Müll ab.“
Hohe Kosten bis zum Verlust des Tieres
Heidi hat es übrigens nicht geschafft – am Freitag musste sie der Tierarzt erlösen. „Meistens trifft es die besten Tiere“, schildert Müller bedauernd. „Heidi war eine Kuh in der dritten Laktation mit 10 000 Liter Milchleistung. Das schmerzt besonders. Auch wenn es natürlich um jedes Tier schade ist und gerade, weil es so unnötig und unverständlich ist“, ergänzt sein Kollege Marius Götz.
In Grub seien jährlich rund acht Fälle mit Fremdkörpern oder Vergiftungserscheinungen unterschiedlichen Schweregrads zu beklagen. „500 bis 1000 Euro Behandlungskosten sind da schnell weg. Bei einem Totalverlust natürlich noch krasser“, bringen es Müller und Götz auf den Punkt. Aber auch die Spätfolgen dürfen nicht unterschätzt werden, wie beide zu berichten wissen. Sie wollen aber trotzdem weiter für sauberes Futter kämpfen, weil ihnen ihre Tiere am Herz liegen.