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Schweine

Mehr als ein Faserfuttermittel

Das Bild zeigt drei Schweine an einem Futtertrog.
Dr. Reinhard Puntigam, Martin Schäffler, LfL Tierernährung, Grub
am Dienstag, 16.05.2023 - 16:34

Weizenkleie ist ein Nebenprodukt der Müllerei und hat ein enormes Potenzial in der Schweinefütterung. Selbst gesteigerte Mengen in der Ration wirken sich nicht negativ aus. Im Auge behalten sollte man jedoch den Phosphorgehalt.

Mehl aus heimischem Getreide und die daraus erzeugten Nahrungsmittel, vor allem Brot und Backwaren, leisten einen wertvollen Beitrag zur Grundversorgung der Bevölkerung. In den Mühlen Bayerns wird jährlich ca. jedes dritte Weizenkorn vermahlen. Dabei fallen große Mengen an Weizenkleie an, deren Potenzial als Futtermittel oft verkannt wird. Es wird Zeit, die Kleie ins richtige Licht und verstärkt in den Trog zu rücken.

Weizenkleie: Dank hoher Gehalte an Rohfaser, Rohprotein, Aminosäuren und Mineralstoffen ist das Futtermittel interessant für die Rationsgestaltung in der Schweinemast.

Die Weizenkleie stellt eines der mengenmäßig bedeutsamsten Nebenprodukte aus der Lebensmittelverarbeitung dar. Im Zuge der Verarbeitung von Brotweizen (auch Roggen, Dinkel etc.) zur Mehlherstellung entstehen aus 1 kg Brotweizen ca. 800 g Lebensmittel, die verbleibenden 20 % lassen sich anteilig in Nachmehl, Futtermehl, Grießkleie und Kleie differenzieren. Nach Absieben des Mehles, d. h. der Stärke, setzt sich der verbleibende Rückstand überwiegend aus der Kornschale und dem eiweißreichen Keimling zusammen. Bei einer mittleren Mehlausbeute von ca. 80 % fallen bei der Getreidevermahlung bayernweit ca. 260 000 t Mühlennachprodukte an.

Hohe Aminosäure- und Mineralstoffgehalte

Die Zusammensetzung der Kleie wird sehr stark von der verwendeten Müllereitechnologie wie auch dem Ausgangsgetreide (z. B. Weizen oder Roggen) beeinflusst. Durch die Abtrennung der Stärke auf dem Weg von Weizen zu Mehl wird der Gehalt an Faserstoffen in der Weizenkleie angereichert. Doch wer glaubt, die Weizenkleie sei nur ein Faserfuttermittel, der irrt. Denn neben dem mäßigen Gehalt an Rohfaser (ca. 100 g/kg Weizenkleie) zeichnet sich die Weizenkleie durch einen hohen Gehalt an Rohprotein (ca. 160 g/kg), Aminosäuren (z. B. Lysin, 6,4 g/kg) und Mineralstoffen wie Phosphor aus. Im Vergleich zu den wichtigsten Futtermitteln ist jedoch sowohl der Gehalt an umsetzbarer Energie als auch die Verdaulichkeit des Rohproteins bzw. der Aminosäuren reduziert.

Kleie können in der Rationsgestaltung von Wiederkäuern und Monogastrieden, d.h. Schweine und Geflügel, Verwendung finden. Beschränkende Größen sind die Futteraufnahmekapazität, der Energiegehalt, der Gehalt an dünndarmverdaulichen Aminosäuren sowie jener an Phosphor.

Phosphor limitiert die mögliche Ration

Die pflanzliche Speicherform des Phosphors, das sogenannte Phytat, ist für das Schwein zum überwiegenden Teil nicht verdaulich und findet sich folglich in den Ausscheidungen wieder. Gesetzliche Vorgaben (Düngeverordnung, Stoffstrombilanzverordnung, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) limitieren den Gehalt an Phosphor und schreiben eine betrieblich bzw. anlagenspezifische Saldierung der Nährstoffströme von Stickstoff und Phosphor vor.

Somit ist die genaue Kenntnis über den Nährstoffgehalt nicht nur für die bedarfsgerechte Rationskalkulation, sondern auch für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben entscheidend. Eine genaue Deklaration von Rohprotein und Phosphor könnte einen wertvollen Beitrag zum gesteigerten Einsatz von Weizenkleie in der heimischen Rationsgestaltung leisten.

Somit obliegt den Müllern eine besondere Verantwortung für die ordnungsgemäße Deklaration. Aufgrund des Schalenanteils des Weizenkorns wird den Kleien auch oftmals ein hoher Gehalt an Mykotoxinen (im speziellen DON) nachgesagt, wenngleich größere Untersuchungen zu dieser Thematik noch ausstehen. Um auf Nummer sicher zu gehen, lohnt sich eine kostengünstige ELISA-Analytik.

Satte und beschäftigte Tiere fühlen sich wohler

Der gesteigerte Einsatz von Kleie trägt wesentlich zur Sättigung, Beschäftigung und Verdauung sowie zum gesteigertem Tierwohl bei. Darüber hinaus ist es auf Basis der Rationskalkulationen unter gesteigerten Rationsanteilen möglich, bis zu 25 kg Weizenkleie in der energie- und nährstoffangepassten Schweinemastration unter Einhaltung der Vorgaben anzuwenden.

Das ermöglicht es, ca. 30 kg Futterweizen pro Tier im Zuge der Mast einzusparen. Doch nicht nur in der Schweinemast, sondern auch in der Fütterung von tragenden Sauen können große Mengen an Weizenkleie in der Rationsgestaltung Anwendung finden und für mehr Ruhe und weniger Stress sorgen.

Ökonomisch und ökologisch punkten

Durch ihr Potenzial, die Menge an benötigtem Futterweizen zu senken, trägt Weizenkleie auch dazu bei, die Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Nutztier und Mensch zu reduzieren. Während Weizen und Mais einen potenziell human verzehrbaren Anteil von ca. 80 % aufweisen, beträgt dieser Anteil bei der Weizenkleie lediglich 10 %. Somit lässt sich durch den gesteigerten Einsatz von Weizenkleie in Nutztierrationen das Spannungsfeld „Teller vs. Trog“ einschränken.

Auch die Berechnung der Preiswürdigkeit der Weizenkleie im Vergleich zu weiteren Futtermitteln streicht die Vorzüge heraus. Laut Berechnungen entspricht 1 kg Weizenkleie nährstofflich ca. 200 g Sojaextraktionsschrot (44 % Rohprotein) und ca. 500 g Körnermais – somit ergibt sich bei ökologischer und ökonomischer Betrachtung eine „Win-win-Situation“.

Aktuelle Schweinemastversuche der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU, Ertl, 2022) verdeutlichen, dass hohe Einsatzmengen an Weizenkleie wie in Tabelle 2 in der Praxis ohne Leistungseinbußen möglich sind. Aufgrund der Schmackhaftigkeit konnte eine geringere Futteraufnahme nachgewiesen werden. Jedoch wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe der Futteraufwand signifikant reduziert. Auch der Magerfleischanteil wurde durch die Kleine in der Ration nicht beeinflusst wobei es das Lysin/Energie-Verhältnis zu beachten gilt.

LfL Tierernährung, Grub

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